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Dr. Birgit Szczyrba

Dr. Birgit Szczyrba

Zentrum für Lehrentwicklung

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PHARMEVOLUTION – Wie forscht die pharmazeutische Industrie?

PE (Bild: TH Köln)

PHARMEVOLUTION ist ein Planspiel zur simulierten Entwicklung eines Arzneimittels. Es handelt sich um ein benotetes, curriculares Pflichtmodul („Projektpraktikum“, 6CP) im 5. Semester des Bachelorstudiengangs Pharmazeutische Chemie. Die Entwicklung des Konzepts erfolgte 2014 und es wurde erstmalig im Wintersemester 2014/2015 (B-Block, 8 Wochen) mit 46 Studierenden durchgeführt.

Die Ausgangsfrage der Lehrenden im Bachelorstudiengang Pharmazeutischen Chemie lautete:
„Wie verknüpfen wir unsere Fachgebiete und gestalten miteinander ein interdisziplinäres Lehrprojekt mit fester Verankerung im Curriculum. Wie erreichen wir hiermit das Ziel, den Studierenden konkret erlebbare und gestaltbare Antworten auf die Frage zu geben: Wie forscht die pharmazeutische Industrie?“

Am Anfang stand die Idee, den kompletten Forschungs- und Entwicklungszyklus eines Arzneimittels für Studierende greifbar und erlebbar zu machen. Der Weg dorthin führte 6 Lehrende, einen Hochschuldidaktiker sowie einen Tutor in 9 Monaten über 10 Teammeetings, 7 Bewertungshorizonte, 3 Prüfungsstufen und ein Learning Outcome zu einem gemeinsamen Fazit: Das hat sich gelohnt - nicht nur für die Studierenden!

Wie gestaltete sich das weitere Vorgehen?

+Learning Outcome

Zu Beginn wurde das Learning Outcome entwickelt. Es vermittelt kurz und knapp das „Wer tut was womit wozu“ [1] des Projekts: „Die Studierenden simulieren theoriegeleitet die Entwicklungsstufen eines Arzneimittels und deren Interdependenz in einem Wettbewerbsumfeld – vom Wirkstoff bis zur Marktreife – und wenden hierzu erworbenes Wissen in den Bereichen Pharmazeutische Chemie und Analytik, Bio-Pharmazeutische Chemie, Pharmazeutische Technologie und Pharmamanagement an.“ Insbesondere Interdependenzen im Prozess, wie in der pharmazeutischen Industrie alltäglich, sollen für die Studierenden erfahrbar sein - ein zentraler Aspekt des Learning Outcome.

+Setting

Die Studierenden simulieren den Prozess der Arzneimittelforschung und -entwicklung. Hierzu entwickelten die Lehrenden der einzelnen Schwerpunktbereiche (Pharmazeutische Chemie und Analytik, Bio-Pharmazeutische Chemie, Pharmazeutische Technologie, Pharmamanagement) einen gemeinsamen Rahmen und aufeinander aufbauende/voneinander abhängige Aufgabenstellungen. Insgesamt bilden diese den gesamten Forschungs- und Entwicklungszyklus eines Arzneimittels ab – mit zeitverkürzenden Simulationselementen: Zwei konkurrierende Pharma-Spin-Off-Unternehmen (in 2 Gruppen randomisierte Studierende, jeweils 4 Ressorts gemäß der Schwerpunktbereiche) konkurrieren unter Aufsicht des Mutterkonzerns (Geschäftsführung>Lehrende) hinsichtlich eines Forschungskonzepts für ein neues Arzneimittel.

+Prüfungsformen

Die Prüfungsleistungen wurden in 3 Stufen aufgeteilt (jeweils 1/3 der Gesamtnote):
Stufe 1: Bearbeitung einer schwerpunktspezifischen Arbeitsanforderung, Gruppennote pro Ressort (5 bzw. 4 Einzelnoten pro Tochterunternehmen)
Stufe 2: Anfertigen einer Dokumentation, die den durchlaufenen Prozess in vollem Umfang darstellt, Gruppennote für die aus jeweils 5 bzw. 4 Ressorts bestehenden 2 Tochterunternehmen
Stufe 3: Abschlusspräsentation, die den durchlaufenen Prozess und die Finalisierung des Konzepts darlegt, Gruppennote für die aus 2 Tochterunternehmen fusionierte Gesamtgruppe
Alle Lehrenden entwickelten eigene Bewertungshorizonte für Stufe 1. Für Stufe 2 und 3 wurden diese gemeinsam erstellt. Dieser, insbesondere durch das Kompetenzteam unterstützte Prozess, folgte der Literatur zu Kompetenzorientierung/Niveaustufen nach Oliver Reis [1, 2]. Bei der Erstdurchführung des Projekts wurden die Prüfungsleistungen, insbesondere Abschlusspräsentation und -dokumentation, fundiert und kreativ erfüllt. Werbevideos wurden präsentiert, zur Dokumentation wählte eine Firma einen mit Bildern und Filmen begleiteten Podcast, die andere eine Prezi-Datei mit Bild und Ton.

+Spielverlauf

Die aus jeweils 5 Ressorts (im ersten Spielverlauf auf 4 angepasst) bestehenden Tochterunternehmen treten in direkte Konkurrenz miteinander. Das Einspielen von Aufgaben erfolgt in einem hierfür eingerichteten Postfach auf der Lernplattform ILIAS. PHARMEVOLUTION erreicht mithilfe der Lernplattform ein hohes Maß an Selbstorganisation. Ein Großteil der Projektkommunikation erfolgt hier, dies wurde bei der ersten Durchführung sehr gut angenommen. Konkret designten sich die Studierenden das System nach ihren Bedürfnissen, legten Blogs mit täglichen Statusberichten der Ressorts an, entwickelten ein Ticket-System für neue Arbeitsaufträge etc. Auch die Lehrenden nutzten die „kreative Freiheit“ des Settings mit einfallsreichen Aufgabenstellungen.
Diese Aufgaben müssen im Spielverlauf selbstständig organisiert bearbeitet werden, häufig ressort-spezifisch im Labor oder am Schreibtisch. Ein wöchentlich von den Lehrenden geforderter und durch den Spielleiter (Tutor) verkündeter Key Performance Indicator (KPI) liefert Feedback und Verbesserungshinweise. Input für den KPI holen sich die Lehrenden z.B. bei regelmäßigen Ressortmeetings. Nach 6 von insgesamt 8 Spielwochen erfolgt eine Fusion. Entschieden wird in einem Treffen der Lehrenden u.a. auf Basis des KPI. Das diesbezüglich bessere Tochterunternehmen kann nun mithilfe der gebündelten Ressourcen das Arzneimittel zu Ende entwickeln.

+Didaktisches Fazit der Lehrenden

PHARMEVOLUTION vermittelt in besonderem Maße „Kernkompetenzen für [die spätere] Berufsfähigkeit“ [3] in forschenden Pharmaunternehmen. Durch die kreative und offene Aufsetzung des Projekts entsteht von vornherein ein inspirierendes didaktisch-kreatives Umfeld [3, 4] – Studierende trauen sich, selbst kreativ zu sein (und waren dies in der Erstdurchführung wirklich!). Sehr wichtig ist die Interdisziplinarität des Projekts. Durch die Zusammenarbeit des kompletten Kollegiums vermittelt PHARMEVOLUTION Inhalte jenseits traditioneller Fachsystematik und über Disziplingrenzen hinweg [3]. Es gilt den fachspezifischen Forschungszyklus unter Integration aller Ressorts / Fachdisziplinen zu durchlaufen und somit auch „…soziale[s] Lernen zur Entwicklung sozialer Kompetenzen…“ [3] zu ermöglichen. Selbstständige Teamarbeit und Interdependenzen als Lernziel vermitteln den Wert von Diversität und Interdisziplinarität. Das beschrieben Design von PHARMEVOLUTION strebt „deep level learning“ [3] an: Studierende sollen auf der Kompetenzstufe der Praxisforschung theoretisch begründen, praktisch / simuliert durchführen und reflektieren [4].
Zusammenfassend ist PHARMEVOLUTION sozial innovativ, problemlöseorientiert und basiert auf einer Kultur des Ermöglichens: Über Fachgrenzen und eigene Lehrvorstellungen hinweg ein interdisziplinäres und in sich schlüssiges Lehrkonzept zu kreieren erforderte vielseitige Offenheit. Unser Kollegium ist daran gewachsen, menschlich und fachlich-interdisziplinär!

Weitere Schritte

Die didaktische Diskussion und Verbreitung in hochschuldidaktischen Publikationen zum Projekt ist in Planung. PHARMEVOLUTION hat bereits jetzt einen fakultätsinternen Strahleffekt: Das Projekt trägt maßgeblich zur Profilbildung und Weiterentwicklung des Studiengangs bei, wird bei Kooperationsgesprächen mit Unternehmen vorgestellt und von Studierenden in externen Praktika weitergetragen – mit erfreulich guter Resonanz. Zum guten Schluss ist somit bereits der Weg vom Forschenden Lernen hin zum „Scholarship of Teaching and Learning“ – im Sinne einer forschenden Auseinandersetzung mit der eigenen Lehre – geebnet [5]!

+Literatur

1 Reis O. Kompetenzorientierte Prüfungen: Prüfungstheorie und Prüfungspraxis. WissHom-Jahreskongress, ICE 13, Köthen (Anhalt); 2013

2 Reis O. Sinn und Umsetzung der Kompetenzorientierung – Lehre ‚von hinten‘ denken. In: Becker P, Hrsg. Studienreform in der Theologie. Eine Bestandsaufnahme. Münster: Theologie und Hoch-schuldidaktik; 2011: 98–117

3 Huber L. Forschendes Lernen: Begriff, Begründungen und Herausforderungen | Lehre laden. Im Internet: dbs-lin.rub.de/lehreladen/lehrformate-methoden/forschendes-lernen/begriff-begruendungen-und-herausforderungen/; Stand: 07.04.2015

4 Schneider R. Kompetenzentwicklung durch Forschendes Lernen? In: . TU Dortmund (Hg.) 2009 – forschendes lernen: Perspektiven eines Konzepts. Themenheft journal hochschuldidaktik, 20. Jg. Nr.2: 33–37

5 Huber L, Pilniok A, Sethe R, Szczyrba B, Vogel M, Hrsg. Forschendes Lehren im eigenen Fach: Scho-larship of Teaching and Learning in Beispielen. 1 Aufl. Bielefeld: Bertelsmann; 2014

September 2017

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