Lehre in Zeiten von Corona

Und plötzlich war alles digital. Zwar realisiert unsere Hochschule bereits seit einigen Jahren ein Lehr- und Lernkonzept, das digitale Elemente und Formate in das Studium einbindet, aber der Transformationsprozess der letzten zwei Monate war notgedrungen rasant. Neben hoher Flexibilität und Engagement der Lehrenden sind auch die zentralen Einrichtungen gefragt, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Schmuckbild Lehre in Zeiten von Corona (Bild: patat@istock)

Es war eine „unglaubliche Welle“, die im März 2020 über das Zentrum für Lehrentwicklung (ZLE) hereinbrach. Quasi „über Nacht“ sei eine ganze „Support-Maschinerie“ angeworfen worden. So schildert es Susanne Glaeser, Teamleiterin Medien im ZLE. Die starken Vokabeln kommen nicht von ungefähr. Schließlich wurde innerhalb weniger Tage praktisch allen Lehrenden klar, dass Präsenzveranstaltungen auf absehbare Zeit nicht möglich sein würden. Über Wochen, vielleicht über das ganze Semester hin. Und das ZLE war die erste Anlaufstelle für die Frage: Was jetzt?

Natürlich richtete sich der Fokus sofort auf die virtuellen Alternativen. Videos, Chatrooms, Konferenz-Tools. „Nach meiner Schätzung hat sich mindestens die Hälfte der Lehrenden sofort auf die Suche nach solchen Lösungswegen gemacht, während manche noch etwas abwarteten. Schon mit dieser Zahl aber war klar, dass die bestehenden Systeme bald überlastet sein würden“, sagt Susanne Glaeser. Sehr schnell musste Software beschafft werden, mit der sich Online-Lehre verlässlich gestalten lässt.

Alternativlose Tools
„Wir haben die Hochschulleitung gebeten, unsere bestehenden Prozesse auszusetzen und ausstehende Schritte nachgelagert zu klären, zum Beispiel Fragen zur IT-Sicherheit“, sagt Fabian Sesterhenn aus dem Team E-Learning der Campus IT. Schnelle Entscheidungen und schnelle Vergaben waren notwendig. So konnten kurzfristig ausreichend Lizenzen für das derzeit auch in Unternehmen stark gefragte Konferenz-Tool Zoom beschafft werden. „Das war die Rettung“, sagt Susanne Glaeser unumwunden. Der IT-Experte bestätigt das: „Das Tool ist alternativlos, auch wenn der Hersteller noch manche Hausaufgaben zu machen hat.“ Mit Hausaufgaben meint Sesterhenn vor allem Datenschutzfragen. Unkalkulierbare Risiken ist die Hochschule seiner Einschätzung nach mit der Anschaff ung von Zoom aber nicht eingegangen, da einige Sicherheitsmaßnahmen ergriff en wurden. Vor allem läuft die Anmeldung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und damit auch die Eingabe von Passwörtern nicht über die Zoom-Cloud, sondern liegt auf den Hochschulservern.

1.000 statt wie bisher 200 User pro Tag
Der Aufwand für die technische Integration des neuen Angebots war hoch. Die IT hat trotzdem noch weitere Angebote geschaffen. Zum einen wurden die Nutzungsmöglichkeiten für Microsoft Teams ausgebaut, das für Zusammenarbeit in kleineren Gruppen geeignet ist. Außerdem wurden die hausinternen Datenstrom-Kapazitäten deutlich erhöht. „Es zeigte sich, dass wir statt wie bisher vielleicht 200 nun bis zu 1.000 gleichzeitige User im Netzwerk hatten. Deshalb haben wir die Kapazitäten auf 1.600 erhöht und werden sie noch auf 2.400 steigern, um ganz sicher zu sein“, erklärt Jan Schlagenhauf, Leiter des IT-Teams Office IT.

Zudem stellt die Campus IT jetzt mit Camtasia ein Programm zur Verfügung, mit dem Videos problemlos am eigenen PC aufgenommen werden können. Hinzu kommen natürlich die Möglichkeiten mit der bewährten Hochschulplattform ILIAS, die längst viele Lehrende für die Bereitstellung von Stoff und für Feedback nutzen. „Aber natürlich war das bisher immer mit Präsenz-Veranstaltungen kombiniert“, sagt Schlagenhauf.

Corona zwingt uns, die Lehre weiterzuentwickeln. Von diesem Schub wird, glaube ich, viel hängen bleiben (Susanne Glaeser)

Die technischen Möglichkeiten sind eben nur eine Seite der Medaille. Mindestens ebenso wichtig sind didaktisch-methodische Fragen. „Es gibt da zwei ganz große Herausforderungen“, sagt Susanne Glaeser. Die eine betrifft die Präsentation und Vermittlung von Lehrinhalten: „Schon eine echte Vorlesung im klassischen Sinn mit einem Vortrag über 90 Minuten ist anstrengend und auch wenig anwendungs-orientiert, aber im virtuellen Raum ist das überhaupt nicht mehr machbar!“ Das zweite Problem betrifft die Frage, wie Interaktion, wie Feedback für die Studierenden gestaltet werden kann. Programme wie Zoom böten durchaus gute Möglichkeiten des Austauschs, beispielsweise über die „Breakout“ genannten Gruppenräume, die der Host nahezu beliebig aufteilen und in die er sich jederzeit einschalten kann. Aber wichtig sei eben für alle Lehrenden, sich auch mit diesen didaktischen Fragen intensiv zu befassen. Das ZLE bietet dazu jede Menge Beratung und Information, und das über drei Wege: das ILIAS-Forum, eine eigene Mailadresse für direkte Fragen sowie über Web-Seminare, von denen zeitweise täglich ein bis zwei stattfanden.

Langjährige Vorarbeit zahlt sich aus
Die TH Köln profitiert nach Ansicht der Medienexpertin Susanne Glaeser in der gegenwärtigen Situation sehr davon, dass sie mit dem Zentrum für Lehrentwicklung unter der Leitung von Dr. Birgit Szczyrba eine hochschulweit agierende Einrichtung für die jetzt entscheidenden Fragen hat und mit dem Medienbüro auch über Fachleute verfügt, die beispielsweise bei der Produktion von professionellen Videos helfen können. „Unser Team hat gerade in der ersten Zeit alles gegeben. In der Intensität und in dem Tempo war das einmalig.“ Neben der großen Herausforderung sieht sie auch eine große Chance in der Krise: „Corona zwingt uns, die Lehre weiterzuentwickeln. Von diesem Schub wird, glaube ich, viel hängen bleiben.“

Text: Werner Grosch

Juli 2020

Schmuckbild (Bild: TH Köln)

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Wie erleben Dozentinnen und Dozenten der TH Köln die Umstellung auf digitale Lehre?. Welche Tipps können sie geben? Ein Podcast über Erfolge und Rückschläge beim Einsatz digitaler Medien in der akademischen Lehre.

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