Wie offene Bildungsmaterialien die Lehre stärken können

Frau und Mann (Bild: Costa Belibasakis/Thilo Schmülgen)

Am 14. September 2021 ist das neue Landesportal für Studium und Lehre ORCA.nrw an den Start gegangen. Dieses soll den Austausch von Open Educational Resources (OER) ermöglichen und fördern. Prof. Dr. Sylvia Heuchemer, Vizepräsidentin für Lehre und Studium, und Günther Straub, ORCA.nrw-Netzwerkstelle an der Hochschule, sprechen im Interview über das Potenzial von OER.

Das neue Landesportal ORCA.nrw wird vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert und von 37 Hochschulen aus NRW, darunter auch die TH Köln, gemeinsam betrieben. Das Portal steht im Zentrum der Digitalisierungsstrategie der Landesregierung im Bereich Studium und Lehre. Bis 2023 stellt das Land insgesamt rund acht Millionen Euro für den Auf- und Ausbau des Portals zur Verfügung. Ziel ist es, durch verstärkte Zusammenarbeit bei der Digitalisierung von Studium und Lehre entsprechende Kompetenzen in allen Hochschulen zu stärken und Lehrenden und Lernenden einen unkomplizierten Zugriff auf die hierfür notwendigen Tools zu ermöglichen. So sollen bis spätestens 2022 alle Studierenden und Lehrenden an der TH Köln über das Lern-Management-System Ilias heraus auf OER-Materialien aus ganz Deutschland zugreifen können.

Frau Prof. Heuchemer, Herr Straub, was sind Open Educational Resources eigentlich?

Straub: Open Educational Resources, kurz OER, sind frei zugängliche, kostenlose Lehr- und Lernmaterialien im Bildungsbereich. Wichtig ist dabei, dass sie offene technische Standards und Lizenzen haben. So können sie von Lehrenden und Lernenden im Gegensatz zu urheberrechtlich geschützten Materialien kopiert, verändern und wiederveröffentlicht werden. OER knüpfen damit an die offene Bildungspraxis an. Diese hat das Ziel, das Wissen zwischen Lehrenden und Lernenden geteilt wird. Mit Hilfe einer übergeordneten Plattform wie ORCA.nrw werden diese Prozesse wesentlich vereinfacht, weil man sich – unter bestimmten Regeln wie der Nennung der Urheber*innenschaft – einfach am Material der Community bedienen kann.

Heuchemer: Bei offenen Bildungsmaterialien geht es auch darum, Bildung für alle zugänglich zu machen und auf diesem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe beizutragen. Dieser Trend zu mehr Öffnung und Teilhabe wird immer wichtiger und spiegelt sich auch in anderen, verwandten Bewegungen wie Open Science, Open Access oder Open Source wider. Lehre ist eine Gemeinschaftsaufgabe und kann daher nur davon profitieren, offen zu sein; offen auch für Kooperationen über Fakultäts- und Hochschulgrenzen hinweg. Mit diesem Verständnis schließt sich auch der Kreis zum Leitbild der TH Köln. Unsere Mission ist es, Soziale Innovation zu gestalten, also Wissen gesellschaftlich wirksam zu machen – und genau das macht OER: offen und kooperativ werden innovative Lehr- und Lernmaterialien entwickelt und allen zur Verfügung gestellt.

Wie können OER in der Hochschullehre genutzt werden?

Straub: Öffentlich zugängliche Lehr- und Lernmaterialien können sehr umfangreich in die Hochschullehre eingebunden werden. Man denkt dabei oft erst einmal nur an einzelne Objekte wie Videos, Fotos oder Grafiken. Es geht bei OER aber auch um größere Zusammenhänge: Lehrende können mit Hilfe offener Bildungsmaterialien ganze Kurse, Kursteile, Module oder Prüfungsaufgaben gestalten und mit anderen teilen.

Heuchemer: Das trägt in einem weiteren Schritt auch zur Qualitätsentwicklung der Lehre bei. Es gibt viele sehr ähnliche Grundlagenveranstaltungen an Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Wenn nicht alle Lehrenden versuchen, ihre eigenen Materialien zu gestalten, sondern auf offene Bildungsmaterialien zugreifen, eröffnet das ganz neue Möglichkeiten. Lehrende können den Aufwand bei der Entwicklung ihrer Lehr- und Lernmaterialien reduzieren und haben so mehr Zeit, um sich auf ihre Lehre zu fokussieren.

Wie unterstützt die TH Köln bei der Nutzung und Erstellung von OER?

Heuchemer: Wenn man selbst entwickelte Lehr- und Lernmaterialien offen zur Verfügung stellen möchte, ist nicht nur der Anspruch an die Qualität sehr hoch, sondern es ergeben sich meist auch viele didaktische, technische und rechtliche Fragen. Hierfür braucht es Personen, die Lehrende in all diesen Fragen gut beraten können. An unserer Hochschule sind das Lukas Tappmeyer vom Zentrum für Lehrentwicklung und eben Günther Straub, die auch als sogenannte Netzwerkstelle die Verbindung zum Landesportal ORCA.nrw sicherstellen.

Straub: Wir unterstützen einerseits dabei, Material im Landesportal zu finden und zu nutzen, und andererseits auch dabei, eigenes Material zu erstellen und es auf dem Landesportal zu veröffentlichen. Dazu gibt es verschiedene Angebote wie Weiterbildungsveranstaltungen des Zentrums für Lehrentwicklung, aber auch ganz individuelle Beratung durch Herrn Tappmeyer und mich in Bezug auf didaktische und inhaltliche Aufbereitung sowie die Produktion über das Medienbüro des Zentrums für Lehrentwicklung.

Heuchemer: Als Hochschulleitung wissen wir natürlich, dass das Entwickeln von OER eine Herausforderung ist und im ersten Moment vielleicht auch mehr Aufwand bedeutet. Die Mühe lohnt sich aber, denn wenn man sich über OER sichtbar macht, ist das auch ein Zeichen von guter Lehre. Zudem wird bei Ausschreibungen auf Landes- und Bundesebene immer häufiger gefordert, dass das entwickelte Lehr- und Lernmaterial als OER zugänglich gemacht wird. Hier wollen wir bereits im Vorfeld aktiv werden, Beratungsangebote schaffen und somit unseren Lehrenden den Einstieg in solche Drittmittelprojekte erleichtern. Dazu entwickeln wir derzeit auch eine OER-Policy. In dieser schreiben wir fest, was OER für uns bedeutet und wie wir bei Erstellung und Nutzung unterstützen können. Beim Open Space 2021 zum Thema ,Hybride Potentiale nutzen – Lehre öffnen und gestalten‘ am 23. September stellen wir einen ersten Entwurf dieser Policy vor und laden alle Hochschulangehörigen ein, diesen offen zu diskutieren und weiterzuentwickeln.

September 2021

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