Entdecken, fördern, begleiten
Drei Scouts unserer Hochschule gehen ab September auf die Suche nach Jugendlichen, deren Talente bislang unentdeckt schlummern. Manche sind einfach stille Persönlichkeiten, manche haben ein wenig bildungsbegeistertes Umfeld – und manche dürfen gar nicht lernen. Ihnen allen sollen die vom Land finanzierten Scouts helfen.
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Nennen wir den jungen Mann einfach Martin. Er studiert an der TH Köln Maschinenbau. So weit, so normal. Doch Martin wird am Lernen gehindert. Wenn er zuhause ist, muss er im Kiosk seiner Eltern helfen. Sein Umfeld im Kölner Stadtteil Chorweiler ist das, was man als bildungsfern bezeichnet. Verständnis für einen, der mehr paukt als unbedingt nötig, haben hier nicht viele. Martin aber hat das Glück, dass er in einer Hochschulbibliothek tun kann, was zuhause schwierig ist: Lernen.
Es klingt sehr nach Klischee, aber das Beispiel ist echt. Aus Martins Nachbarschaft kommen nicht viele an die Hochschule, und das ist typisch: Während 77 Prozent aller Akademikerkinder in Deutschland studieren, beträgt dieser Anteil bei Kindern aus Nichtakademiker-Familien nur 23 Prozent, ergab eine Studie des Deutschen Studierendenwerkes. Trotz guter Noten fehlt denen, die in weniger gebildeten Verhältnissen aufwachsen, oft das Vertrauen in die eigenen Stärken. Genau hier setzt das Landesprojekt „Talentscouts“ an, an dem sich künftig auch die TH Köln und die Universität zu Köln als Partner beteiligen. Die Scouts suchen das Gespräch mit Jugendlichen und fahnden gezielt nach Talenten, die ihr Potenzial bislang nicht ausschöpfen.
Sportvereine und Jugendzentren im Blick
Je eine Million Euro Fördermittel bis zum Jahr 2020 bekommen die beiden Hochschulen, die dafür jeweils drei Scouts beschäftigen können. Edith Saum, Teamleiterin der Zentralen Studienberatung, hat sich intensiv für diese Förderung eingesetzt und jetzt schon die drei Stellen besetzt: Zweieinhalb davon für das Scouting selbst, eine für die Koordination der Aktivitäten. Und die sind vielfältig: „Die Hochschulen im Ruhrgebiet, die bisher schon gefördert wurden, konzentrieren sich auf die Schulen. Wir gehen außerdem in Sportvereine, Jugendzentren, Kirchen, Moscheen – überall dahin, wo die Jugendlichen sind“, erklärt Edith Saum.
Die Scouts bringen Hochschulerfahrung mit, haben unterschiedliche Hintergründe als Betriebswirtin oder Lehrer. „Vor allem aber sprechen sie die Sprache der Jugendlichen, nutzen soziale Medien, begegnen ihnen auf Augenhöhe“, sagt Edith Saum. Ein Jahr lang werden die Scouts in personenzentrierter ergebnisoffenen Beratung geschult. Zudem lernen sie unsere Hochschule derzeit von innen kennen, bauen intern persönliche Kontakte auf: „Sie sollen ja in der Lage sein, auch direkt und unkompliziert zum Beispiel Schnuppertage in einem Labor zu organisieren. Das geht nur über persönlichen Kontakt, und deshalb ist es sehr wichtig, dass das Projekt in der Hochschule fest verankert ist.“
Wenn die Scouts dann später zum Beispiel in die Schulen gehen, sollen sie nicht nur mit der Schulleitung sprechen, sondern auch mit den dort angesiedelten Koordinatoren für den Übergang von der Schule zum Beruf, möglichst auch mit den Fachlehrerinnen und Fachlehrern selbst. Denn die wissen am besten, wo ein Talent schlummert, das sich vielleicht selbst nicht gerne nach vorne drängt, das womöglich wenig Unterstützung aus der Familie bekommt. Die Scouts bieten zum einen Gruppenveranstaltungen an, aber auch intensive Einzelgespräche mit den Jugendlichen.
Erweiterung bisheriger Beratungserfolge
Für Edith Saum ist dabei ganz besonders wichtig: eine offene Beratung. Wenn sich jemand für eine duale Ausbildung entscheide, dann sei das genauso gut, und dann vermittle man denjenigen eben zum Beispiel an die Ausbildungsberaterin und -berater der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Agentur für Arbeit. Entscheidend sei nur, dass kein Talent unentdeckt bleibt: „Es geht um den Schüler und die Schülerin, und darum, dass sie eine gut überlegte Wahl treffen.“
Das Projekt „Talentscouts“ ist noch neu, aber die Zentrale Studienberatung unserer Hochschule ist längst in den Schulen aktiv. So werden beispielweise drei- bis vierstündige Workshops unter dem Titel „Studieren – aber was?“ angeboten. Gerade für junge Menschen aus bildungsfernem Umfeld seien auch die Hochschul-Praktika sehr wertvoll, sagt die Studienberaterin. „Allein 2016 hatten wir knapp 500 Hochschulpraktikanten und -praktikantinnen. Das ist an sich schon ein Erfolg, selbst wenn manche Schülerinnen und Schüler sich im Anschluss doch gegen ein Studium entscheiden!“ Die Talentscouts sollen künftig schon in die neunten Klassen gehen und so beispielsweise schon bei der Wahl der Leistungskurse für die Oberstufe helfen und unterstützen.
Am 4. September wird es eine große Kick-off-Veranstaltung zu dem Projekt an unserer Hochschule geben.
Werner Grosch
August 2017