TH-Studenten testen 3D-Druckverfahren in der Schwerelosigkeit

Auf Parabelflügen im Programm Fly Your Thesis von ESA Education hat ein interdisziplinäres Team ein neues 3D-Druck-Verfahren getestet. Denn: 3D-Druck in Schwerelosigkeit ist bisher nicht möglich. Die Pulverteilchen wirbeln wie in einer Schneekugel durch den Raum. Felix Kuthe und Tolga Bastürk, zwei Studenten der TH Köln, haben das neue Verfahren mitentwickelt.

Nicht viele Menschen haben die Möglichkeit zu erleben, wie sich die Schwerelosigkeit anfühlt. Obwohl man dazu heute nicht mal mehr Astronaut sein muss. Und ins All fliegen muss man dafür eigentlich auch nicht. Für einen hohen vierstelligen Betrag kann Mann oder Frau sich den touristischen Spaß eines Parabelflugs gönnen – im Vergleich zum privaten Weltraumflug ein echtes Schnäppchen. Wer solche Summen nicht aufbringen kann oder will und zufällig Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler ist, hat aber die Chance, seine Forschungstests in der sogenannten Microgravity durchzuführen, d.h. bei einer Gravitation von 10 -6. Dazu bietet die Europäische Weltraumorganisation (ESA) in Zusammenarbeit mit der Firma Novespace Parabelflüge in einer modifizierten Airbusmaschine A310 Zero-G an.

Felix Kuthe und Tolga Bastürk, Masterstudenten der Mechatronik, hatten die Möglichkeit, an drei Parabelflügen teilzunehmen. „Das fühlt sich fast so an wie Tauchen. Nur fehlt der Widerstand, den man unter Wasser hat“, beschreibt Felix Kuthe seine Erfahrung. Auch musste er sich erst einmal an die Empfindung gewöhnen, seine Eingeweide seien irgendwie nicht mehr so recht am Platz – Schwerelosigkeit kann nämlich zu ähnlichen Symptomen führen wie Seekrankheit. „Oben und unten macht keinen Unterschied mehr. Dafür reicht ein kurzes Tippen mit einem Finger schon aus, um durch den Raum zu schweben“, meint Tolga Bastürk.

Auf die Dauer sei das aber auch anstrengend, denn anders als bei der konstanten Schwerelosigkeit im Weltraum muss der Körper sich immer wieder aufs Neue den Gravitationskräften stellen. Denn bei Parabelflügen beschreibt das Flugzeug eine zur Erdoberfläche geöffnete Wurfparabel. Rauf, runter, rauf, insgesamt 31 Parabelphasen pro Flug. „Wenn das Flugzeug in den Sinkflug geht, sackt das Blut regelrecht in die untere Körperhälfte. Am besten ist es dann, sich hinzulegen“, sagt Kuthe.

Viel Zeit zum „In-sich-hinein-Horchen“ bleibt auf den Flügen aber nicht, die je nach Wetterlage über dem Atlantik oder Mittelmeer geflogen werden. Die Stunden werden eigentlich komplett von den Tests vereinnahmt. Kuthe und Bastürk waren Teil eines von zwei Teams im Programm Fly Your Thesis von ESA Education. Es richtet sich an DoktorandInnen und Masterstudierende, die sich mit ihrem Forschungsthema jährlich für eine Teilnahme an der Parabelflug-Kampagne bewerben können. Die beiden Ingenieure testeten zusammen mit den Doktorandinnen Olfa Lopez und Merve Seçkin-Kryger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein Verfahren für das dreidimensionale Drucken in der Schwerelosigkeit.

3D-Druck im All auf Basis von Granulat ist bisher noch nicht möglich. „Pulver verhält sich in der Schwerelosigkeit sehr ungewöhnlich, da sein Verhalten sehr stark von der Gravitation beeinflusst wird. Grundsätzlich mangelt es noch an einer fundamentalen Beschreibung für das Fließen von Granulat“, sagt Kuthe. Und die Hauptschwierigkeit beim Drucken besteht darin, das Pulver exakt an die Stelle zu bekommen, an die es soll. In der Theorie hat Olfa Lopez eine neue Methode entwickelt, die sich verfahrenstechnisch am selektiven Lasersintern orientiert, in ihrer Umsetzung jedoch einen neuwertigen Ansatz darstellt. Dazu fragte die Materialwissenschaftlerin Kuthe und Bastürk an, die zusammen mit ihr und Seçkin-Kryger zwei baugleiche Drucker-Prototypen entwickelt und aufgebaut haben. Gemeinsam mit der Soziologiestudentin Abeba Birhane (University of Dublin) bildeten die fünf das Team Grain Power 3D Printing. Gecoacht wurden sie dabei auf Seiten der TH Köln von Prof. Dr. Mohieddine Jelali.

Zwei Wochen dauerte das Experiment in Bordeaux: Eine Woche Vorbereitung, in der Folgewoche fanden an drei Tagen die Parabelflüge statt. „Wir mussten in der ersten Woche viele Sicherheitstests durchlaufen und mit den Ingenieuren verschiedene Checklisten zur Mechanik und Elektronik abarbeiten“, sagt Bastürk. Damit die Voraussetzungen für alle Experimente gewährleistet sind, beschäftigt Novespace alleine für diesen Bereich bis zu zwölf Ingenieure. Denn neben den beiden Teams des Fly Your Thesis-Programms saßen noch bis zu 40 weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa an Bord, die eigene Tests durchführten.

„Nach den Flügen gab es immer eine gemeinsame Nachbesprechung. Das war sehr interessant und auch entlastend, weil selbst erfahrene Wissenschaftler auf den Flügen mit ihren Tests zu kämpfen hatten und nicht immer alles so klappte, wie gewünscht“, so Kuthe. Im Team Grain Power 3D Printing verlief eigentlich alles wie geplant. Mit fünf kleinen, keksartigen Druckwerken und jeder Menge Datenmaterial im Gepäck, das jetzt ausgewertet werden muss, sind die beiden Studenten wieder zurück in Köln und noch sichtlich beeindruckt. Von den persönlichen Erlebnissen und dem enormen Aufwand, den die ESA für die Parabelflüge betreibt.

Februar 2020

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