Nachhaltige Entwicklung in Lehre und Forschung

Wildbluemenwiese und Bienenhotel am Campus Gummersbach (Bild: TH Köln)

Ökologische Projekte und Perspektiven am Campus Gummersbach der TH Köln und auf dem Standort :metabolon in Lindlar

8.10.2020 - Der deutsche „Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)“ hat auch in diesem Jahr zu Aktionen in den „Wochen der Nachhaltigkeit“ (18.09. – 08.10.2020) aufgerufen. Der RNE wurde von der Bundesregierung einberufen und ist seit 2001 aktiv. Seine Forderung: „Bildung und Forschung müssen zentrale Aufgaben zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele übernehmen.“ Wir haben Professoren am Campus Gummersbach gefragt, wie sich die Hochschule für nachhaltige Entwicklung einsetzt.

Nachhaltigkeit in Lehre, Forschung und Infrastruktur

Herr Prof. Kohls, seit dem 1. September dieses Jahres sind Sie der Dekan des Campus Gummersbach der TH Köln und damit Leiter der größten Fakultät. Wie engagiert sich der Campus für die Umwelt?

Prof. Dr. Christian Kohls: In Lehre und Forschung haben wir hier eine Vielzahl von Projekten, die sich mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit beschäftigen. Da gibt es zum Beispiel OWOS, das Professor Bartz-Beielstein betreut, dabei geht es um die Untersuchung der Gewässerqualität zusammen mit Schülergruppen, oder das preisgekrönte Projekt des Kollegen Tichelmann zur „Optimalen Verteilung von Müll auf Förderbändern in Recyclinganlagen“. Und natürlich die Forschung zur zirkulären Wertschöpfung auf dem Lehr- und Forschungsstandort :metabolon in Lindlar. Seit 2006 läuft am Campus  in jedem Jahr die Umweltringvorlesung, im Sommersemester waren es rund 50 Studierende und 90 externe Teilnehmer.

In der Infrastruktur haben wir eine Holzhackschnitzelheizung, das war in unserem Neubau ein Riesenfortschritt gegenüber der Elektroheizung am alten Standort. Derzeit wird die Beleuchtung in unseren Gebäuden auf LED umgerüstet, damit sparen wir Strom und Leuchtmittel. Vor dem Hörsaalgebäude hat die TH eine Wildblumenwiese angepflanzt, mit einem sogenannten Insektenhotel für Wildbienen. Als Hochschulauto haben wir einen Elektro-Kastenwagen im Einsatz, mit sieben Sitzen ist das eine Art Kleinbus, den wir auch für Fahrten zum Standort :metabolon in Lindlar einsetzen. Gesponsert übrigens vom regionalen Energieversorger, das ist wieder mal ein gutes Beispiel für unsere engen Kontakte zu den Unternehmen.

Wie könnten die Mitglieder des Campus Gummersbach noch mehr zu einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft beitragen?

Ich plane, in den nächsten Monaten mit meinen Kolleginnen und Kollegen Einzelgespräche zu führen. Dabei werde ich dafür werben, dass sie in den Abschlussarbeiten auch eine Ökobilanz eines neuen Produkts oder Verfahrens fordern, nicht nur eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Wir müssen unsere Absolventinnen und Absolventen für die Umweltaspekte ihres Handelns im Unternehmen sensibilisieren. Aber unsere Lehrenden müssen auch Vorbild sein bei der Stromnutzung. Wir verbrauchen am Campus so viel Strom wie ein mittleres Unternehmen , ich bin sicher, dass man auch durch das individuelle Verhalten hier einiges einsparen kann. Zum Beispiel, indem man den PC einfach mal ausschaltet, statt ihn Stand-by laufen zu lassen. Ähnliches gilt für Heizung und Kühlung.

Im Projekt „OpenWater–OpenSource“ (OWOS) bauten Schüler in der TH Messgeräte Im Projekt „OpenWater–OpenSource“ (OWOS) bauten Schüler in der TH Messgeräte (Bild: TH Köln)

Unser Ziel: die nachhaltige Kreislaufwirtschaft

Prof. Dr. Christian Malek ist Professor für Energie- und Ressourcenmanagement und Direktor des :metabolon-Instituts, mit Sitz im gleichnamigen Lehr- und Forschungszentrum :metabolon in Lindlar.
Herr Prof. Malek, wie würden Sie :metabolon kurz beschreiben?

Auf dem Gelände der Siedlungsabfalldeponie Leppe stehen zahlreiche Anlagen und Geräte, hier kann ein Projekt vom Labormaßstab über das Technikum bis hin zur industriellen Großanlage entwickelt und erprobt werden, damit hat der Standort eine Sonderstellung in Europa. Auf 50 Hektar arbeitet die Hochschule mit dem Bergischen Abfallwirtschaftsverband zusammen, der hier auch ein Entsorgungszentrum betreibt. Neben Kollegen der Gummersbacher Fakultät kooperieren hier auch Fachleute und Studierende von anderen Standorten der TH Köln interdisziplinär miteinander. Unser Thema ist die „nachhaltige Kreislaufwirtschaft“ mit dem Schwerpunkt „optimale Verwertung von Rest- und Abfallstoffen“.

Haben Sie ein aktuelles Beispiel für ein Kooperationsprojekt mit der Industrie?

Ja, in Engelskirchen erstellen wir ein Konzept für eine Quartiersentwicklung zusammen mit der Gemeinde Engelskirchen, der Firma Dörrenberg und der Aggerenergie. Im Rahmen dieses Konzeptes soll die Abwärme aus den Wärmebehandlungs- und Schmelzöfen des Stahlproduzenten Dörrenberg genutzt werden. Mit der Abwärme könnte  das zukünftige Bürgerzentrum „Alte Bücherfabrik“ und  das neue Wohngebiet „Buschhausen“ beheizt werden. Regenerative Energiequellen wie Photovoltaik, Solarthermie und ein Biomassekessel werden das Energieversorgungskonzept ergänzen. Vorgeschaltet sind eine umfassende Bilanzierung des Energieverbrauchs und die Untersuchung von Einsparpotenzialen in der Produktion von Dörrenberg sowie eine Bedarfsanalyse für das Bürgerzentrum und das neue Wohngebiet. Das Projekt läuft schon seit zwei Jahren mit Lehrenden und Studierenden im Schwerpunkt „Energie- & Ressourcenmanagement“ des Masterstudienganges „Wirtschaftsingenieurwesen“.

Ist der Studienschwerpunkt „Energie- & Ressourcenmanagement“ die einzige Möglichkeit, wenn man sich als Student mit diesen Themen beschäftigen möchte?

Nein, der Themenkomplex „Nachhaltiges Wirtschaften und zirkuläre Kreislaufwirtschaft” wird auch im Bachelorstudiengang Elektrotechnik und in den Masterstudiengängen „Automation & IT“ vermittelt. Ab Wintersemester 2021 ist außerdem die Vertiefungsrichtung „Umwelttechnik“ für die Bachelorstudiengänge Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau geplant. Darüber hinaus bieten wir Studierenden der TH Köln aller Fakultäten und auch anderen Hochschulen jederzeit die Möglichkeit, an unserem Forschungsstandort Projekt-, Bachelor- oder Masterarbeiten anzufertigen.

Der Lehr- und Forschungsstandort :metabolon aus der Vogelperspektive Der Lehr- und Forschungsstandort :metabolon aus der Vogelperspektive (Bild: BAV)

Wie im Schnellkopftopf:  Aus Pflanzenresten entsteht Bio-Kohle

Prof. Dr. Christian Wolf ist seit 2018 Professor für Automatisierungstechnik mit einem Schwerpunkt auf der Optimierung von erneuerbaren Energiesystemen.

Herr Prof. Wolf, seit vielen Jahren beschäftigen Sie sich vor allem mit Biogas-Anlagen, aber auch mit der sogenannten „hydrothermalen Carbonisierung“. Worum geht es bei diesen Forschungs- und Entwicklungsprojekten? 

Die Biogasproduktion ist abhängig von der Zusammensetzung des Bioabfalls. Diese bestimmen wir mit intelligenten Bildanalyseverfahren. So können wir den Energiegehalt bestimmen und den Prozess optimal steuern.
Die „hydrothermale Carbonisierung“ ist ein besonders interessantes Projekt. Bei 20 bar Druck und 180 - 240 Grad Hitze entsteht aus Bio-Abfall, Gärresten und Klärschlamm Kohle, ein Prozess wie in einem Schnellkochtopf. Dadurch erhalten wir nicht nur die Kohle als Energieträger, sondern können auch Nährstoffkomponenten wie Stickstoff, Phosphor und Kalium gewinnen.

Eine besondere Form von Biogas ist das Deponiegas, das auf :metabolon gesammelt und und zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt wird. Dabei müssen wir natürlich das Gas vor der Verbrennung reinigen, damit keine Giftstoffe die Gasmotoren beschädigen. Auf metabolon entstehen immerhin 10.500 Kubikmeter Gas pro Tag, das verarbeitet werden muss. Die rund 8000 Deponien in Deutschland gehören zu den größten Produzenten von Treibhausgasemissionen. Das ist vielen nicht bekannt.

Auch das Deponie-Sickerwasser muss sorgfältig aufgefangen und geklärt werden, die 9 Mio. Kubikmeter Müll der Deponie erzeugen rund 200.000 Kubikmeter belastetes Sickerwasser. Prof. Dr. Astrid Rehorek führt in diesem Bereich zahlreiche Projekte zur Optimierung der Prozesse durch. Dabei werden unter anderem Algen zur Vorreinigung eingesetzt , beteiligt sind Studierende und Doktoranden und natürlich unser  Partner, der Bergische Abfallwirtschaftsverband.

Diese und viele weitere Themen behandeln wir am 13. Oktober auf einem hochschulweiten Symposium auf dem Standort :metabolon. Wir möchten mit dieser Veranstaltung die Aktivitäten im Bereich „zirkuläre Wertschöpfung“ bündeln. Ich freue mich sehr, dass bei dieser Veranstaltung alle 12  Fakultäten der TH Köln vertreten sein werden.

Interviews: Manfred Stern

Oktober 2020

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