Vom MultiMediaLabor bis ChatGPT: 20 Jahre Online-Redaktion
Texte, Videos und Audios erstellen, Websites konzipieren und medienrechtliche Fragen klären: Der Bachelorstudiengang Online-Redaktion ist in diesem Semester 20 Jahre alt geworden. Das Team des Studiengangs hat diesen runden Geburtstag am 22. April mit einer Tagung für 200 Absolvent*innen und Studierende gefeiert.
Prof. Dr. Petra Werner und Prof. Dr. Konrad Scherfer vom Institut für Informationswissenschaft sprechen im Interview über die Anfänge, über Veränderungen – und über die Geburtstagsfeier.
Prof. Werner, Prof. Scherfer, wie haben Sie den 20. Geburtstag des Studiengangs erlebt?
Scherfer: Mit einem Team aus dem 7. Semester haben wir die Tagung im April seit Oktober vorbereitet. Nach einer Begrüßung durch den Präsidenten Prof. Dr. Stefan Herzig standen insgesamt acht Vorträge und Workshops sowie vier Talkrunden zu Themen von TikTok-Formaten bis SEO, also Suchmaschinenoptimierung, auf der Agenda – das ganze Programm wurde bespielt von Absolvent*innen und Lehrenden des Studiengangs.
Werner: Besonders gefreut haben wir uns über die große Resonanz: Rund 200 Absolvent*innen und Studierende sind – teils zum ersten Mal seit 17 Jahren – an die TH gekommen, um mit uns zu feiern und zu networken. Dafür hat das Vorbereitungsteam eigens ein themenbezogenes Speed-Dating-Format entwickelt.
Sie sind 2003 zum Beginn des Studiengangs an die TH Köln gekommen. Wie war der Start?
Scherfer: Der Studiengang war ein Novum in der deutschen Hochschullandschaft. Prof. Dr. Helmut Volpers, der seinerzeit das Curriculum und das Modulhandbuch verantwortet hat, hatte später eine der deutschlandweit ersten Professuren für Webwissenschaft inne. Wir sind mit 30 Studierenden in das erste Semester gestartet. Unser Web-Labor war ein Raum mit lediglich einem Schrank, in dem sich 15 Laptops befanden. Die Aufbruchsstimmung der ersten Jahre haben wir dann genutzt, um in den Studiengang kräftig zu investieren, unter anderem in ein Usability-Labor und in ein MultiMediaLabor, wie es damals hieß.
Werner: Ziel des Studiengangs war es von Beginn an, eine kommunikations-, medien- und webwissenschaftliche Grundlagen zu vermitteln und anwendungsorientiert zu arbeiten. In der Anfangszeit war das ein spannender Findungsprozess, weil es im Internet vor 20 Jahren noch nichts gab, an dem man sich orientieren konnte. Im Printbereich gab es die großen Zeitungen und Verlage mit zahlreichen Best Practice-Beispielen zu Textproduktion, Layout oder Bildsprache. Im Internet gab es gute Inhalte, aber dafür häufig ausbaufähiges Design – oder andersherum. Hier haben schlichtweg die Prozesse an den Schnittstellen zwischen Produktion, Technik und Gestaltung gefehlt. An dieser Stelle wollten wir mit dem Studiengang Online-Redaktion ansetzen.
Bildergalerie von der Tagung
Das Team des Studiengangs Online-Redaktion hat zum 20. Geburtstag des Studiengangs eine Tagung für 200 Absolvent*innen und Studierende organisiert. (Bild: Jessica Geib)
Prof. Dr. Konrad Scherfer und Prof. Dr. Petra Werner bei der Begrüßung der Tagungsgäste. (Bild: Jessica Geib)
Wie hat sich der Studiengang im Laufe der Zeit weiterentwickelt?
Werner: In den vergangenen 20 Jahren gab es sehr dynamische Veränderungen, die in erster Linie technologiegetrieben waren. Diese haben wir sukzessive in das Curriculum eingebunden. Da wäre die wachsende Bedeutung des Smartphones, von Social Media sowie von Audio- und Videoinhalten. So gab es im ersten Curriculum noch keine Inhalte zum Thema Multimedia – diese kamen erst später dazu. Darüber hinaus sind Content-Management-Systeme und bestimmte technische Standards bedeutender und komplexer geworden.
Scherfer: Solche technischen Entwicklungen haben zu einer stärkeren Popularisierung des Webs geführt. Davon profitieren nun auch angehende Online-Redakteur*innen: Ihre Rolle in Medienbetrieben, Verlagen, Wirtschaftsunternehmen, Kommunikationsagenturen, Behörden und Stiftungen – also in den Bereichen, in denen sich Tätigkeiten für unsere Absolvent*innen später anbieten – ist im Laufe der Jahre immer bedeutender geworden. Das spiegelt sich auch in den Studierendenzahlen wider: Mittlerweile bieten wir jährlich 60 Studienplätze an.
Was zeichnet den Studiengang aus?
Werner: Beim Studiengang Online-Redaktion geht es um Schnittstellenarbeit. Das heißt, unsere Studierenden lernen nicht nur, Themen journalistisch beziehungsweise für Unternehmensmedien aufzubereiten sowie zielgruppengerecht, rechtskonform und webspezifisch darzustellen. Sie lernen auch interdisziplinär zu denken und mit angrenzenden Fachbereichen wie Technik, Design und Marketing oder externen Dienstleistern zusammenzuarbeiten. Neben der Frage nach dem Wie, also nach der Umsetzung, geht es aber auch um das Warum. Also warum gibt es bestimmte Trends und warum werden Kommunikationsmaßnahmen auf diese oder jene Weise umgesetzt. Diese Verbindung von Praxis und theoretischer Fundierung macht den Studiengang aus.
Scherfer: Gute Beispiele für diese Verzahnung sind unsere zahlreichen Lehrbeauftragten aus der beruflichen Praxis, von denen einige auch Absolvent*innen des Studiengangs sind. Hinzu kommt die Einbindung von Praktika, Praxissemester und Praxisprojekten in das Curriculum. So gibt es im vierten Semester ein groß angelegtes Web-Projekt zu einem bestimmten Thema. Darin werden immer wieder sehr spannend aufbereitete Inhalte erstellt. 2019 haben Studierende zum Beispiel die Geschichte des Bolzplatzes „Kuhle“ nahe der Claudiusstraße auf Instagram multimedial erzählt.
Welche Inhalte werden in Zukunft wichtig sein?
Werner: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Medienproduktion wird uns in Zukunft sicher intensiver beschäftigen. Solche Tools können den Arbeitsalltag von Online-Redakteur*innen deutlich erleichtern, indem sie bestimmte Aufgaben übernehmen. Dadurch kann Zeit gespart und die gewonnenen Ressourcen können an anderer Stelle eingebracht werden.
Scherfer: Auch wenn es an verschiedenen Stellen viele Abwehrmechanismen gegen diese Technologie gibt, versuchen wir sehr neugierig damit umzugehen und sehen sie als Herausforderung. So nutzen wir KI-gesteuerte Anwendungen schon jetzt in einzelnen Lehrveranstaltungen für Recherchen. Diese Recherchen wiederum hinterfragen wir anschließend kritisch. So wollen wir die Studierenden zu einem reflektierten Umgang mit KI und Chatbots wie ChatGPT ermutigen.
Mai 2023