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Simone Joseph - Ausgezeichnet! im Sommersemester 2019

Dr. Claudia Roller und Simone Joseph (Bild: Heike Fischer)

Die in der Reihe „Ausgezeichnet!“ gewürdigte Arbeit von Simone Joseph (re.) behandelt ein zentrales und „klassisches“ immer während hoch aktuelles Thema der Sozialen Arbeit, nämlich das der Bewältigung von Wohnungslosigkeit. Durch die Auswirkungen der andauernden negativen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt erfährt das Thema gegenwärtig stärkere publizistische und politische Aufmerksamkeit.

Vorwort zur Veröffentlichung in der Reihe „Ausgezeichnet!“ von Dr. Claudia Roller

Titel: „In einer eigenen Wohnung könnte ich sein wer ich bin“- zur Relevanz der Umsetzung des Rechts auf Wohnen- von Simone Joseph

Die in der Reihe „Ausgezeichnet!“ gewürdigte Arbeit von Simone Joseph behandelt ein zentrales und „klassisches“ immer während hoch aktuelles Thema der Sozialen Arbeit, nämlich das der Bewältigung von Wohnungslosigkeit. Durch die Auswirkungen der andauernden negativen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt erfährt das Thema gegenwärtig stärkere publizistische und politische Aufmerksamkeit. Dabei – und darin kann ein Ausgangspunkt der Arbeit gesehen werden – ist der Blick auf die Problemlage jedoch verzerrt: Zum einen wird auf der strukturellen Ebene der urbane Wohnungsmangel thematisiert, der in erster Linie als Mittelschichtsproblem erscheint, zum anderen wird die Problematik medial in der Regel individualisiert und gerne in assoziative Nähe zu illegaler Zuwanderung und delinquentem Verhalten im öffentlichen Raum gebracht.

Die vorliegende Arbeit ist dagegen eine sehr gelungene und interessante Auseinandersetzung mit der sozialen Problemlage „Wohnungslosigkeit“ im Kontext von gesellschaftlichen und strukturellen Bedingungen vor dem Hintergrund ökonomischer Interessensverfolgung der beteiligten Akteure (Wirtschaftsunternehmen, Verwaltung, Politik, Gemeinwesen). Zentral ist dabei die Bezugnahme auf die normativen professionsethischen Prinzipien von Partizipation und Autonomie, die die Verfasserin als gefährdet oder gar verletzt sieht, woraus sich ein Mandat für die Soziale Arbeit ergibt.

In diesem Zusammenhang diskutiert Simone Joseph das zunächst in den USA entwickelte Konzept des „Housing First“[1], das – anders als das gängige „Stufenmodell“ der Entwicklung von „Wohnfähigkeit“ – das „Recht auf Wohnen“ umsetzen will und die Bedeutung einer „Wohnung“ (nicht nur einer „Unterkunft“) für essentiell für ein selbstbestimmtes Leben hält. An dieser Stelle sind Disziplin und Profession Sozialer Arbeit für die Umsetzung und Gewährleistung dieses Grundrechts gefordert. Dass das Konzept an einigen Stellen nicht unproblematisch ist und die Hilfesysteme vor Herausforderungen stellt, wird dabei nicht übersehen, besonderes Gewicht erfahren dabei die begründeten Einwände der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, die freilich konstruktiv und lösungsorientiert diskutiert werden.

Die besonderen Stärken der Arbeit finden sich in drei thematischen Schwerpunkten:

1.         Der professionsethische Aspekt, der die gesamte Arbeit trägt und durchzieht und vor dem Hintergrund eines Verständnisses Sozialer Arbeit als „Menschenrechtsprofession“ (Staub-Bernasconi) die normative Basis für das Erfordernis und die Legitimation für sozialarbeiterisches, in die Politik hineinwirkendes, Handeln darstellt. Von hier aus erweist sich das „Recht auf Wohnen“ als menschenrechtsrelevant.

2.         In großer Ausführlichkeit und Differenziertheit werden sowohl die sozialstrukturellen Aspekte von Wohnungslosigkeit und das aktuelle System der Wohnungslosenhilfe als auch die individuellen Bedingungen für Ursachen und Bewältigung von Wohnungslosigkeit analysiert und diskutiert. Dabei gelingt es der Autorin hervorragend die sozioökonomischen und psychosozialen Bedingungen und Auswirkungen von Wohnungslosigkeit mit den teils widersprüchlichen Bearbeitungsstrategien der Sozialen Arbeit (z.B. Individualisierung der Problemlage) kontrastreich in Beziehung zu bringen und Wirkungszusammenhänge nach zu vollziehen. In Analyse und Konzeption werden dabei intersektionelle Perspektiven (Gender, Alter, Lebenslage) untersucht und berücksichtigt.

3.         Exemplarisch wird das Konzept „Housing First“ vorgestellt, professionsethisch eingeordnet, evaluiert und kritisch diskutiert. Dabei werden auch die unterschiedlichen sozialpolitischen Rahmungen der Wohnungslosenhilfe in den USA und Deutschland differenziert berücksichtigt.

Auf der Grundlage ihrer klugen Analyse entwickelt Simone Joseph konzeptionelle Handlungsoptionen für ressourcenorientierte, an der Autonomie der Adressat*innen anknüpfende Unterstützungsformen der Sozialen Arbeit.

Es handelt sich um eine Arbeit, die Herausforderungen und Perspektiven Sozialer Arbeit als Disziplin und Profession für ein klassisches und zentrales Arbeitsfeld sehr kenntnisreich, mit großer Differenziertheit und auf sehr hohem begrifflichem und argumentativem Niveau diskutiert und insofern einen wichtigen Beitrag zu einer aktuellen Positionsbestimmung Sozialer Arbeit leistet. Auch wird die Vermittlung grundlegender theoretischer Bestimmungen mit anwendungsbezogenen Handlungsoptionen in vorbildlicher Weise geleistet. Ich wünsche der Arbeit, das sie von vielen Menschen gelesen wird und Beachtung in der Profession und Disziplin der Sozialen Arbeit erhält.

[1] Tsemberis, Sam; (2010): Housing First. The Pathways Model to End Homelessness for people with Mental Illness and Addiction. Hazelden.

August 2019

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