Detox Identity: Wie ein Start-up Männlichkeit verändern will

Toxische Männlichkeit schadet anderen Menschen und auch Männern selbst. Fabian Ceska, der den kooperativen Masterstudiengang Gender & Queer Studies an der TH Köln studiert, und Tobias Spiegelberg, der Soziologie an der Universität Bonn studiert, beschäftigen sich mit ihrem Start-up „Detox Identity“ daher kritisch mit Männlichkeit.

Was ist kritische Männlichkeit?

Spiegelberg: Männlichkeit ist bestimmt durch kulturelle Anforderungen an Personen, die als Männer wahrgenommen werden wollen oder von der Gesellschaft als solche gelesen werden – zum Beispiel besonders sportlich, rational oder sexuell aktiv zu sein. Daraus ergeben sich Erwartungen, die an Männer gerichtet werden, die sie bedienen müssen, um als Männer wahrgenommen zu werden. Damit geht ein gewisser Druck einher, diesem Bild gerecht werden zu müssen. Darüber hinaus festigt sich ein Rollenverständnis, das zu problematischen Verhaltensweisen führen kann – man spricht hier auch von toxischer Männlichkeit. Es entstehen destruktive und dominante Verhaltensweisen bei Männern, die sich in Form von Gewalt oder sexuellen Übergriffen ausdrücken können. In weiterer Konsequenz stabilisieren sie ungleiche Machtverhältnissen innerhalb der Gesellschaft. Kritische Männlichkeit bedeutet, sich mit diesen Dingen und Zusammenhängen zu beschäftigen und sie zu reflektieren.

Fabian Ceska und Tobias Spiegelberg v.l. Fabian Ceska und Tobias Spiegelberg beschäftigen sich mit ihrem Start-up "Detox Identity" kritisch mit Männlichkeit. (Bild: Detox Identity)

Warum ist diese Auseinandersetzung wichtig?

Ceska: Es gibt Betroffenheit, Übergriffe und strukturellen Sexismus in der Gesellschaft aufgrund von Männlichkeit. Es ist daher eine moralische Verantwortung von Männern als privilegierte Personen, für Gleichberechtigung einzustehen und die Welt für andere Menschen ein bisschen besser, solidarischer und gerechter zu gestalten. Zum anderen hängt toxische Männlichkeit häufig mit erhöhter Risikobereitschaft, Verdrängung von Emotionen und gesundheitlichen Problemen zusammen – die Folgen dieses Verhaltensmusters sind also auch für fast alle Männer selbst schädlich und im schlimmsten Fall sogar tödlich. Somit ist sowohl extrinsisch als auch intrinsisch Motivation gegeben, sich kritisch und profeministisch mit Männlichkeiten zu befassen.

Spiegelberg: Neben dieser politischen und privaten Dimension der kritischen Männlichkeitsarbeit gibt es auch noch eine pädagogische, die für uns sehr relevant ist. Es muss nämlich auch darum gehen, jungen Menschen zu ermöglichen, unterschiedliche Identitätskonzepte für sich aufzubauen. Bei der Jugend ist der Druck bezüglich Männlichkeit schließlich am größten, weil sie sich noch in der Identitätssuche befindet. Daher ist es wichtig, Jugendliche und pädagogische Fachkräfte dafür zu sensibilisieren, Männlichkeit nicht nur als heterosexuell und cis, sondern genauso als queer und divers zu verstehen.

Wie unterstützt Detox Identity dabei?

Ceska: Wir organisieren deutschlandweit Angebote für Schulen, Stiftungen und Jugendzentren im Bereich der politischen Jugendbildung für Menschen zwischen 16 und 25 Jahren. Wir bieten auch Weiterbildungen für pädagogische Fachkräfte an, wo wir die Methodenkompetenz vermitteln, diskriminierungssensibel zu Gender zu arbeiten. Zudem begleiten wir Unternehmen dabei, ihren Arbeitsalltag diversitätsorientierter und solidarischer zu gestalten. In all diesen Formaten geht es in erster Linie darum ein Verständnis für Diskriminierung zu entwickeln und individuelle Veränderungspotentiale zu entfalten. Unsere Priorität liegt hier auf der Sensibilisierung für die eigenen männlichen Privilegien, inwieweit andere Personen darunter leiden und welche Verantwortung daraus für Männer wächst.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Social Start-up zu gründen?

Ceska: Wir haben gemeinsam Philosophie, Politik und Wirtschaft studiert. Die Themen strukturelle Diskriminierung, Rassismus und Feminismus sind uns dort kaum begegnet. Erst im Rahmen eines gemeinsamen Erasmus-Aufenthaltes haben wir uns damit auseinandergesetzt und gemerkt, wie unglaublich wichtig das ist. Wir haben daraufhin im privaten Kontext einen Workshop dazu organisiert und mit Freunden über Selbstzweifel, Männlichkeit und Privilegien gesprochen. Dabei haben wir gemerkt: Wir kennen die schon ewig, aber haben nie über diese Themen gesprochen. Außerdem haben wir festgestellt, welche Erwartungen an Männlichkeit wir selbst bedienen und dass wir damit eigentlich gar nicht glücklich sind – das war sehr entlastend.

Spiegelberg: Das habe ich auch so empfunden. Es ist so wichtig, Räume zu öffnen, in denen auch Männer untereinander bei Gesprächen über Liebe, Partnerschaft und Sexualität nicht nur Heldengeschichten erzählen, sondern auch Verletzlichkeit, Scham und Unsicherheit thematisieren. Dadurch verändert sich das eigene Denken und Gefühle werden zugelassen. Das ist überaus befreiend. Wir haben viel positive Resonanz auf den Workshop erhalten, wurden dann weiterempfohlen und so ist Detox Identity nach und nach ganz organisch gewachsen.

Wie haben euch die Angebote der TH Köln bei der Gründung geholfen?

Ceska: Die Unterstützung der TH Köln war und ist sehr wertvoll für uns. Wir arbeiten schon das ganze Jahr im Inkubator am Campus Südstadt, wo wir uns auch mit anderen Start-up-Teams vernetzen und über Gründungsthemen austauschen können. Darüber hinaus erhalten wir viele nützliche Informationen vom StartUpLab@TH Köln, können den Coworking-Space des Gateway Gründungsservices nutzen und erhalten dort auch ein regelmäßiges Coaching. Für mich persönlich ist zudem auch der kooperative Masterstudiengang Gender & Queer Studies sehr bereichernd, insbesondere die unterschiedlichen Lehr- und Lernmethoden in Hochschule und Universität.

Spiegelberg: Wir waren anfänglich etwas skeptisch, wie gut wir als Social Start-up in das Gründungssystem der Hochschule passen, weil wir kein konkretes, greifbares Produkt, sondern Workshops und Seminare anbieten. Das hat sich aber insbesondere im Miteinander mit anderen Teams sehr schnell gelegt. Denn neben der Unterstützung durch die Hochschule ist auch der Austausch mit anderen Gründer*innen sehr wertvoll, weil sie sich in ähnlichen Situationen befinden und sich daher mit ähnlichen Themen beschäftigen.

Dezember 2022

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