Herausforderungen und Trends in der Mathematiklehre

Person hinter Glasscheibe, auf der mathematische Formeln stehen (Bild: Angelov/AdobeStock.com)

Prof. Dr. Angela Schmitz vom Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik und Prof. Dr. Beate Rhein vom Institut für Nachrichtentechnik lehren Mathematik in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen. Im Interview sprechen sie über die Entwicklung der Ingenieurmathematik.

Wie steht es um das mathematische Wissen von Studienanfänger*innen?

Rhein: Das mathematische Vorwissen ist schon seit vielen Jahren gering. Es ist auch keine Trendumkehr erkennbar. Wir können noch nicht absehen, ob das niedrige Niveau durch den Onlineunterricht an den Schulen während der Pandemie noch weiter heruntergehen wird.

Schmitz: Die größten Schwierigkeiten liegen im Stoff der Mittelstufe, unter anderem bei Termumformungen und Gleichungslösen. Bei uns studieren Abiturient*innen, die Mathe-Leistungskurs hatten, und Studierende mit Fachabitur oder einem berufsbildenden Abschluss. Das mathematische Vorwissen unterscheidet sich also auch.

Welche Herausforderungen bestehen in der Mathematiklehre und wie bewältigen Sie diese?

Rhein: Unsere Studierenden haben sehr unterschiedliche Lebensentwürfe. Nicht alle haben den Rücken frei, um jede Vorlesung und Übung zu besuchen. Viele müssen in Teilzeit arbeiten oder anderen Verpflichtungen nachgehen. Diese Studierende brauchen entsprechende Angebote. Hier passt der Flipped Classroom. Dabei wird Material und Fragen zum Vorbereiten für zu Hause im Lernmanagementsystem hochgeladen. Meistens ist es so aufgebaut, dass man Lehrvideos dreht. In der Hochschule bearbeitet man zusammen Aufgaben, die dieses Wissen voraussetzen.

Schmitz: Ich sehe eine Herausforderung darin, die Schönheit der Mathematik rüberzubringen und gleichzeitig den Bezug zum jeweiligen Ingenieurs-Studiengang herzustellen. Die Studierenden sollen einen Sinn darin sehen, warum sie Mathematik lernen. Um dies umzusetzen, müssen die Inhalte veranschaulicht werden. Auch die Interaktion in Großvorlesungen im Audimax mit bis zu 350 Studierenden ist nicht immer leicht. Ich verwende ein Wurfmikrofon, damit die Studierenden sich auch in der Vorlesung beteiligen können. Während der Onlinelehre habe ich in die Vorlesung Quizze eingebaut und viel mit Fragen über den Chat oder über Tools wie „Frag jetzt“ gearbeitet. Ich möchte eine Kultur des Fragens etablieren.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Mathematiklehre?

Schmitz: Die Animation und Visualisierung von Themen wurde durch die Digitalisierung erleichtert. Auch die Erforschung der Lehre fällt durch digitale Hilfsmittel leichter. Sie sind nützlich, um beispielsweise herauszufinden, wie unterschiedliche Lehrmethoden ankommen.

Rhein: Die Digitalisierung hat viele zusätzliche Angebote erschaffen. Zum Beispiel gibt es YouTube-Playlists zu den Grundlagen der Mathematik sowie Tools und Apps, die die Studierenden beim Rechnen unterstützen, beispielsweise GeoGebra oder Wolfram Alpha. Es mangelt also nicht an Unterstützungsangeboten. Ich sehe eine Lücke darin, dass die Studierenden vor lauter Angeboten gar nicht mehr wissen, was sie in Anspruch nehmen sollen. Wir müssen die Studierenden gezielter unterstützen, damit sie von den frei verfügbaren Lernmitteln nur die benutzen, die auch qualitativ gut sind.

Arbeiten Sie an digitalen Lernangeboten?

Schmitz: StudiVEMINT ist ein Beispiel für frei verfügbares Lernmaterial, zu dem wir gemeinsam mit der Universität Paderborn Videos erstellt haben. Wir erklären Schulmathematik für alle, die ihre Kenntnisse für ihr Studium auffrischen und vertiefen wollen. Die Videos gibt es auch auf YouTube. Sie wurden nach aktuellen didaktischen Standards entwickelt und sind fachlich absolut sauber. Methodisch wurde mit vielen visualisierenden Elementen gearbeitet.

Rhein: Wir beide entwickeln gerade zusammen mit Prof. Dr. Heiko Knospe ein Serious Game. In dem Spiel soll man ein Raumschiff steuern und lernt dabei etwas zur Matrizenrechnung. Die Umsetzung erfolgt mit zwei Studierenden vom Cologne Game Lab. Darüber hinaus arbeitet Prof. Knospe aktuell an einer gamifizierten App zur Grundlagenmathematik.

Gibt es neue Entwicklungen in der Ingenieursmathematik?

Schmitz: Den Umgang mit Daten würde ich als neuere Entwicklung bezeichnen. Das spiegelt sich in unterschiedlichen Fächern wieder, die zum Teil von der Mathematik getrieben werden oder in denen man viel Mathematik braucht. Bei uns an der Fakultät haben wir im Maschinenbau-Studiengang das Fach Data Science relativ neu reingenommen.

Rhein: Man muss mehr Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung vermitteln, weil das bei Data Science und beim Maschinellen Lernen eine große Rolle spielt. Dieser Entwicklung haben wir beide auch schon mit Angeboten für den KI-Campus Rechnung getragen. Wir haben freizugängliche Angebote geschaffen, die einen theoretischen und praktischen Einblick in die unterschiedlichen Methoden des Data Minings geben.

Dezember 2022

M
M