Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften (WI)

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Roboter in Roben? Symposium zu Künstlicher Intelligenz in der Justiz

Welche Rolle kann und darf Künstliche Intelligenz (KI) künftig in der Strafverfolgung spielen? Dieser Frage gehen Vertreter aus Justiz, Politik und Wissenschaft beim Symposium „Künstliche Intelligenz in der Justiz – Impulse aus Nordrhein-Westfalen“ am 2. Mai 2022 nach. Die Veranstaltung wird vom Ministerium der Justiz des Landes NRW und der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht organisiert.

An der Podiumsdiskussion nehmen NRW-Justizminister Peter Biesenbach, Markus Hartmann (Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Köln und Leiter der Zentralstelle Cybercrime in NRW), Dr. Bernd Scheiff (Präsident des Oberlandesgerichts Köln), Axel Voss (Europaabgeordneter) und Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln) teil. Zudem wird es mehrere Impulsvorträge zum Thema geben. Einen Einblick in die Diskussion geben Markus Hartmann und Prof. Dr. Rolf Schwartmann vorab im Interview.

Werden Algorithmen in Zukunft über Recht und Unrecht entscheiden?

Foto von Prof. Dr. Rolf Schwartmann Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Bild: privat)

Schwartmann: Den ,Roboter-Richter‘ darf es nicht geben. Eine leistungsfähige Strafjustiz wird aber zukünftig ohne Künstliche Intelligenz nicht auskommen. Deren Einsatz zu ermöglichen und gleichwohl ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren zu gewährleisten, ist eine Herausforderung. Die Justiz muss sich in Forschung und Entwicklung von KI einbringen, damit aus der Blackbox ein erklärbares und spezifisch justiziell gestaltetes Instrument wird. Die Staatsanwältin, die ihre Anklage auf KI-ermittelte Beweise stützt, muss deren Genese dem Gericht und der Verteidigung erläutern können. Das wird nur gelingen, wenn bereits die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz unter Mitwirkung der Justizbehörden erfolgt. Nicht zuletzt muss sich die Justiz enger mit Wissenschaft und Wirtschaft vernetzen, um das erforderliche Wissen aufzubauen und ihrerseits den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Prozess beeinflussen zu können.

Wo kommt Künstliche Intelligenz in der Justiz bislang zum Einsatz? Wo liegen mögliche künftige Einsatzgebiete?

Foto von Markus Hartmann Oberstaatsanwalt Markus Hartmann (Bild: Andreas Brück/ZAC NRW)

Hartmann: Eine Künstliche Intelligenz kann bereits heute schnell und mit sehr hoher Treffsicherheit große Mengen von Bild- und Videodateien daraufhin klassifizieren, ob die Inhalte strafbare Kinder- oder Jugendpornografie darstellen oder harmlose Urlaubsszenen zeigen. Auch künstliches Text- und Sprachverständnis sind für die Ermittlungsbehörden von großer Bedeutung. Eine KI mit Textverständnis kann aus geschriebenem Text – wie der Kommunikation von Beschuldigten via Messengerdienste – die für ein Ermittlungsverfahren relevanten Details automatisiert extrahieren. Eine KI mit Sprachverständnis kann Aufzeichnungen von Vernehmungen selbständig verschriftlichen. Viele dieser Anwendungsfälle sind noch in einem qualifizierten Forschungs- oder frühen Anwendungsstand. Ihr Potential, Ermittlungsverfahren schneller, effektiver und zielgerichteter führen zu können, wird aber bereits heute deutlich.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen benötigt es?

Schwartmann: Es bedarf eines risikoabhängigen Schutzes und spezifischer Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Algorithmen, damit der Mensch nicht zum Objekt der Maschine wird. Aktuell wird auf EU-Ebene eine KI-Verordnung auf Basis eines Entwurfs von 2021 entwickelt. Auf Grundlage der DSGVO, also der Datenschutz-Grundverordnung, sollen spezielle Regeln für besonders riskante Anwendungen Künstlicher Intelligenz geschaffen werden. Gleichzeitig soll weiterhin genug rechtlicher Spielraum bestehen für die technische Entwicklung notwendiger und sinnvoller KI-Anwendungen, ohne die Europa in der Digitalisierung auch wirtschaftlich nicht bestehen kann. Wegen des besonderen Risikopotenzials algorithmendeterminierter Entscheidungen ohne menschliches Zutun verlangt die Datenethikkommission eine Nachbesserung des europäischen Rechts. Es ist schließlich ein Unterschied, ob per Algorithmus ein schlechter Versicherungsvertrag vorgeschlagen wird oder ob man von einem ,Roboprosecutor‘ vor Gericht gestellt wird.

Welche Vor- und Nachteile hat KI in der Justiz?

Hartmann: Der Vorteil für die Strafverfolgung liegt darin, die exponentiell wachsenden Datenmengen in Ermittlungsverfahren auswerten zu können. Selbst in einfach gelagerten Fällen der Verbreitung von Kindesmissbrauchsdarstellungen werden terabyteweise Daten sichergestellt, die vollumfänglich und zeitnah auszuwerten sind. Das Kernproblem der Strafverfolgerinnen und -verfolger ist nicht, über zu wenige Daten zu verfügen, sondern die vorhandenen Beweismittel zielgerichtet und schnell erschließen zu können. Dies wird ohne den Einsatz Künstlicher Intelligenz kaum gelingen. Gleichzeitig darf dieser Prozess aber weder die Beschuldigten- noch die Verteidigerrechte unterlaufen und muss ein faires Verfahren begründen. Eine KI-Blackbox oder den ,Roboprosecutor‘ halte ich nicht für erstrebenswert.

Weitere Informationen

Das Symposium „Künstliche Intelligenz in der Justiz – Impulse aus Nordrhein-Westfalen“ findet am 2. Mai 2022 von 11 bis 14.30 Uhr im Hörsaal 114, Claudiusstraße 1, am Campus Südstadt statt. Eine Anmeldung für eine Teilnahme vor Ort noch bis zum 26. April 2022 möglich. Für eine digitale Teilnahme können sich Interessierte bis zum 27. April 2022 registrieren.

April 2022

Prof. Dr. Rolf Schwartmann

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