„Auf ein Kränzchen - 11 Fragen, 11 Antworten" – Interview mit Dr. Niklas Hellemann von SoSafe

In der »Fit for Invest« Interviewreihe „Auf ein Kränzchen – 11 Fragen 11 Antworten“ sprechen Unterstützerinnen und Unterstützer über verschiedene Perspektiven zu Entrepreneurship und Gründung in der Region Köln. Prof. Dr. Kai Thürbach und Prof. Dr. Marc Prokop interviewen Dr. Niklas Hellemann, Gründer und Geschäftsführer von SoSafe, einem Start-up, das das EXIST-Programm an der TH Köln durchlief.

Person vor Hintergrund Dr. Niklas Hellemann, Gründer und Geschäftsführer von SoSafe zu Gast bei der »Fit for Invest« Interviewreihe „Auf ein Kränzchen – 11 Fragen 11 Antworten“ (Bild: Silviu Guiman)

Die Fragen an Dr. Niklas Hellemann von SoSafe stammen aus dem »Fit for Invest«-Netzwerk. Auch Gründerinnen und Gründer der Hochschulen konnten fragen, was sie interessiert und aus den Erfahrungen der Interviewgäste lernen.

1. Frage: Womit beschäftigt sich SoSafe und was ist das Ziel?

Hellemann: Wir stärken die digitale Selbstverteidigung von Menschen im Cyber-Security-Bereich. Wir sehen, dass jede Woche tausende Hacks passieren. Was auf den zweiten Blick klar wird. Diese Cyberangriffe, die für Firmen auch sehr kostspielig werden können und auch Firmen lahmlegen können, sind nur auf den ersten Blick ein technischer Akt. Auf den zweiten Blick sind sie ein psychologischer Vorgang – das heißt, die Hacker greifen die Menschen direkt an. Bei Phishing-Mails ist das große Problem: Man klickt drauf, lädt irgend etwas runter und dann sind ganz schnell die Systeme verschlüsselt und es wird Lösegeld gefordert, teilweise in Millionen-Beträgen. Der Schaden geht weltweit in die Milliarden. Man kann sich natürlich technisch absichern, aber man kann auch den Menschen helfen, eine digitale Selbstverteidigung zu entwickeln. Das machen wir über eine sogenannte „Cyber Security Awareness Plattform“ – bedeutet, dass wir kontinuierlich die Mitarbeitenden von Unternehmen trainieren und ihnen zum Beispiel Fake-Phishing-Angriffe schicken. Wenn sie darauf klicken, kriegen sie eine kleine Lektion, wo ihnen dann noch mal erklärt wird, woran sie die gefälschte Mail hätten erkennen können. Damit senken wir das Risiko für viele Unternehmen und Industrien auf nachhaltige Art. Und das ist unser Ziel. Wir wollen die Angreifbarkeit von Unternehmen weltweit mindern.

2. Frage: Wer sind eure Kunden und wie findet ihr sie?

Hellemann: Das Spannende und gleichzeitig das Dramatische ist, dass wir jetzt nicht unbedingt den EINEN Kunden haben, der besonders gut funktioniert, weil alle angegriffen werden. Wir haben Kunden vom multinationalen Dax-Unternehmen bis hin zur Arztpraxis oder Anwaltskanzlei um die Ecke, denn Alle stehen im Fadenkreuz und alle werden angegriffen. Jeder hat Daten, die er wiederhaben möchte. Und auf Basis von Cryptocurrencies oder Bitcoin kann man diese sehr gut erpressen und dann in diesen Cryptocurrencies ein Lösegeld fordern. Das heißt also, unsere Kunden sind weltweit verteilt, sind aller Art und aller Größe, weil das Problem für alle Organisation zutrifft. Auch der öffentliche Bereich ist sehr gefährdet. Ganz besonders hervorzuheben ist sicherlich auch die kritische Infrastruktur, also Krankenhäuser. Es gab einen tragischen Fall in Düsseldorf, wo tatsächlich auf Basis einer Phishing Mail die Notaufnahme geschlossen werden musste, der Patient musste in ein anderes Krankenhaus umgeleitet werden und ist dann auf dem Weg verstorben. Das heißt also es geht auch nicht immer nur um Geld, sondern es geht auch um Leib und Leben. Und das sehen wir in der kritischen Infrastruktur ganz extrem. Also wenn man jetzt auch an Wasserversorgung, Stromversorgung oder wie jetzt jüngst in den USA eine Benzin-Pipeline denkt, da ist ein Land dann ganz schnell sehr stark gefährdet, wenn solche Organisationen dann getroffen werden.

3. Frage: Wie hat sich dein Team gefunden und wann wusstest du, dass du selbst Gründer werden möchtest?

Hellemann: Etwas zu schaffen, zu kreieren, was dann auch funktioniert, war schon immer eine sehr starke Motivation. Ich habe einen kleinen Umweg in die Unternehmensberatung gemacht, habe viele Firmen und große Konzerne gesehen und hatte dann den Gedanken, sehr spannende Themen, aber da möchte ich noch näher ran, da möchte ich noch mehr  bewegen. In dieser Zeit ist der Wunsch danach gereift. Da habe ich auch meine Mitgründer Lukas und Felix kennengelernt. Wir wurden einander mit einem ähnlichen Wunsch vorgestellt, dass wir etwas gründen wollen. Dann haben wir uns zusammengesetzt und überlegt: Was wollen wir machen? Wie können wir die Welt besser machen? So haben wir uns verschiedene Themen angeschaut, die in diese Präventions-Richtung gingen und dann haben wir gesehen: Cybersecurity war damals vor drei Jahren schon ein Riesenproblem. Jetzt ist es noch viel größer. Da hat vermutlich auch geholfen, dass ich Psychologe bin, da kommt der menschliche Faktor dazu. Und so hatten wir eigentlich sehr schnell diese Idee, haben das zügig gestartet und sind dann auch sehr schnell gewachsen.

4. Frage:  Welche Rolle hat die Hochschule in der Gründungsphase gespielt? Wie hat dich die Hochschule im Gründungs-Vorhaben unterstützt?

Hellemann: Man muss sich als Gründerteam zusammenfinden, dann müssen alle gleichzeitig in der richtigen Lebensphase sein – und dann legt man los. Man kann in der Garage gründen, aber besser ist, wenn man direkt ein Office hat und das haben wir an der TH bekommen. Wir waren das erste Team, das im Inkubator ein Büro gefunden hat und da haben wir unsere Firma gegründet und hatten diese Unterstützung, die man in diesen allerersten Tagen eben braucht, in Form von Infrastruktur, aber auch Beratung. Wir hatten einen Mentor und haben sehr viel Unterstützung erhalten, ein Netzwerk bekommen, konnten Fragen stellen, wie „Wie stelle ich meinen ersten Mitarbeiter ein“. Das war sehr hilfreich.

5. Frage: Was hat das Homeoffice in der Pandemie für dein Geschäftsmodell bedeutet?

Hellemann: Wir wussten natürlich in der allerersten Phase der Pandemie nicht, was passieren wird. Wir hatten gewisse Thesen dazu, wie sich auch die Relevanz des Problems verändern wird. Wir haben uns im von uns herausgebrachten Human-Risk-Review die Bedrohungslage im Cyberraum angeschaut und haben sehr schnell rausgefunden, dass Angriffe wie Phishing-Mails in den allerersten Wochen der Pandemie dramatisch zugenommen haben. Das heißt also, die Angreifer waren extrem gut darin zu erkennen, dass wir alle jetzt in einer absoluten Ausnahmesituation sind. Und unser Kopf war natürlich ganz woanders – das wurde ausgenutzt, beispielsweise mit Phishing-Mails, die gezielt das Wort „Corona“ beinhalteten. Wir haben das auch mal analysiert: Wenn man das Wort „Corona“ im letzten Jahr in die Betreffzeile eingefügt hat, hat sich die Klickrate dramatisch erhöht. Das heißt also, es war ein Trigger-Wort, das wussten die Angreifenden sehr schnell. Jetzt hoffen wir, dass sich die Pandemie irgendwann auch mal ausschleichen wird. Dennoch: Das hybride Arbeiten ist geblieben. Wir arbeiten jetzt alle viel stärker remote, wir sitzen in Videokonferenzen, nutzen Chat-Tools oder Messenger-Tools wie Microsoft Teams oder Slack. Das erhöht wiederum das Risiko massiv. Wir sehen, dass Mitarbeitende, die im Remote-Setting sitzen, dreimal so häufig auf solche Phishing-Angriffe reinfallen. Das heißt, wir müssen diese jetzt unterstützen, auch in Zukunft. Dementsprechend ist unser Geschäftsmodell wesentlich relevanter geworden. Das sehen wir auch an unseren Geschäftszahlen, an den Zahlen der Kunden, aber vor allem, weil sich das Arbeiten verändert hat. Und das wird bleiben. Das hybride Arbeiten wird mehr Standard als Ausnahme sein. Und da ist es umso wichtiger, die Mitarbeitenden mitzunehmen und zu unterstützen, eben durch eine Plattform wie unsere.

6. Frage:  Wenn du an Köln denkst, welches Bild kommt dir in den Kopf?

Hellemann: Ich sage jetzt nicht der Dom. Ich komme ein bisschen aus dieser Region, habe aber auch auf der ganzen Welt schon gelebt, unter anderem in den USA – und bin immer wieder hierher zurückgekommen. Das liegt vor allem an den Menschen hier und das ist für mich kein Klischee. Köln ist viel mehr als Karneval. Beim Karneval bündelt es sich noch mal so ein bisschen. Ich habe viele Städte gesehen, aber wenige, die so weltoffen und tolerant sind wie Köln und wo es Spaß macht, mit den Leuten zu interagieren und wo die Menschen auch selber so viel Spaß haben, sich für andere zu interessieren. Das ist ein starker Punkt, der für mich Köln sehr hervorhebt und auch ein Grund, warum wir hier die Firma gegründet haben, weil wir auch glauben, dass wir damit wiederum Menschen anziehen, die genauso ticken. Ich hebe immer hervor, wie weltoffen und wie cool man hier auch als Neuankömmling aufgenommen wird. Das ist wirklich etwas, das ich von ganz wenigen Städten kenne.

7. Frage: Wie nimmst du den Standort Köln als Gründer wahr? Was gefällt dir und was nützt dir?

Hellemann: Diese Mentalität, die ich gerade angesprochen habe, dass also hier alles sehr weltoffen und sehr tolerant ist, ist etwas, was uns auch hilft, wenn wir internationale Talente anziehen möchten. Außerdem haben wir hier viel Industrie. Gerade in den Anfangszeiten, wenn Gründer im B2B-Bereich unterwegs sind, auf der Suche nach einem Kunden, kann man direkt mit großen Unternehmen ins Gespräch kommen. Und dann natürlich die Ausbildung: Hier gibt es extrem viele Universitäten, THs und FHs. Das wird für uns jetzt sehr wichtig, da wir händeringend nach Talenten suchen. Wir haben in etwa 50 Jobs auf unserer Karriere-Seite offen und die versuchen wir auch durch Absolventen zu besetzen. Das ist sicherlich ein sehr starker Standortvorteil. Wo wir meiner Meinung nach noch ein bisschen Aufholbedarf haben, ist, diese Mentalität von Köln auch in die Welt zu tragen, Werbung zu machen und Mobilitätskonzepte zu entwickeln: Da wünsche ich mir ein bisschen mehr Mut und moderne Aufstellung in der in der städtebaulichen Entwicklung. Wir treten in Konkurrenz mit Städten wie Kopenhagen und Berlin. Und da glaube ich, kann man ein bisschen aufholen.

8. Frage:  Wo siehst du Verbesserungspotenzial und was wünschst du dir als Gründer?

Hellemann: Wie gesagt, glaube ich, dass ein großer Vorteil von Köln diese Mentalität und Kultur ist. Das müssen wir einfach noch mehr kommunizieren, auch weltweit. Viele Kollegen aus den USA, Indien oder Tel Aviv haben schon mal von Köln und dem Karneval gehört, aber dieses Weltoffene, das man hier eben auch als internationaler Expat gut leben kann, können wir noch hervorheben und bewerben. Und mein Herz schlägt für die Mobilität. Wir haben unser Headquarter in Ehrenfeld, durch die die gefährlichste Straße Europas führt. Jetzt wird Gott sei Dank was getan. Aber ich fände es toll, wenn man mehr Mut wagen würde und moderne Mobilitätskonzepte durchzieht, bei denen der internationale Gast sehen würde: Das ist eine moderne Stadt, die macht sich Gedanken und die macht eben nicht nur Fahrradwege, die so eng an einer befahrenen Straße lang führen und die auch gefährlich sind. Das ist eingebettet in ein gesamtes städtebauliches Konzept, wo man auch ein bisschen mehr Grün wagen kann. Dann haben wir einen sehr coolen Standort.

9. Frage: Im Rahmen von »Fit for Invest« wurde die Open Innovation Plattform Project Cologne von der Rheinischen Fachhochschule ins Leben gerufen. Hier können Studierende in praxisorientierten Challenges konkrete Fragestellungen eines Unternehmens behandeln. Wie findest du diese und wie gehst du mit dem Thema Innovationen in deinem Unternehmen um?

Hellemann: Das finde ich super, ich erinnere mich auch noch dran, wie es ist als Arbeits- oder Karriere-Anfänger. Wenn man von der Uni kommt, hat man eine Vorstellung, wie ein Unternehmen von innen funktioniert. Manchmal treffen sie die Realität, manchmal gehen sie aber auch vorbei. So eine Challenge ist super, denn dann versetzt man sich auch in die Rolle eines Unternehmers und überlegt sich, welche Probleme ein Unternehmen hat und kann dieses bearbeiten und lernt dadurch, unternehmerisch zu denken. Es passt auch zu dem, wie wir Innovationen bei SoSafe leben, denn wir haben eine Kultur, wo wir alle sehr eng einbinden. Also kritisches Denken wird dort auch sehr stark gefördert und das finde ich auch eine ganz wichtige Eigenschaft. Ich überlege auch, was bei uns die Challenges sein könnten. Sicherlich viel auch im Bereich der Zusammenarbeit. Wir sind jetzt eine Remote First Company in dem Sinne, dass wir ja ein sehr großes Wachstum gerade in der Lockdown-Situation hatten. Das bringt viele Herausforderungen mit sich: Wie kommuniziert man, gibt es noch andere Möglichkeiten, wie man auch informelles Get-Together fördern kann? Unsere Firma lebt ganz stark davon, dass wir uns früher auch in persona ausgetauscht haben. Dafür würde ich mal sehr spannend finden, wie denn auch jetzt gerade die Generation Z dazu denken würde und zu welchen Lösungen sie kommen würde.

10. Frage:  Was waren eure bisher größten Hürden und worauf seid ihr besonders stolz?

Hellemann: Wir haben ein unglaubliches Wachstum hingelegt und das vor allem gerade in dieser schwierigen Zeit des Corona-Jahres, wo wir alle im Lockdown waren. Wir sind jetzt zweieinhalb Jahre alt und grob 150 Leute. Viele von unseren Mitarbeitern sind in dieser Phase zum Unternehmen gestoßen. Eine Organisation erst mal so schnell wachsen zu lassen und aufzuziehen, ist ohnehin immer schwierig und dann auch noch in dieser Phase – das war schon eine Herausforderung. Wir haben auch viel Energie und Zeit und Geld darauf verwendet, dass wir unsere Kultur aufrechterhalten können, gerade im Recruiting. Wir machen auch regelmäßig Mitarbeiterbefragung und da sehe ich auch, dass wir das geschafft haben. Aber natürlich freue ich mich auch auf die Zeit, wenn wir jetzt alle wieder in unser neues Büro, das wir gerade bauen, zurückkehren können.

11. Frage:  Was wäre dein Tipp für junge Gründerinnen und Gründer?

Hellemann: Bleibt neugierig. Neugier ist für mich die wichtigste Eigenschaft. Und Neugier heißt, sich für alles und jeden zu interessieren. Meine Eltern erzählen, dass schon immer meine Eigenschaft war, alles zu hinterfragen und sich überall hineinzudenken. Jedes Problem ist irgendwie lösbar. Das heißt also „schwierig“ oder „verstehe ich nicht“ sollte es eigentlich nicht geben. Ich rate allen, lieber nochmal nachzubohren und nachzufragen, sich für andere Menschen zu interessieren und einen Perspektivwechsel zu wagen. Das ist für mich ein einen Glücks-Prinzip im Leben, aber eben auch für einen Unternehmer eine wichtige Eigenschaft in allen Bereichen. Wenn ich mich in andere hineinversetzen kann und da auch Lust drauf habe, entdecke ich vielleicht Probleme, die noch nicht adressiert sind und schon habe eine Geschäftsidee.

September 2021

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