Abwasser mit Hilfe der Natur reinigen

Von oben sieht es aus wie ein gewöhnlicher, zugewachsener Teich. Dabei läuft im Becken einer Pflanzenkläranlage ein komplexes Zusammenspiel ab, um Abwasser ohne die Hilfe chemischer Zusätze zu reinigen. Prof. Dr. Frank Rögener vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik spricht über die Funktionsweise sowie die Vor- und Nachteile der naturnahen gegenüber der industriellen Reinigung.

Prof. Dr. Frank Rögener forscht am Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik. Prof. Dr. Frank Rögener forscht am Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik. (Bild: privat)

Prof. Rögener, wie funktionieren Pflanzenkläranlagen?

Zuerst werden, wie bei industriellen Kläranlagen, Grobstoffe wie Toilettenpapier entfernt, damit die Leitungen und die eigentliche Anlage nicht verstopfen. Dies geschieht durch Rechen oder Siebe, die Vorklärung kann industriell auch in einem sogenannten Absetzbecken erfolgen. Außerdem werden große Stücke zu langsam durch die Biologie abgebaut. Die herausgefilterten Feststoffe werden entsorgt oder verbrannt. Anschließend wird das vorgereinigte Wasser in ein Becken geleitet und durch das Zusammenwirken von Pflanzen wie Schilf oder Binsen, Bodenmaterial wie Kies und Sand, Sonnenlicht, Luft und Mikroorganismen gereinigt.

Die Pflanzenwurzeln dienen als Lebensraum für Mikroorganismen wie Bakterien, die wesentlich zum Abbau der Inhaltsstoffe beitragen. Das heißt, sie reinigen das Wasser durch biochemische Reaktionen. Sonnenlicht fördert einerseits die Vermehrung der Mikroorganismen und andererseits das Pflanzenwachstum.

Das Abwasser kann eine Pflanzenkläranlage entweder vertikal oder horizontal durchlaufen. Bei einer dritten Variante nehmen im Boden verlegte Drainagerohre das gereinigte Abwasser auf. Unabhängig davon ist die Ableitung des Wassers über einen Kontrollschacht bei allen Anlagentypen der letzte Schritt. Anschließend wird das gereinigte Wasser in ein Gewässer eingeleitet, versickert oder zur weiteren Verwendung, zum Beispiel in der Landwirtschaft, gespeichert.

Wo kann die naturnahe Klärtechnik bevorzugt eingesetzt werden?

Pflanzenkläranlagen benötigen viel Platz, da mehrere Becken angelegt werden müssen, um größere Abwassermengen behandeln zu können. In Deutschland besteht zudem grundsätzlich die Pflicht, Abwässer einer kommunalen Abwasseraufbereitungsanlage zuzuführen. Deshalb findet man Pflanzenkläranlagen in Deutschland vor allem in der Nähe von abgelegenen Gehöften, auf manchen Campingplätzen oder in ländlichen Siedlungen ohne Anschluss an größere Kanalnetze. Während die Reinigungssysteme hierzulande eher klein sind, sind sie vor allem im Nahen Osten wesentlich größer angelegt. Im Oman beispielsweise reinigt eine mehrere hundert Hektar große Schilfkläranlage verschmutztes Wasser aus der Erdölförderung.

Was sind die Vorteile?

Hier sind vor allem die geringen Kosten und die einfache Wartung zu nennen. Abgesehen von einer Pumpe in einigen Fällen sind keine Maschinen erforderlich, einige naturnahe Anlagen benötigen nicht einmal Strom. Dementsprechend ist auch der Personalaufwand gering. Zudem fällt weniger Klärschlamm an und die Pflanzen können sich positiv auf das Mikroklima der Umgebung auswirken. Da sich bei der Abwasserreinigung Partikel absetzen, sollte das Becken einmal im Jahr geleert werden, um auch abgestorbene Pflanzen zu ersetzen.

Welche Nachteile sind zu beachten? Wo liegen die Grenzen bei der Abwasserreinigung?

Bei naturnahen Anlagen kann man weniger steuernd eingreifen als bei industriellen Systemen, um zum Beispiel die Belüftung und damit den Sauerstoffgehalt zu verändern. Außerdem sind Pflanzenkläranlagen stärker vom Wetter abhängig. Im Winter ist die Mikrobiologie beim Schadstoffabbau nicht so aktiv. In heißen Sommern reduzieren hohe Wassertemperaturen den Sauerstoffgehalt, was für die darauf angewiesenen Mikroorganismen ungünstig ist. So wie kommunale Kläranlagen stoßen auch Pflanzenkläranlagen bei der Entfernung von Mikropartikeln (Mikroplastik), Mikroverunreinigungen (Arzneimittelrückständen), oder Lacken und Fetten an ihre Grenzen. Moderne Technologien wie Bioreaktoren mit speziellen Membranen oder Aktivkohle könnten helfen, diese Feinstoffe zu entfernen. Die Weiterentwicklung und Optimierung der bestehenden Reinigungsstufen bei industriellen Abwasserreinigungsanlagen ist nicht nur sinnvoll, sondern könnte in den nächsten Jahren von der Europäischen Union gesetzlich vorgeschrieben werden. Dazu ist jedoch noch viel Forschungsarbeit notwendig.

Schritte dahin sind zum Beispiel Untersuchungen zur Ertüchtigung der Abwasserbehandlungsanlage Bonn Salierweg durch einen Masterstudenten des Instituts für Anlagen- und Verfahrenstechnik sowie Arbeiten von Prof. Dr. Christian Wolf und Prof. Dr. Miriam Sartor vom Campus Gummersbach/:metabolon Institute.

Dezember 2023

Ein Beitrag von

Daniel Schäfer

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