Zwei Jahre nach der Flut: Viele Kulturgüter müssen noch restauriert werden

Nach dem Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021 hat das Cologne Institute of Conservation Sciences (CICS) viele beschädigte Kulturgüter aus Museen und Archiven erhalten. Prof. Dr. Andrea Pataki-Hundt spricht über die Herausforderungen der Restaurierung sowie über die Gründungsurkunde des Heilbades Bad Neuenahr, die sie derzeit untersucht.

Prof. Pataki-Hundt, welche Art von Objekten haben Sie nach der Flut erhalten?

Schon kurz nach dem Hochwasser wurde uns ein Planschrank aus einem Außendepot des Ruhr Museums Essen gebracht. In dessen acht Schubladen befanden sich etwa 150 durchwässerte und verschlammte Akten, Fotokopien, Landkarten und alte Pläne. Aus dem Museum „Haus der Schützen“ aus Bad Neuenahr-Ahrweiler haben wir mehrere beschädigte Protokoll- und Kassenbücher erhalten, die zum Teil aus dem 19. Jahrhundert stammen. Zudem haben die Kolleg*innen aus dem Bereich „Gemälde, Skulptur, Moderne Kunst“ zahlreiche Bilder in ihre Obhut genommen, wo der Schlamm bereits eingetrocknet war. Im Rahmen eines Angebots für Bürger*innen in Bad Neuenahr-Ahrweiler begutachteten Prof. Dr. Friederike Waentig und Andreas Krupa darüber hinaus persönliche Gegenstände und berieten bei den nächsten Erhaltungsschritten.

Welche Methoden gibt es, um solche flutgeschädigten Gegenstände zu retten?

Schlamm dringt insbesondere bei Papier, Pergament oder Leder in alle Strukturen ein und wird sehr schnell fest wie Zement. Daher ist es enorm wichtig, die geschädigten Objekte nass zu halten. Die Archivalien aus dem Planschrank wurden uns sofort geliefert, daher war das hier grundsätzlich kein Problem und wir konnten diese nach und nach abwaschen. So konnten viele Dokumente gerettet werden. Als Sofortmaßnahme können bestimmte Gegenstände wie Papier auch eingefroren werden. So kann verhindert werden, dass Bakterien und Schimmelpilze es zersetzen. Mit Hilfe einer Vakuumgefriertrocknungsanlage kann das gefrorene Wasser durch Sublimation dann direkt in den gasförmigen Zustand überführt werden – so wird das Papier nicht durch das aufgetaute Wasser beschädigt. Das wurde bei den Protokoll- und Kassenbüchern gemacht. Bei Gemälden dagegen sind wieder andere Verfahren gefragt, da diese anders auf Feuchtigkeit reagieren. Hier mussten viele sofort behandelt werden, andere werden aktuell noch sehr aufwendig von den Kolleg*innen restauriert.

Als Expertin für Pergament beschäftigen Sie sich aktuell mit der Gründungsurkunde des Heilbades Bad Neuenahr. Welche Bedeutung hat diese und in welchem Zustand ist sie?

Bei dem historischen Dokument handelt es sich um die Urkunde der Quellenweihe von Neuenahr aus dem Jahr 1858. Sie hat aus Neuenahr das Heilbad Bad Neuenahr gemacht und wurde unter anderem von Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach unterschrieben, der späteren Königin von Preußen und deutschen Kaiserin. Sie befindet sich hinter Glas in einem repräsentativen Holzrahmen, in den ein Weiheglas eingelassen ist. Es handelt sich also um ein einzigartiges Objekt der Zeitgeschichte, mit hohem ideellen Wert für die Region. Während der Flut stand der untere Teil der Urkunde unter Wasser, wodurch das Pergament samt Kalkanstrich und Beschriftung an die Glasscheibe klebte. Dadurch sind einige Dokumententeile und Fasern in diesem Bereich beschädigt worden. Gemeinsam mit weiteren Pergament-Expert*innen aus ganz Deutschland habe ich im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz sowie der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler in Koblenz nun darüber gesprochen, wie das Dokument gerettet werden kann.

Wie gehen Sie nun vor?

Der Rahmen und das Weiheglas sind bereits von der Restauratorengemeinschaft Holly, Kruft, restauriert worden, daher steht nun die Urkunde selbst im Fokus. Hier muss zunächst der aktuelle Zustand genauer untersucht werden, um das Ausmaß der Schäden besser einschätzen zu können. Dazu entnehme ich einzelne Fasern aus dem gesunden sowie dem beschädigten Bereich des Pergaments. Diese werden dann in Wasser eingebettet, versiegelt und erhitzt, bis sie schrumpfen. Gesunde Fasern schrumpfen erst bei einer Temperatur um die 50 bis 60 Grad. Schrumpfen sie früher, ist das ein Anzeichen für eine Beschädigung. Dieser Analyseprozess wird einige Wochen in Anspruch nehmen. Erst wenn wir ein klares Bild vom Zustand der Urkunde erhalten haben, können weitere Schritte unternommen werden. Vielleicht genügt es, das Pergament zu glätten und zurück in den Rahmen zu geben. Vielleicht benötigt es einen Klimarahmen, der schwankende Temperaturen und die schwankende Luftfeuchtigkeit in normalen Räumen ausgleicht. Vielleicht muss es auch eingelagert werden, weil es sonst nicht erhalten werden kann. Zudem muss die Frage geklärt werden, welche Schäden man überhaupt beseitigen möchte. Soll der ursprüngliche Zustand komplett wiederhergestellt werden, oder sollen einige Schäden als Spur der Geschichte erhalten bleiben? Das ist ein schwieriges Spannungsfeld.

Wie könnte Kulturgütern nach einer solchen Katastrophe in Zukunft schneller geholfen werden?

Nach einer solchen Katastrophe stehen natürlich erst einmal die Menschen selbst im Fokus. Die Kulturgüter kommen dann meistens erst an späterer Stelle. Einiges kann man dann noch retten, allerdings ist das häufig sehr aufwendig. Mit einigen schnellen Maßnahmen wie Nasshalten oder Einfrieren kann bestimmten Objekten aber schon niederschwellig und zeitnah geholfen werden. Die falschen Sofortmaßnahmen können den Schaden dagegen noch vergrößern. Hier bedarf es viel Aufklärungsarbeit, insbesondere in kleineren Museen und Archiven. Sinnvoll ist auch die Einrichtung eines regionalen Notfallverbundes für Kulturgüter, wie er 2018 in Folge des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 gegründet wurde. Hier haben 23 Einrichtungen und Institutionen, darunter auch das CICS, eine Vereinbarung zur gegenseitigen Unterstützung in Notfällen unterschrieben. Das ermöglicht schnelle und adäquate Hilfe für Kulturgüter.

Juli 2023

Studiengänge an der TH Köln

Ein Beitrag von

Marcel Hönighausen

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit


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