Mehr Transparenz bei Bildbearbeitung in Sozialen Medien

Prof. Dr. Amelie Duckwitz (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Perfekt aussehende Menschen mit makelloser Haut sind in Werbungen zur Normalität geworden. Die Liste der Möglichkeiten von Bildbearbeitungs-Apps und Filtern ist lang und wird auf Social Media ausgiebig genutzt. In Norwegen gibt es jetzt ein Gesetz, das Influencer*innen sowie Werbetreibende dazu verpflichtet, retuschierte Werbeinhalte zu kennzeichnen.

Prof. Dr. Amelie Duckwitz vom Institut für Informationswissenschaft spricht im Interview darüber, wohin eine solche Regelung führen kann.

Prof. Duckwitz, welche Auswirkungen hat das Gesetz auf Influencerinnen und Influencer?

Influencerinnen und Influencer bezeichnen sich selbst lieber als Content Creator. Das heißt, sie müssen durch die Pflicht zur Kennzeichnung von retuschierten Werbepostings ihrem selbstgesetzten Anspruch noch stärker gerecht werden und neue Mittel und Wege finden, sich selbst und die Produkte, für die sie werben, zu inszenieren. Bei ihren Inhalten handelt es sich sowieso schon um sogenannte „inszenierte Authentizität.“

Wird es möglicherweise einen Rückgang von retuschiertem Content geben, um das Kennzeichnen zu umgehen?

Viele werden, so wie das bei der Einführung der Kennzeichnungspflicht für Werbekooperationen der Fall war, auch diese Kennzeichnungspflicht rasch adaptieren und verwenden, so dass sie schnell zur neuen Normalität wird. Andere wiederum können es als eigene Stärke ausspielen, dass sie Filter und Bildbearbeitung eingesetzt haben. Creator, die solche Tools hingegen nie verwendet haben – die gibt es durchaus auch –, könnten dies mehr betonen. Eventuell rücken sogar Fotografietechniken des Vor-Photoshop-Zeitalters wieder in den Fokus.

Was bedeutet die neue Regelung für Unternehmen und die Werbebranche, die mit Influencer*innen-Marketing zahlreiche Produkte, insbesondere aus dem Beautybereich, vertreiben?

Diese werden, je nach Markenimage und Kampagne, unterschiedlich damit umgehen. Beauty-Shots sind heute schon hochgradig professionalisiert. Einige Marken setzen sowieso schon auf mehr Authentizität und Diversität, da kann ihnen die Kennzeichnungspflicht sogar entgegenkommen.

Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht?

Diese suggeriert, dass Nutzerinnen und Nutzer dem Einfluss der Influencerinnen und Influencer gewissermaßen ausgeliefert sind und die Inhalte unreflektiert hinnehmen. Aber das ist nicht der Fall, denn es findet ein reger Diskurs online wie offline statt, inwieweit die Bilder bearbeitet sind. Dabei gestehen Followerinnen und Follower den Content Creatorn durchaus zu, dass sie in ihrer beruflichen Rolle die Inhalte bearbeiten dürfen, da sie professionell Werbung betreiben. Personen, die Instagram, TikTok und Snapchat selbst nutzen, sind die zahlreichen Filter, die das eigene Antlitz – ich sag mal – „erstrahlen“ lassen, sehr wohl bekannt, und das macht schließlich auch den Reiz dieser Plattformen aus.

Kann das Gesetz in Norwegen etwas verändern, sodass andere Länder nachziehen, um inszenierte Schönheitsideale zu verringern?

Darüber wird in Deutschland sowie in anderen Ländern ohnehin schon diskutiert und es gibt entsprechende Gesetzesentwürfe. Man sollte aber beachten, dass es nicht nur um idealisierte Körperbilder geht, sondern auch um soziale Rollenbilder, die Influencerinnen und Influencer vorleben, beispielsweise die Konsumorientierung. Ein kritischer Diskurs und Gegenbewegungen bestehen hier ebenfalls. Regulierungen dieser Art können das Bewusstsein für den gesellschaftlichen Umgang mit den Plattformen verstärken. Insgesamt lässt sich jedoch beobachten, dass die medial und öffentlich gezeigte Vielfalt der Körperbilder durch die Partizipationsmöglichkeiten, die Soziale Medien bieten, auch ohne ein solches Gesetz bereits zugenommen hat.

Juli 2022

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