Tunnel verbinden

Hochqualifizierte Fachkräfte sind Mangelware, in der Wissenschaft wie in der Wirtschaft. Für eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften braucht es Erfahrungen in beiden Bereichen – schwer zu finden! Das soll das neue Tandemprogramm der TH Köln ändern. Eines der Tandems beschäftigt sich mit dem Thema Tunnelbau: Die Beteiligten berichten von Mehrwert und Herausforderungen.

Ein Tunnel verbindet zwei Punkte über eine unterirdische Röhre, meist, um Wege kürzer zu machen. So weit, so geradeheraus. Die Realität ist natürlich komplizierter. So spielen zum Beispiel geologische und standortspezifische Randbedingungen eine wichtige Rolle, alle Arbeitsschritte müssen geplant, spezielle Herausforderungen, die jedes Projekt mit sich bringt, gemeistert werden – und das jederzeit am Puls des aktuellsten Entwicklungsstands. Praxis und Forschung müssen Hand in Hand gehen.

Auf dieser Idee von Kooperation basiert das Tandemprogramm der TH Köln: Eine Person wird anteilig an der Hochschule und bei einem Partnerunternehmen eingestellt und sammelt akademische sowie berufspraktische Erfahrungen. Gleichzeitig intensiviert sich die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Praxispartner, beispielsweise bei Martin Schmitz und Prof. Dr. Christoph Budach zum Thema Tunnelbau. Der Vorstand der ZPP INGENIEURE AG und der Direktor des Instituts für Baustoffe, Geotechnik, Verkehr und Wasser der TH Köln arbeiten schon lange zusammen, sowohl in Projekten als auch beim fachlichen Austausch jenseits des Tagesgeschäfts. Entsprechend schnell beschlossen sie, gemeinsam ins Tandemprogramm zu starten. „Bei der Frage, mit welchem Unternehmen man ein solch außergewöhnliches Projekt vorantreiben kann, ist mir direkt ZPP eingefallen“, so Christoph Budach. Das kommt nicht von ungefähr. Die ZPP INGENIEURE AG hat den eigenen Anspruch, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu sein. „Wir haben ein starkes Interesse, über unsere Grenzen hinaus zu schauen“, sagt Martin Schmitz. „Wir wollen unser Projektgeschäft mit innovativen Ansätzen kombinieren. Gleichzeitig möchten wir unsere beruflichen Kompetenzen in die Forschung zurückspielen.“

Martin Schmitz, Katrin Lipka und Christoph Budach mit einem Tandemfahrrad Martin Schmitz, Katrin Lipka und Prof. Dr. Christoph Budach (v.l.n.r.). (Bild: TH Köln/Michael Bause)

Vermitteln und ergänzen: alle Seiten profitieren

Für die kommenden fünf Jahre ist Katrin Lipka für die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis verantwortlich. Seit Anfang Mai besetzt sie die Stelle zwischen ZPP und TH Köln. „Die Themen und Aufgaben meiner Tätigkeit sind sehr interessant und haben gut auf mein Profil gepasst“, sagt sie. „Unsere Arbeit ist nicht alltäglich. Gerade der Tunnelbau ist sehr speziell.“ Umso wertvoller sind die zwölf Jahre Branchenerfahrung, die sie mitbringt. Diese Erfahrung ermögliche einen klaren Blick darauf, was relevant ist und die Projekte vorantreiben kann, ist sich Martin Schmitz sicher. Und auch dem Lehr- und Forschungsgebiet Geotechnik und Tunnelbau kommt ihre Expertise zugute, so Christoph Budach: „Katrin Lipka kann ihre praktische Tunnelbauerfahrung sehr gut in Lehre und Forschung einbringen.“

ZPP INGENIEURE und die TH Köln – beide profitieren von der Kompetenz der neuen Mitarbeiterin. Trotzdem konkurrieren die Arbeitgeber nicht um ihre Leistung, denn über die Arbeitsaufteilung haben sich alle klar verständigt: Aktuell arbeitet Katrin Lipka dienstags und mittwochs am Institut für Baustoffe, Geotechnik, Verkehr und Wasser, denn an diesen Tagen finden Lehrveranstaltungen zum maschinellen Tunnelbau statt. Die anderen Tage sind für die Projektarbeit bei ZPP reserviert. Dabei bleibt die Flexibilität aber nicht auf der Strecke. „Wenn es Sonderveranstaltungen gibt oder die Arbeit an der TH Köln dies erfordert, halten wir nicht an unseren Tagen fest“, sagt Martin Schmitz. „Es ist toll, dass unser vertrauensvolles Verhältnis das ermöglicht.“ Das bekräftigt auch Katrin Lipka: „Ich finde es gut, dass die beiden Stellenanteile nicht streng voneinander getrennt sind. Die Themen und Aufgaben überschneiden sich ja auch und greifen ineinander.“

Unterstützung von allen Seiten

Das zeigt sich auch bei der Suche nach dem Promotionsthema. Denn Ziel des Tandemprogramms ist es, die Beschäftigten zur Berufungsfähigkeit an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften zu führen, und dazu gehört der Doktortitel. Dabei unterstützen beide Arbeitgeber Katrin Lipka voll und ganz, von der Einarbeitung in ein Forschungsthema über die Themenfindung bis zur aktiven Teilnahme an Konferenzen, um Ergebnisse vorzustellen. Erste Überlegungen zum Thema gehen in Richtung des maschinellen Tunnelbaus und sollen sich bald konkretisieren.

Hier profitiert Katrin Lipka vom Netzwerk, das sich durch das Tandemprogramm eröffnet, denn durch den Austausch mit Fachleuten aus Forschung und Praxis werden oft neue Perspektiven und Herangehensweisen an Problemstellungen aufgezeigt. Das Networking in beide Richtungen ist sinnvoll, denn nach den fünf Jahren Tandemprogramm ist der weitere Weg offen und das Anstreben einer Professur nicht verpflichtend. Diese Entscheidung duldet also noch etwas Aufschub, aber das Ziel für die nicht allzu ferne Zukunft verbindet alle drei: gemeinsam wieder ein Kölsch trinken gehen.

Im Tandemprogramm wird eine Person zu unterschiedlichen Anteilen gleichzeitig an der TH Köln und bei einem Praxispartner angestellt. Innerhalb von fünf Jahren qualifizieren sich die Kandidatinnen und Kandidaten beruflich und akademisch, was auch eine Promotion einschließen kann. Ziel ist die Berufungsfähigkeit an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften.

Bisher hat die TH Köln Kooperationsvereinbarungen mit 15 Unternehmen aus Wirtschaft, Kultur oder Zivilgesellschaft geschlossen. 14 Tandemstellen sind bereits besetzt.

Das Tandemprogramm ist ein Angebot des Personalgewinnungskonzepts „Professur-Laufbahn an Hochschulen für angewandte Wissenschaften neu denken: Collaboration und Vernetzung“ (PLan_CV).

September 2022

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin inside out #61 (2022)


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