Treffen der Gründer-Generationen

Wolfgang Börsch (57) entwickelte 1989 während seiner Diplomarbeit die Grundlagen für sein Unternehmen Loco-Soft, das heute Software für mehr als 3.000 Autohäuser und Kfz-Betriebe bereitstellt. Felix Vreden (29) gründete 2018 mit Kommilitonen auf Basis seiner Bachelorarbeit das Unternehmen PLEV Technologies und verkauft E-Scooter mit einzigartigem Fahrgefühl.

Herr Börsch, Sie haben Ihren Abschluss im Studiengang Maschinenbau/Fahrzeugtechnik an der damaligen Fachhochschule Köln gemacht. Wie sind Sie seinerzeit als Student zum Gründer geworden?

Wolfgang Börsch Wolfgang Börsch: "Jeder, der eine tolle Idee hat und auch die Luft, das Ding durchzuziehen, soll das machen". (Bild: privat)

Börsch: Eigentlich aus Frust darüber, dass die Aufgabenstellung für die Diplomarbeit damals keine Herausforderung war, sondern viele Studierende das Gleiche machten. Ich wollte nicht wie 20 oder 30 Andere eine Fensterkurbel für BMW konstruieren. Es ergab sich dann, dass mein Vater für sein Autohaus eine Software brauchte, da er bei Fiat Ersatzteile auf einer Floppy Disc bestellen musste. Und da kam mir die Idee, eine Lagerverwaltung für kleines Geld zu programmieren, denn die Softwarelösung der großen Anbieter kostete inklusive Hardware 10.000 Mark pro Jahr.

Ich hatte bereits vor dem Studium auf meinem Commodore 8032 ein Programm zur Lagerhaltung geschrieben für Rechnungen, Waren, Zugänge, Abgänge und ähnliches. In der Abschlussarbeit wollte ich dann zeigen, dass man in der Lage ist, Lagerbestand, Warenbestand und Bedarfsermittlung zu optimieren. Die Konzeption dazu habe ich an alle Fiat-Händler in Nordrhein-Westfalen geschickt. Und dann kam plötzlich zurück: Da fehlt noch die Erkennung der Saisonfaktoren, da fehlt das Konzept der Austauschteile …

Vreden: Da kommt das Feedback vom Kunden zurück.

Börsch: Genau. Interessanterweise haben von den 30 Rückläufern neun gefragt: Wann ist das Programm verfügbar? Und da habe ich das Potential erkannt. Kurz danach gab’s die Messe „Automechaniker“ in Frankfurt, wo ich mir schnell einen kleinen Messestand in der Ecke gemietet habe. Darüber stand „Low Cost Software für Autohäuser“ – das Programm war aber gar nicht fertig. Ich konnte also nur ganz wenig vorführen. Aber hinterher hatte ich über 70 Visitenkarten von Leuten, die das Programm wollten. Kurz vor Weihnachten habe ich die erste Software installiert und erste Lizenzgebühr auf Monatsbasis belastet. Danach schnell das Studium zu Ende gemacht und dann sofort bei Roadshows das Programm vorgeführt. Irgendwann kam der erste Mitarbeiter und heute sind wir fast 100 Personen.

Herr Vreden, wie ist das bei Ihnen gelaufen?

Felix Vreden Felix Vreden: "Wenn ich ohne die TH Köln Gründer geworden wäre, hätte das länger gedauert und es wäre steiniger gewesen". (Bild: privat)

Vreden: Bei mir hat die ganze Geschichte Ende 2015 mit der Bachelorarbeit für das Studium Fahrzeugtechnik angefangen. Prof. Frantzen hatte die Aufgabe angeboten, einen E-Scooter für die letzte Meile zu entwickeln, mit kleinen Abmaßen, am besten noch faltbar. Zusammen mit einem Kommilitonen habe ich diese Arbeit geschrieben und unsere Besonderheit war, dass das Hinterrad mitgelenkt wird. Das macht das Ganze sehr dynamisch und besonders kurvenagil. Die TH Köln ist auf uns aufmerksam geworden und hat vorgeschlagen, das Konzept zum Patent anzumelden und gemeinsam Fördergelder anzuwerben für die Verwertung dieser Idee. Dann ist das Projekt in dem Förderprogramm „Start-up-Hochschul-Ausgründungen NRW“ weitergelaufen. Als wissenschaftliche Mitarbeiter hatten wir an der Hochschule 18 Monate Zeit, das Fahrzeug zur Marktreife zu entwickeln und das Unternehmen zu gründen. 2019 sind wir in eine Produktionshalle in Kalk gezogen und seit Mitte 2020 gibt es unsere Scooter zu kaufen. Neben unserem Premiummodell mit Allrad-Lenkung gibt es auch eine etwas günstigere Variante ohne Allrad. Bis in den Juni 2021 hinein sind wir komplett ausverkauft.

Börsch: Warum benutzt ihr nicht die Standard-Akkus von Bosch, die fast alle zuhause haben und drückt den Preis?

Vreden: An die sind wir zu Beginn leider nicht dran gekommen. Und da hängen ja viele Komponenten dran: Motor, Controller, Batteriemanagementsystem. Mit unserem kleinen Budget mussten wir die verfügbaren Standardkomponenten nehmen und daraus etwas Gutes bauen. Das war die die Herausforderung.

Börsch: Das kann ich nachvollziehen. Wir hatten auch 28 Jahre lang noch den Compiler, der Quellcode in Maschinensprache übersetzt, mit dem ich angefangen hab. Mein Wunsch-Compiler kostete eine Viertelmillion, das war lange nicht drin.

Vreden: Wir überlegen jetzt: Wie kriegen wir ein besseres Produkt mit besseren Features als die Konkurrenz hin? Zum Beispiel mit Individualisierungen – der Kunde darf Farbe, Sattelfederung oder ähnliches wählen. Da springen die Leute drauf an. Der Knackpunkt ist, das Ganze umzusetzen.

Herr Börsch, war das Thema Gründung zu Ihrer Zeit in der Lehre verankert?  

Börsch: Das ist ja schon ein paar Jahre her, aber ich kann mich nicht an entsprechende Vorlesungen oder Module erinnern. Wir wurden eigentlich darauf getrimmt, irgendwo in Firmen anzufangen. Viele wollten KFZ-Sachverständiger werden. Aber Unterstützung seitens der Hochschule hat mir auch nicht gefehlt, als ich gegründet habe. Sie können nichts vermissen, wenn Sie nicht wissen, was Sie vermissen müssten.

Herr Vreden, wurde in Ihrem Studium die Option Gründung von Beginn an vermittelt?

Vreden: Auf jeden Fall. Es war von Anfang an klar, dass man nicht nur in ein großes Unternehmen gehen, sondern auch gründen kann. Es wurde auch auf die vielen Gründungwettbewerbe aufmerksam gemacht. In meinem Masterstudiengang Fahrzeugtechnik waren Module dabei, wo man eine eigene Idee im Team weiter ausarbeiten und pitchen musste.

Hätten Sie auch ohne Unterstützung der Hochschule gegründet?

Vreden: Ich würde mal sagen, es wäre unwahrscheinlicher gewesen. Denn die Hochschule hat schon einen großen Beitrag dazu geleistet, dass wir tatsächlich gegründet haben. Ohne diese Hilfe wäre es sicherlich langwieriger und schwieriger gewesen. Und vielleicht hätte ich an einer Idee, die in der Bachelorarbeit entstanden ist, nicht so beharrlich festgehalten. Wenn ich ohne die TH Köln Gründer geworden wäre, hätte das länger gedauert und es wäre steiniger gewesen.

Was muss man mitbringen, um als Studierender erfolgreich zu gründen?

Vreden: Ich denke, man muss bereit sein, mehr Zeit zu investieren als die anderen, man braucht einen langen Atem und muss an den gesetzten Zielen festhalten und diese möglichst konkret umsetzen. Man braucht aber auch die Fähigkeit, mutig in Sachen reinzugehen und nach Rückschlägen zu straucheln, aber wieder aufzustehen und weiterzumachen. Denn man Rückschläge gibt es immer wieder.

Würden Sie es Studierenden empfehlen, mit einer entsprechenden Idee selbst zu gründen?

Vreden: Wenn man sich bewusst ist über die Punkte, die wir gerade besprochen haben, und wenn man nicht schon im Beruf oder der Familie sehr eingespannt ist, dann sollte man das machen.

Börsch: Da kann ich mich nur anschließen. Jeder, der eine tolle Idee hat und auch die Luft, das Ding durchzuziehen, soll das machen.

Juni 2021

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