Hochschullehre ganz praktisch

Theorien, Hypothesen, Lehrsätze – Hochschullehre ist oft wenig praxisbezogen. Umso schwerer fällt nach dem Abschluss der Einstieg in den Berufsalltag. Die Erfahrung hat auch Joachim Denker gemacht. Nun hat er selbst Gelegenheit, Studierende an die Praxis heranzuführen.

Porträtfoto von Joachim Denker Joachim Denker (Bild: privat)

Seit Juni 2022 teilt Joachim Denker seine Arbeitszeit zwischen der TH Köln und ASINCO, einem Unternehmen für Mess- und Automatisierungstechnik, und vereint dabei Lehre im Bereich virtuelle Prozessoptimierung mit Industrieerfahrung, Promotion inklusive. Möglich macht es das Tandemprogramm der TH Köln. Dabei wird eine Person gleichzeitig an der Hochschule und bei einem Praxispartner angestellt und dort von Tandembetreuerinnen oder -betreuern begleitet. Innerhalb von mehreren Jahren qualifizieren sich die Kandidatinnen und Kandidaten beruflich und akademisch. Ziel ist die Berufungsfähigkeit an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften – aber auch die Intensivierung der Kontakte zwischen Hochschule und Wirtschaft.

Eine gute Basis

Bei der TH Köln und ASINCO baut das Tandemprogramm auf ein starkes Fundament und eine langjährige Zusammenarbeit der Tandembetreuer auf. Das Unternehmen wurde 2012 von Dr. Mohieddine Jelali gegründet, heute Professor an der TH Köln. 2015 übernahm Dr. Dirk Zander die Geschäftsführung. Kennengelernt haben sich beide am VDEh-Betriebsforschungsinstitut in Düsseldorf, wo auch Joachim Denker nach seinem Masterabschluss arbeitete. „Schon damals hatte ich das Ziel, mich wissenschaftlich weiterzuentwickeln“, so Denker. „Auch nach dem Wechsel zu ASINCO hatte ich das Thema Dissertation immer im Hinterkopf.“

Aber eine Doktorarbeit neben einer Vollzeitstelle? Das kann nicht funktionieren, glaubt Prof. Jelali: „Erst die enge Verbindung durch das Tandemprogramm hat eine Promotion ermöglicht.“ Und das sehr erfolgreich: Mehrere Paper zum Thema Automatisierungsarchitektur zum Einsatz in Bestandsanlagen unter Kompatibilität mit Industrie 4.0 hat Joachim Denker bereits veröffentlicht und auf Konferenzen vorgestellt. Darauf baut seine Dissertation auf. Gliederung, Methoden, Feldtests und Ergebnisanalyse sind ebenfalls eng abgestimmt. Die Unterstützung, die er bei seiner wissenschaftlichen Arbeit erhält, gibt Joachim Denker gleich weiter: an seine Studierenden, deren Bachelor- und Masterarbeiten er betreut. „Ziel ist es, über die Dauer des Tandemprogramms kontinuierlich Abschlussarbeiten von Werksstudierenden bei ASINCO zu begleiten“, so Denker.

Alles unter einem Hut

Die Vielzahl an Aufgaben bedarf guter Organisation. „Zwischen den beiden Stellen ist viel Moderation nötig“, sagt Joachim Denker. „Zum Glück kommunizieren wir offen. Wenn etwas nicht passt, kann ich es direkt ansprechen.“ Natürlich gibt es auch viele Überschneidungen zwischen den Bereichen. Die Zuständigkeiten sind so abgestimmt, dass Erfahrungen aus dem Unternehmen auf die Hochschule angewendet werden können und umgekehrt. Aber auch in Bereichen ohne Schnittmengen – die Lehre auf der einen, die Leitung der Abteilung Innovation auf der anderen Seite – hat Joachim Denker die volle Unterstützung beider Arbeitgeber. „Wir müssen dem Tandem erst einmal einen guten Start ermöglichen, es muss sich alles zurechtrücken“, sagt Dirk Zander. „Dafür halten wir als Betreuer Joachim den Rücken frei. Das heißt, wenn er beispielsweise für seine Arbeit an der Hochschule an einer Konferenz teilnimmt, dann werden wir bei ASINCO das ermöglichen.“

Im Gegenzug profitieren auch die Arbeitgeber vom Arrangement. „Wenn wir die Karriereentwicklung hochqualifizierter Kandidatinnen und Kandidaten wie Joachim Denker unterstützen, gewinnen wir auch als Institution – durch seine Kenntnisse und Erfahrungen, aber auch durch die enge Verbindung zum Unternehmen. Aufbauend darauf können wir an der Hochschule Forschungs- und Entwicklungs-Projekte generieren, die die Weiterqualifizierung von weiteren Nachwuchskräften ermöglichen“, so Mohieddine Jelali. Dirk Zander ergänzt: „Für uns ist gutes Fachpersonal unheimlich wichtig. Wir investieren natürlich auch innerbetrieblich in die Weiterbildung, aber auf dem Level einer Promotion können wir das intern nicht leisten. Darüber hinaus profitieren wir vom Know-how der Hochschule und versuchen, es in die Industrie zu transferieren.“

Wie sich diese Pläne umsetzen lassen, werden die kommenden drei Jahre zeigen. Auch der weitere Karriereweg nach der Programmlaufzeit ist offen, denn ob Joachim Denker sich danach für eine Industrielaufbahn oder eine wissenschaftliche Tätigkeit entscheidet – oder beides kombiniert –, steht ihm frei. Für die nähere Zukunft hat er aber ein ganz konkretes Ziel: „Wenn ich im kommenden Jahr meine Promotion abschließen könnte, wäre das ein großer Meilenstein.“

Über das Personalgewinnungskonzept „PLan_CV“

Das Tandemprogramm ist ein Baustein des Projekts PLan_CV („Professur-Laufbahn an Hochschulen für angewandte Wissenschaften neu denken: Collaboration und Vernetzung“). Es soll exzellentes Personal für Professuren an der TH Köln gewinnen und eine bessere Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erreichen. Das Projekt wird im Rahmen des Programms zur Förderung der Gewinnung und Qualifizierung professoralen Personals an Fachhochschulen mit 13,15 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Dezember 2022

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