Untersuchung zur Diversität in der Medienlandschaft
Wie vielfältig sind die deutschen Medien? Dieser Frage sind die „Neuen deutschen Medienmacher“, ein Zusammenschluss von Journalistinnen und Journalisten mit und ohne Migrationsgeschichte, und Prof. Dr. Christine Horz vom Institut für Translation und Mehrsprachige Kommunikation nachgegangen.
Prof. Horz, wie sind Sie bei Ihrer Recherche vorgegangen?
Prof. Dr. Christine Horz: Wir haben die Chefredakteurinnen und Chefredakteure der 126 reichweitenstärksten deutschen Medien aus den Bereichen Print, Online, Rundfunk und TV per E-Mail befragt. Dabei wollten wir wissen, wie viele von Ihnen eine Migrationsgeschichte haben und wie hoch der Anteil von Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund in den Redaktionen ist. Mit fünf der Befragten haben wir dann noch ausführliche qualitative Interviews geführt.
Was sind die Ergebnisse?
Die Chefredaktionen sind relativ homogen: 118 von 126 Befragten haben keine Migrationsgeschichte. Nur sechs Chefs und zwei Chefinnen haben mindestens ein nicht-deutsches Elternteil. Davon stammt die eine Hälfte aus Nachbarländern Deutschlands und die andere Hälfte aus EU-Mitgliedsstaaten. Keine und keiner von ihnen ist Schwarz oder stammt aus einer muslimisch geprägten Familie oder einer der größten Einwanderergruppen.
Der ausführliche Bericht
Auf der anderen Seite gibt es ein weitverbreitetes Bewusstsein, dass die fehlende Diversität in der Führungsebene und in den Redaktionen ein Problem ist. Wenn man Vergleichsstudien betrachtet, lässt sich feststellen, dass diese Erkenntnis in den letzten Jahren auch gestiegen ist. Das ist erfreulich, schlägt sich aber nicht in konkreten Aktivitäten nieder. So lehnen die meisten Befragten es ab zu erfassen, wie hoch der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in ihren Redaktionen ist. Meist mit Verweis auf Datenschutzprobleme – was ein etwas vorgeschobenes Argument ist, da man solche Untersuchungen durchaus datenschutzkonform durchführen kann.
Dabei wäre eine solche Untersuchung sehr wichtig, um die Diskussion in Politik und Wissenschaft voranzubringen. Zahlen sind dabei entscheidende Argumente. Oder wie es ein Handbuch über Gleichstellungspolitik sagt: „Wer nicht gezählt wird, zählt nicht“. Da es nur wenige und zudem nicht repräsentative Studien gibt, müssen wir auf Schätzungen zurückgreifen. Diese besagen, dass nur etwa zwei bis vier Prozent der Journalistinnen und Journalisten eine Migrationsgeschichte haben, während der gesamtgesellschaftliche Anteil bei etwa 25 Prozent liegt.
Warum ist es wichtig, dass in den Redaktionen die Vielfalt zunimmt?
Die Vielfalt in den Redaktionen hängt unmittelbar mit dem Meinungspluralismus zusammen. Wenn Menschen mit Migrationsgeschichte dort fehlen, dann fehlt auch eine wichtige Perspektive auf vielen Themen, etwa in der aktuelle Rassismusdebatte. Je homogener die Redaktionen, umso eindimensionaler ist auch die Berichterstattung.
Die Medien sollten aber auch aus einem ökonomischen Interesse heraus auf mehr Vielfalt achten. Ganze Bevölkerungsgruppen finden sich und ihre Perspektiven aktuell in den Medien nicht wieder. Das gilt nicht nur für Menschen mit Migrationsgeschichte, sondern auch für Menschen ohne Hochschulabschluss. Eine diversere Sichtweise auf das Weltgeschehen kann neue Zielgruppen erschließen, was gerade für Printmedien angesichts der fallenden Abonnentenzahlen äußerst wichtig ist.
Juli 2020