Tandem zum Quadrat

Wenn etwas „im Tandem“ ausgeführt wird, sind daran zwei Parteien beteiligt. Im Tandemprogramm der TH Köln sind es zum Beispiel die Hochschule und ein Unternehmen. Die Partnerschaft mit Kampf Schneid- und Wickeltechnik wird dem Begriff aber noch in anderer Hinsicht gerecht: Hier arbeiten seit Mitte 2022 nicht eine, sondern zwei Personen gleichzeitig in Wissenschaft und Wirtschaft.

Smartphone-Displays, Arzneiverpackungen, Lithium-Ionen-Batterien – für all das benötigt man Kunststofffolien. Sie zu verarbeiten ist komplex, denn dabei werden Materialbahnen von bis zu elf Metern Breite und 100 Kilometern Länge mit einer Geschwindigkeit von knapp 90 Stundenkilometern aufgerollt und geschnitten. Das bringt gleich mehrere Herausforderungen mit sich: An den Folien haftet Staub, der dort nicht hingehört; zwischen den Schichten darf sich nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Luft sammeln; die Folien werden zusehends breiter und dünner, und trotz des hohen Tempos der Rollen muss man die Kontrolle behalten. An Lösungsansätzen für diese Probleme arbeitet seit 2022 ein Doppeltandem von TH Köln und Kampf Schneid- und Wickeltechnik.

Passgenaue Lösungen

Die Hochschule und das Unternehmen sind bereits seit Jahren im Innovation Hub Bergisches Rheinland verbunden. Das Netzwerk zur Stärkung der regionalen Innovationsfähigkeit widmet sich allerdings hauptsächlich Themen, die für alle Mitglieder relevant sind; unternehmensbezogene Forschung ist tabu. Ganz anders sieht das im Tandemprogramm der TH Köln aus: Dabei beschäftigen die Hochschule und ein Partnerunternehmen anteilig eine Person, was eine intensivere Zusammenarbeit ermöglicht: „Kampf Schneid- und Wickeltechnik hat ein sehr spezielles Produktportfolio“, sagt Prof. Dr. Denis Anders vom Institut für Allgemeinen Maschinenbau an der TH Köln und Leiter des Tandemprogramms. „Das kann man natürlich viel besser mit dem Tandemprogramm bedienen, weil wir dann Forschungsthemen definieren, die sowohl für die Hochschule als auch für das Unternehmen relevant sind.“

Die Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft funktioniert beim Tandem mit Kampf Schneid- und Wickeltechnik gleich in doppelter Hinsicht: Statt einer teilen hier zwei Personen über fünf Jahre auf dem Weg zur Promotion ihre Arbeitszeit zwischen Hochschule und Unternehmen. Dabei bringen sie ganz unterschiedliche Erfahrungen ein. Sandra Wolfslast kommt aus dem akademischen Bereich hat durch ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bereits Erfahrungen in der Forschung sammeln können. „Ein eigenes Forschungsthema im Rahmen einer Promotion zu bearbeiten, erschien mir schon immer spannend“, sagt sie. „Gleichzeitig ist es mir aber auch wichtig, den Praxisbezug nicht zu verlieren.“ Nils Barthel hingegen ist fest im Unternehmen verwurzelt: „Ich bin schon seit zehn Jahren in der Firma und habe hier dual studiert. Eine Promotion fand ich sehr reizvoll, und da hat das Tandemprogramm genau gepasst.“

Arbeitsbereiche, die sich ergänzen

Dass zwei Kandidaten beteiligt sind, potenziert den Effekt des Tandemprogramms. „Ich sage immer, das ist das Tandem zum Quadrat“, so Denis Anders. Das bestätigt auch Nils Barthel: „Ich profitiere sehr davon, dass Sandra die Abläufe an der Hochschule so gut kennt.“ Sandra Wolfslast ergänzt: „Bei der Einarbeitung in der Firma war ich Nils‘ Schatten und habe Prozesse und Maschinen kennengelernt. Das war extrem hilfreich.“ Diese Wechselwirkung findet nicht nur zwischen den Arbeitswelten statt, sondern auch in den konkreten Aufgabenbereichen der beiden. „Sandra beschäftigt sich mit strömungsmechanischen Aspekten, also damit, wie und wie viel Luft bei der Verarbeitung der Folien zwischen die Materialschichten gerät“, erklärt Denis Anders, der die Kandidatin auf Hochschulseite betreut. Maik Krüger, Head of Business Development bei Kampf Schneid- und Wickeltechnik und einer der unternehmensseitigen Betreuer, ergänzt: „Nils kümmert sich um die Datenerhebung. Er arbeitet daran, wie man aus Daten, die gerade produziert werden, Rückschlüsse ziehen oder Vorhersagen treffen kann. Auf dieser Basis sollen unsere Maschinen optimiert und sicherer gemacht werden.“ Dabei fließen die erhobenen Daten in die Strömungssimulationen von Sandra Wolfslast ein, und deren Ergebnisse berücksichtigt Nils Barthel wiederum in seiner Parameterstudie. So greifen Theorie und Praxis, Datenerhebung und Umsetzung an der Maschine, perfekt ineinander. Die Aufgabenteilung schlägt sich auch in den jeweiligen Dissertationsthemen – und den Promotionsarten – nieder. Sandra Wolfslast plant, kooperativ an der Universität Siegen zu Grenzschichtphänomenen beim Schneiden und Wickeln zu promovieren, Nils Barthel am Promotionskolleg NRW zur datengetriebenen Prozessoptimierung.

Von einem Doppeltandem, das sich so gut ergänzt, können nur alle profitieren. „Unsere Benefits sind die Kontinuität im Beschäftigungsverhältnis, der Kontakt zur Industrie und vermehrte Publikationen“, zählt Denis Anders auf. Olaf Mersmann, Professor am Institut für Data Science, Engineering, and Analytics und Betreuer von Nils Barthel an der TH Köln, geht noch weiter: „Als Professor an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften bringe ich Industrieerfahrung mit. Die geht im Hochschulbetrieb aber sukzessive verloren. Durch den regelmäßigen Unternehmenskontakt im Tandem sehe ich jetzt direkt, welchen neuen Herausforderungen sich die Wirtschaft stellen muss. Und das beeinflusst natürlich auch meine Lehre und die Vorbereitung meiner Studierenden aufs Berufsleben.“ An Karrierelaufbahnen und Stellenbesetzung denken auch die Unternehmenspartner von Kampf Schneid- und Wickeltechnik. „Als mittelständisches Unternehmen hat man im Bergischen Land oft das Problem, dass man drei Täler weiter vielleicht gar nicht mehr gekannt wird. Das verstärkt den Fachkräftemangel“, sagt Maik Krüger. „Das Tandemprogramm verstärkt aber den Kontakt zur Hochschule. Dadurch kann man sicherlich Sichtbarkeit schaffen.“ Axel Höffer, Team Manager Development & Technology Center bei Kampf Schneid- und Wickeltechnik, pflichtet ihm bei: „Ohne das Tandemprogramm hätten wir Nils die Möglichkeit zur Promotion nicht bieten können und ihn vielleicht sogar als Mitarbeiter verloren. Es ist ein unschätzbarer Vorteil, dass man den Menschen die Möglichkeit gibt, sich in Wissenschaft und Wirtschaft auszutoben. Das Beste aus beiden Welten zu kombinieren und die unterschiedlichen Ansprüche in Einklang zu bringen, hat einen unheimlichen Mehrwert für alle Beteiligten.“

Über das Personalgewinnungskonzept „PLan_CV“

Das Tandemprogramm ist ein Baustein des Projekts PLan_CV („Professur-Laufbahn an Hochschulen für angewandte Wissenschaften neu denken: Collaboration und Vernetzung“). Es soll exzellentes Personal für Professuren an der TH Köln gewinnen und eine bessere Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erreichen. Das Projekt wird im Rahmen des Programms zur Förderung der Gewinnung und Qualifizierung professoralen Personals an Fachhochschulen mit 13,15 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Februar 2023

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