Ein Jahr Urheberrechtsreform

Vor einem Jahr wurde das Urheberrecht reformiert. Bei der Eröffnungsveranstaltung des Masterstudiengangs Medienrecht und Medienwirtschaft am 12. September 2022 diskutiert die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht gemeinsam mit Akteurinnen und Akteuren aus der Branche über die Veränderungen.

Prof. Dr. Rolf Schwartmann und Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch vom Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften geben im Interview vorab einen Einblick.

Welche Funktion hat das Urheberrecht?

Schwartmann: Das Urheberrecht ist dafür da, dass ein gerechter Ausgleich geschaffen wird zwischen den Interessen der Rechteinhaberinnen und -inhaber geistigen Eigentums sowie den Nutzerinnen und Nutzern, die diese Inhalte verwenden möchten. Es soll somit eine faire Beteiligung der Urheberinnen und Urheber an der Verwertung von Inhalten im Internet ermöglichen. Die Social-Media-Plattformen spielen dabei eine besondere Rolle. Wenn jemand dort den Mittschnitt eines Gesprächs, eines Fußballspiels oder eines Liedes hochladen möchte, stellen sich spannende Fragen: Was darf man im Netz zitieren? Welche Rechte haben Urheberinnen und Urheber und wie sind diese von den Rechten der YouTuberinnen und YouTuber oder Influencerinnen und Influencer abzugrenzen? Was müssen sie bezahlen? Wie viel dürfen Privatpersonen nutzen?

Hentsch: Manche sagen auch, das Urheberrecht ist die Wirtschaftsordnung des Internets.

Foto von Prof. Dr. Rolf Schwartmann Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Bild: privat)

Warum wurde das Urheberrecht reformiert?

Schwartmann: Man wollte eine Harmonisierung für die Dinge schaffen, die auf Plattformen im Internet passieren. Ein Beispiel ist der Upload von Videos. Harmonisierung meint, dass die gleichen rechtlichen Maßstäbe in allen europäischen Mitgliedstaaten gelten. Das ist wichtig für einen funktionierenden digitalen Binnenmarkt, wie es die EU sein will. Beim Urheberrecht hat das jedoch nicht geklappt, sondern man hat das Urheberrecht als wenig harmonisierungsfähig angesehen. Das führte dazu, dass lediglich die Eckpunkte vorgegeben und die Details den nationalen Gesetzgebern überlassen wurden.

Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch (Bild: privat)

Welche Änderung gab es in Deutschland?

Hentsch: Am 1. August 2021 ist das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz, kurz UrhDaG, in Kraft getreten. Es ging um die Frage: Müssen Plattformen für die Inhalte auf ihren Seiten haften? Inwieweit müssen sie Uploadfilter einsetzen, um sich von der Haftung zu befreien? Dabei war ein zentraler Punkt, dass man die Verantwortung für Verstöße bei der Verbreitung von Inhalten von den privaten Nutzerinnen und Nutzern nahm und diese auf die Social-Media-Plattformen übertragen hat. Diese sind nun dazu verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben. Konsumentinnen und Konsumenten sind auf Social Media nun entlastet. Das ist ein riesiger Meilenstein, wenn man daran denkt, wie viele Sorgen vor Abmahnungen es gab. Beispiel für die neue Regelung: Wenn ich mein Katzenvideo mit Musik von Rihanna hinterlege, dann hat die Plattform die Rechte des Musiklabels eingeholt, damit ich das Lied in meinem Post nutzen kann. Es gibt aber Fälle, da können die Plattformen die Rechte nicht einholen. Für die Verwendung gibt es dann neue Ausnahmen, beispielsweise für sehr kurze Sequenzen oder Memes, die aufgrund ihrer Kreativität privilegiert werden sollen.

Schwartmann: Das ist ein sozialer Ansatz des Urheberrechts, im Prinzip ein Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Diese Lizenzen gelten jedoch nicht für Influencerinnen und Influencer oder YouTuberinnen und YouTuber, die mit Content Geld verdienen. Von denen verlangt man, dass sie sich informieren und rechtskonform verhalten.

Und was passiert mit Inhalten, für die keine Rechte vorliegen?

Hentsch: Beispielsweise kann die Deutsche Fußball-Liga als Rechteinhaberin verlangen, dass Mitschnitte von aktuellen Bundesligaspielen nicht im Internet zu finden sind. Die Plattformen müssen dies in ihren Algorithmen hinterlegen.

Nutzerinnen und Nutzer bekommen bei einem Upload die Nachricht: Achtung, das Hochladen des Fußballspiels ist nicht zulässig. Das ist dann sozusagen ein vorgelagerter Uploadfilter. Es ist jedoch nur eine Warnung. Der Nutzer kann sagen, das fällt unter die Ausnahme, weil es nur wenige Sekunden sind, oder ihm die Rechte vorliegen. Der Upload ist also erst mal möglich. Wenn nachträglich nachgewiesen wird, dass es sich um eine illegale Kopie eines Fußballspiels handelt, wird das Video gelöscht. Damit will man das sogenannte Over-Blocking verhindern. Das funktioniert bisher gut. Ein solches Stufenmodell haben Prof. Schwartmann und ich im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen.

September 2022

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