Urheberrecht 2.0
Alle Medienbranchen haben aufgrund der Digitalisierung mit der illegalen Vervielfältigung ihrer Produkte wie Filme, Musik oder Software zu kämpfen. Wege, die Urheberrechte zu schützen, sind am 18.11. Thema bei der Eröffnungsfeier des Masterstudiengangs Medienrecht und Medienwirtschaft. Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch von der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht moderiert die Veranstaltung.
Welchen Piraterie-Modelle machen den Medienbranchen aktuell zu schaffen?
Christian-Henner Hentsch: Die Digitalisierung hat neue Distributionswege und Einnahmemöglichkeiten eröffnet, aber auch ganz neue Herausforderungen mit Blick auf die Piraterie geschaffen. In den 2000er Jahren war es noch das Verbreiten einzelner Dateien über Datenträger bzw. Tauschbörsen wie Napster. Heute können Verbraucher über sogenannte Sharehoster-Webseiten terabyteweise Daten wie Spiele, Serien, Filme oder Musik herunterladen. Ein weiteres Thema ist das Umgehen des technischen Kopierschutz, etwa indem Videos auf Youtube über sogenannte Streamripper in mp3 umgewandelt und speicherbar gemacht werden. Das dritte Beispiel ist das „Keyselling“. Die Zugangsdaten bzw. Product Keys werden teils illegal auf großen Plattformen wie G2A oder MMOGA gehandelt, so dass mehrere Nutzerinnen und Nutzer das Werk nutzen können.
Was sind Ansätze der Unternehmen, um dagegen vorzugehen?
Hentsch: Wir erleben schon seit geraumer Zeit einen Paradigmenwechsel. Früher haben die Unternehmen auf die Verbraucher gezielt – etwa indem sie Konsumentinnen und Konsumenten illegaler Inhalte abmahnten. Heute versucht man die Plattformen anzugreifen, die mit fremden Inhalten illegal Geld verdienen. Es gibt erst seit kurzem eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesgerichtshofes, die es ermöglicht, solche Seiten sperren zu lassen. Im Februar 2018 hat erstmals ein Gericht entschieden, dass ein Netzbetreiber – in diesem Fall Vodafone – die Seite kinox.to für seine Kundinnen und Kunden sperren muss. Dafür wurde festgestellt, dass es sich bei der kinox um eine „strukturell rechtwidrige Seite“ handelt, also eine Homepage, deren hauptsächlicher Zweck es ist, Gesetze zu umgehen. Laut dem BGH muss dafür das Material, das über die Plattformen zugänglich gemacht wird, ganz überwiegend rechtswidrig sein. Beispielsweise können beim Cloud-Dienst Dropbox sowohl Urlaubsfotos als auch illegale Filme hochgeladen werden. Bei einer solchen Mischung darf nicht gesperrt werden.
Für wen ist kinox.to jetzt gesperrt?
Hentsch: In diesem ersten Fall nur für Menschen in Deutschland, die Internet über das Kabelnetz Vodafone beziehen. Mobilfunk-Kunden waren zunächst nicht betroffen. Um eine Seite zumindest in Deutschland komplett zu sperren müsste man alle Provider und all deren Dienste angehen, die ihre Dienstleistungen in Deutschland anbieten. Eine pauschale Sperre ist nicht zulässig.
Was ist die Strategie hinter diesen Klagen?
Hentsch: Die Unternehmen verfolgen einen „Follow-the-money“-Ansatz. Das Ziel ist es, die Kosten für das Betreiben solcher Seite zu erhöhen und gleichzeitig die Werbeeinnahmen so zu verringern, dass es sich nicht mehr lohnt, die Webseite weiter im Netz zu betreiben und zu aktualisieren. Die Betreiber der Plattformen haben viel Geld in die Serverinfrastruktur und das Programmieren der Seiten investiert, um sich am Werbemarkt oder durch besondere Dienstleistungen zu refinanzieren. Außerdem müssen die Uploader, die die Inhalte auf der Seite bereitstellen, bezahlt werden. Wenn weniger Menschen auf die Seiten zugreifen können, gehen die Klickzahlen runter und Werbeanzeigen bringen weniger ein. So ein Urteil hat aber eventuell auch eine abschreckende Wirkung. Jüngst wurde beispielsweise auch strafrechtlich gegen die Seite share-online.biz vorgegangen.
Wird die aktuelle Gesetzeslage der technischen Entwicklung gerecht?
Hentsch: Es gibt Verbesserungsbedarf. Nehmen Sie das Beispiel der Seitensperren. Es gibt eine Rechtsprechung, die diese grundsätzlich erlaubt. Aber die Unternehmen müssen all diese Sperranordnungen einzeln gerichtlich durchsetzen. Das dauert ausgesprochen lang und bedeutet hohe Gerichts- und Anwaltskosten. Hilfreich wäre ein gewisser Automatismus. Eine neutrale Stelle könnte feststellen, ob bestimmte Seiten strukturell rechtwidrig sind und die Netzbetreiber könnten im Rahmen einer Selbstverpflichtung diese Inhalte dann ihren Kundinnen und Kunden nicht mehr anzeigen. Solche Absprachen im Moment möglicherweise durch das Kartellrecht verboten. Deshalb wären Nachbesserungen in der nächsten GWB-Gesetzesnovelle wünschenswert, solange es um strukturell rechtwidrige Inhalte geht.
Die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht feiert die diesjährige Eröffnung des Masterstudiengangs Medienrecht und Medienwirtschaft mit einer Veranstaltung unter dem Titel "Urheberrecht 2.0 – Neue Wege der Rechtsdurchsetzung in den Medienbranchen". Das Grußwort an die Studierenden spricht Dr. Heribert Hirte, Mitglied des Bundestages, stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses und Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Im Anschluss an die fachliche Diskussion verleiht der Beirat der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht seinen jährlichen Preis für hervorragende Studienleistungen. |
November 2019