Wie die Photovoltaik auf Kurs gebracht wird

Dächer mit Photovoltaikanlagen (Bild: Ingo Bartussek/AdobeStock)

In den letzten Monaten hat die Bundesregierung mehrere Gesetzesnovellen und neue Regelungen beschlossen, um die Ausbauziele für die Photovoltaik (PV) zu erreichen. Der jährliche Zubau soll bis 2026 auf 22 Gigawatt peak (GWp) steigen, im letzten Jahr lag dieser Wert bei 7,5 GWp. Im Interview ordnet Prof. Dr. Ulf Blieske, Direktor des Cologne Institute for Renewable Energy (CIRE), die Maßnahmen ein.

Prof. Blieske, was sind derzeit die größten Hemmnisse beim Ausbau der Photovoltaik für private Verbraucher*innen?

Ich würde hier von „waren“ sprechen, weil wesentliche Hürden durch mehrere Programme wie das sogenannte Oster- und das Sommerpaket im letzten Jahr abgebaut wurden. Im privaten Bereich haben komplizierte Steuerregeln viele Hauseigentümer *innen abgeschreckt. Durch die neuen Gesetze entfällt die Einkommensteuer für kleine und mittlere Anlagen bis 30 Kilowatt-Peak (kWp) Leistung und seit Jahresbeginn muss für die Lieferung sowie Installation einer neuen Solaranlage keine Umsatzsteuer mehr bezahlt werden. Nach der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhalten die Betreiber*innen neuer Anlagen mehr Geld – sowohl beim Modell Eigenverbrauch, bei dem der erzeugte Strom teilweise selbst verbraucht wird, als auch beim Modell Volleinspeiser, bei dem der erzeugte Solarstrom komplett in das Netz eingespeist wird. Zusammengefasst: Höhere Vergütungssätze und weniger Aufwand bei der Steuererklärung machen die Photovoltaik attraktiver. Dadurch werden die Ausbauziele der Bundesregierung voraussichtlich erreicht. Von Januar bis Juli 2023 wurden bereits 7,5 GWp installiert – so viel wie im gesamten Vorjahr.

Prof. Dr. Ulf Blieske Prof. Dr. Ulf Blieske ist Direktor des Cologne Institute for Renewable Energy. (Bild: TH Köln)

Welche Verbesserungen wurden im gewerblichen Bereich bei PV-Freiflächenanlagen umgesetzt?

Nach dem EEG 2023 erhalten Anlagen bis 1.000 Kilowatt-Peak installierter Leistung statt wie vorher bis 750 kWp eine feste Einspeisevergütung. Über 1.000 kWp und bis zu einer maximalen Größe von 20 Megawatt können Anlagenbetreiber*innen an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilnehmen. Dabei werden vorgegebene Zubaumengen in einem Bieterverfahren ausgeschrieben und Zuschläge erteilt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Direktvermarktung, die sich wegen des Aufwands aber erst bei größeren Anlagen lohnt. Direktvermarktung bedeutet, dass der erzeugte Strom an der Strombörse verkauft wird, was wegen der gestiegenen Strompreise attraktiv sein kann.

Ohne EEG-Förderung besteht zusätzlich zur Direktvermarktung die Möglichkeit, die produzierte Solarenergie über einen Direktliefervertrag, auch Power Purchase Agreement (PPA) genannt, zu vermarkten. Hierbei handelt es sich um einen Vertrag zwischen Stromproduzent*in und Stromabnehmer*in, zum Beispiel ein Energieversorger oder ein Industrieunternehmen. Im Wesentlichen werden dabei Menge, Preis und Vertragslaufzeit geregelt. Die Vergütung ist demnach Verhandlungssache und hängt stark von den Geschehnissen am Strommarkt ab. In der Summe ergeben sich mehr Erlösoptionen und höhere Vergütungssätze.

Die Bundesregierung hat jüngst das Solarpaket I verabschiedet. Wie bewerten Sie die Maßnahmen hinsichtlich der Erreichung der Klimaziele?

Das Solarpaket I setzt zentrale Aspekte der Photovoltaikstrategie um, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Mai vorgestellt hat. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Abbau bürokratischer Hürden: So entfällt etwa bei der Installation einer Steckersolar-Anlage – auch unter der Bezeichnung Balkonkraftwerk bekannt – die Anmeldung beim Netzbetreiber und ein alter, mechanischer Ferraris-Stromzähler kann vorübergehend weiter verwendet werden. Zudem soll die Direktvermarktung flexibler gestaltet und die die gemeinsame Nutzung von Solarstrom innerhalb eines Gebäudes erleichtert werden – ohne wie bisher die Pflichten eines Energieversorgers erfüllen zu müssen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Bereitstellung von Flächen, um diese doppelt zu nutzen – zum Beispiel für die landwirtschaftliche Produktion und gleichzeitig Stromerzeugung, dies bezeichnet man als Agri-PV. Daneben sollen mehr Flächen wie Bagger- und Tagebauseen, Moore oder Parkplatzdächer für Solarkraft zugänglich gemacht werden. Die entsprechenden Konzepte heißen Floating-PV, Moor-PV und Parkplatz-PV – letzteres ist für die Elektrifizierung der Mobilität wichtig.

Bei jedem Projekt gilt es, die geografischen Bedingungen in den jeweiligen Gebieten zu berücksichtigen. Während im dicht besiedelten NRW viele Haus- und Gewerbedächer noch ungenutzt sind, finden sich in den süd- und ostdeutschen Bundesländern viele Freiflächen für Solarparks. Genauso wichtig ist es, die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Energiewende hoch zu halten und die Teilhabe der Bürger*innen zu stärken. Hierzu forschen wir vom CIRE mit Kolleg*innen der Köln International School of Design (KISD) und dem Cologne Train Ing Center der TH Köln im Projekt „MEnergie - Meine Energiewende“, das vom BMWK gefördert wird.

Welche weiteren Schritte müssen im Bereich Photovoltaik unternommen werden? Und welchen Beitrag leistet die TH Köln?

Im Recycling von ausgedienten Solarmodulen müssen wir noch besser werden. Dazu arbeiten wir im Forschungsprojekt „Green Solar Modules“, das ebenfalls vom BMWK gefördert wird, mit Unternehmen aus der Solar-, Kunststoff- und Glasbranche zusammen. Des Weiteren ist es sinnvoll, die Produktionskapazitäten bei Zellen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern koordiniert aufzubauen und zu erweitern, um die Abhängigkeit von anderen Staaten, insbesondere von China, zu verringern. Dafür müssen die Firmen hierzulande die passenden Bedingungen vorfinden, unter anderem steuerliche Erleichterungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, wettbewerbsfähige Energiepreise für die Industrie sowie ausreichend qualifizierte Beschäftigte – von Ingenieur*innen über Techniker*innen bis hin zu Informatiker*innen. Mit aktuell rund 700 Studierenden allein in den Studiengängen der Erneuerbaren Energien sowie in angrenzenden Studiengängen wie Elektrotechnik, Renewable Energy Management und Technische Gebäudeausrüstung tragen wir dazu bei, die Fachkräfteengpässe in für die Energiewende relevanten Berufsfeldern zumindest zu dämpfen.

September 2023

Ein Beitrag von

Daniel Schäfer

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit


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