„Auf ein Kränzchen - 11 Fragen, 11 Antworten" – Interview mit Zerrin Börcek, fe:male Innovation Hub

In der »Fit for Invest« Interviewreihe „Auf ein Kränzchen – 11 Fragen 11 Antworten“ sprechen Unterstützerinnen und Unterstützer über verschiedene Perspektiven zu Entrepreneurship und Gründung in der Region Köln. Prof. Dr. Mona Mensmann und Dr. Marc Prokop sprechen mit Zerrin Börcek, CEO und Geschäftsführerin von fe:male Innovation Hub und Teresa.AI.

Portrait Zerrin Börcek, CEO und Geschäftsführerin von fe:male Innovation Hub und Teresa.AI zu Gast bei der »Fit for Invest« Interviewreihe „Auf ein Kränzchen – 11 Fragen 11 Antworten“ (Bild: Silviu Guiman)

Die Fragen an Zerrin Börcek von fe:male Innovation Hub stammen aus dem »Fit for Invest«-Netzwerk. Auch Gründerinnen und Gründer der Hochschulen konnten fragen, was sie interessiert und aus den Erfahrungen der Interviewgäste lernen.

1. Frage: Wir starten mit der typischen Frage aus der Gründerszene. Zerrin, wer bist du und was machst du?

Börcek: Ich bin Zerrin Börcek, komme aus Düsseldorf und bin leidenschaftliche Gründerin, CEO und Geschäftsführerin von fe:male Innovation Hub und Teresa.AI.

2. Frage: Als Absolventin der RWTH Aachen in einem technischen Bereich kennst du aus eigener Erfahrung ein Studium unter Männern. Hattest du das Gefühl, dich als Frau besonders beweisen zu müssen?

Börcek: Während des Studiums hatte ich nicht das Gefühl, dass ich mich beweisen musste, weil ich sehr gut angekommen war in meinem Studium und die Liebe zur Technik einfach so groß war, dass ich ein Teil der Community und Kommilitonen war.

3. Frage: Wie hat sich die Rolle der Frau im Berufsleben in den vergangenen Jahren verändert?

Börcek: Zum Positiven! Denn Frauen sind gut im Berufsleben angekommen und finden relativ schnell ihre Position. Wobei das Problem der „gläsernen Decke“ immer noch vorhanden ist. Was Frauen besser können, ist, dass sie besser untereinander netzwerken und dass sie unterstützt werden, dass sie Mentorinnen finden, um sich dann nach vorne zu bewegen und den nächsten Karriereschritt zu wagen.

4. Frage: Was hat dich dazu bewogen, selbst ein Unternehmen zu gründen und dich als Business Coach für Frauen zu spezialisieren?

Börcek: Ich habe verschiedene Erfahrungen in der Männerdomäne gemacht. Ich habe im Elektronik-Bereich und im Maschinenbau gearbeitet und wurde durch meine beiden Chefs als Mentor begleitet und relativ schnell auch in eine Führungsposition gebracht wurde. Bei anderen habe ich das aber auch anders beobachtet und gesehen: Hier passiert etwas, was nicht richtiggestellt ist. Das System ist nicht so entwickelt, dass Frauen dort ihre Position finden können und sich nach vorne bewegen können. Auf der einen Seite habe ich Frauen erlebt, die männliche Rollen übernommen haben, auf der anderen Seite habe ich Frauen erlebt, die hoch kompetent waren und sich zu klein gemacht haben. Das hat mich sehr gestört und ich habe überlegt: Was kann man denn dagegen tun oder dafür tun, dass Frauen besser ankommen? Dann habe ich zwei Coaching-Ausbildungen gemacht, um Fragen stellen zu können und Techniken und Methoden zu erlernen. Der Vorteil war, dass ich mich dadurch selber kennengelernt habe und dann anderen Frauen das Selbstbewusstsein geschenkt habe.

5. Frage: Als Gründerin des fe:male Innovation Hub unterstützt du Frauen bei der Startup-Gründung. Welche besonderen Herausforderungen kommen auf Gründerinnen und weibliche Führungskräfte zu?

Börcek: Das Thema Finanzen rückt immer mehr in den Vordergrund. Es ist wichtig, dass bei Gründungen die Idee richtig initiiert wird, sie sich entfalten kann und durch das Netzwerk, Partnerschaften oder Kunden wächst. Auf der anderen Seite liegt die Herausforderung im Bereich der Finanzen, wo auch sehr viel passiert und worüber ich sehr glücklich bin. Was mir aber ein wenig fehlt, ist, dass Frauen sich weniger mit Finanzen beschäftigen. Und das ist genau der Punkt, wenn Selbstständigkeit ansteht oder Gründung, dass Frauen sich auf alle Fälle mit Zahlen, Daten und Fakten auskennen müssen. Denn es ist nicht nur die Vision, sondern es sind auch manchmal die Steps und die harten Fakten, die da auch auf den Tisch müssen. Und dann muss auch der Finanzplan stimmen, zumindest der Weg muss klar sein, um erfolgreich werden zu können.

6. Frage: Mit deiner Gründung von Teresa.AI hast du eine weitere Zielgruppe, also Senioren, ins Blickfeld gerückt. Glaubst du, dass auf diesem Gebiet durch neue Ideen und Gründungen Vorteile und Verbesserungen geschaffen werden können?

Börcek: Ja, unbedingt. Ich erlebe dadurch, dass ich mich zurzeit immer mehr vertiefe im Bereich AgeTech und SeniorTech, dass ältere Menschen mehr Zugang zur Digitalisierung haben möchten. Allerdings haben sie das Problem oder diesen festen Glaubenssatz in sich, dass sie etwas kaputt machen könnten. Wenn wir es schaffen, das raus zu aus ihnen heraus rauszubekommen, glaube ich, dass das auch eine große Hilfestellung werden kann. Wobei ich auch beobachte, dass es schon große Hilfestellungen gibt im Bereich Pflege und Dokumentation, aber auch allgemeine digitale Alltags-Helfer. Ob es Senioren-Handys sind oder Senioren-Tablets, wo Informationen auf einfache Art und Weise seniorenfreundlicher und intuitiver darstellt werden, sodass Senioren den Zugang schneller bekommen und das auch in ihr Alltag integrieren. Gleichzeitig ist es auch gut für die Angehörigen oder Pflegeheime, dass sie dadurch diese Unterstützung bekommen.

7. Frage: Würdest du gründungsinteressierten Frauen andere Ratschläge geben als Männern und wenn ja, welche?

Börcek: Ja, dass sie mutig sein dürfen und müssen und den Schritt wagen, in die Gründung zu gehen. Manchmal auch Dinge nicht perfekt zu machen, sondern wie es auch im Berufsleben ist, 80:20. Da bekommt man die besten Ergebnisse. Das habe ich auch im Berufsleben so erfahren, so kann man auch eine Idee oder ein Geschäftsbereich besser entwickeln. Nicht perfektionistisch sein, also einfach mal machen und gestalten und initiieren, um dann neue Ideen zu haben, wie es weitergehen kann.

8. Frage: Mit Women Entrepreneurs in Science (WES) startet ein Projekt mit dem Ziel, ein Netzwerk für gründungsinteressierte Frauen der NRW Hochschulen aufzubauen. Welche Rolle könnte »Fit for Invest« dabei spielen?

Börcek: Finanzen schreiben wir ganz groß. Das ist der nächste Step. Ich versuche das auch im Team immer mehr zu integrieren, dass wir auch über Finanzthemen sprechen und dass ein Bewusstsein dafür geschaffen werden muss. Viele Gründerinnen wissen zwar, dass sie sich auch im Bereich Finanzen stärken müssen. Aber es braucht Formate und Knowhow, das von der richtigen Stelle vermittelt wird, vielleicht einer Wissenschaftlerin oder einer Studentin. Ich glaube, da könnte Fit for Invest eine wichtige und richtige Rolle spielen.

9. Frage: Wie können wir mehr Frauen für Gründungen begeistern?

Börcek: Indem wir ihnen mehr Anlaufstellen bieten und sie nicht festbinden, wenn wir gerade mal eine Gründerin entdeckt haben. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig. Zu sagen: Ich reiche dir die Hand und bringe dich bis zu der Stelle, wo mein Wissen auch reicht. Und dann gibt es die nächste Stelle, denn ich bin sehr begeistert über die Infrastruktur, über die wir vor allem in NRW verfügen, um erfolgreiche Gründungen zu initiieren. Und besonders im wissenschaftlichen und akademischen Umfeld passiert sehr viel und die Infrastruktur ist da, die Finanzierung ist gesichert und da müssen die Studentinnen nur noch auf die Wege gebracht werden.

10. Frage: Was würdest du dir in der heutigen Gründerszene wünschen?

Börcek: Ich wünsche mir die Stärkung der Community, die Energie-Bündelung und dass wir uns besser untereinander vernetzen und zunächst im Sinne der Gründungsinteressierten agieren und im nächsten Schritt dann schauen: Wo ist die nächste Stelle, zu der eine Gründerin gehen muss, um dann mit ihrer Idee, mit ihrem Startup weiter vorankommen zu kommen.

11. Frage: Warum unterstützt du »Fit for Invest« der Kölner Hochschulen?

Börcek: Weil ich das Thema Finanzen sehr wichtig finde. Ich habe mich sehr gefreut, als du mich gefragt hast, ob ich ein Teil von »Fit for Invest« werden möchte. Ich bin gerne ein Teil einer Community und einer Gemeinschaft, wenn es thematisch vor allem nicht nur mich interessiert, sondern auch meine Community, die dann auch davon profitieren kann.

September 2022

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