Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin inside out #60 (2022)

Kurz erklärt: Über KI, maschinelles Lernen und Deep Learning

Künstliche Intelligenz ist eines der beherrschenden Themen, wenn es um die Weiterentwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft geht. Doch welche Ansätze verbergen sich hinter diesem Begriff? Über kluge Maschinen und die Frage, wann eine Superintelligenz die Menschen beherrschen wird.

„Künstliche Intelligenz ist ein sehr weites Feld. Um es etwas zu sortieren, eignet sich zunächst die Unterscheidung zwischen schwacher und starker KI“, erläutert Prof. Dr. Eike Permin, Professor für Digitale Produktion an der Fakultät für Informatik und Ingenieurwissenschaften. „Schwache KI bezeichnet Systeme, die in einem Teilgebiet hervorragend Aufgaben lösen – etwa Bilderkennung, Straßennavigation oder die Robotik. Sie können diese Fähigkeiten aber nur mit viel Aufwand auf andere Gebiete übertragen.“ Starke KI hingegen sei das, was man als eigentlich intelligent bezeichnen möchte: Ein Computer, der selbstständig lernt, das Gelernte auf andere Felder überträgt und dem Menschen in puncto Entscheidungsfindung und Prognose in vielerlei Hinsicht überlegen ist. „Solche Systeme sind aber zum jetzigen Zeitpunkt reine Science-Fiction und nicht mal ansatzweise absehbar“, so Permin.

Wenn Maschinen lernen

Ein Teilbereich der Künstlichen Intelligenz ist das sogenannte Maschinelle Lernen. Ihm liegt die in den 1980er Jahren entwickelte Idee zugrunde, dass Computer ähnlich wie Menschen durch Erfahrung lernen können. Dazu wird ein Algorithmus mit sehr großen Mengen an Daten gefüttert, um daraus selbstständig Schlüsse zu ziehen. Maschinelles Lernen ist die Art der KI, die die breiteste Anwendung findet und in einer Vielzahl von Produkten integriert ist. Aber wie funktioniert dieses Lernen? Stellen wir uns vor, wir möchten eine Künstliche Intelligenz aufbauen, die möglichst gut Bilder von Katzen erkennt.

Eine Möglichkeit ist es, dem System eine Vielzahl von Tierbildern zur Verfügung zu stellen mit dem Hinweis: „Das ist eine Katze.“, „Das ist ein Pferd.“ usw. Der Algorithmus entwickelt in dieser Form des Überwachten Lernens (supervised learning) eine Funktion, die die Eigenschaften der verschiedenen Tiere aus den Trainingsdaten extrahiert, und verfeinert diese mit jedem weiteren Bild. Anschließend kann diese Funktion verwendet werden, um bei jedem beliebigen Tierbild mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit festzustellen, ob es sich um eine Katze, ein Pferd oder eine Maus handelt. In der Praxis findet diese Technik überall dort Anwendung, wo Vorhersagen getroffen werden müssen, etwa für die Wahrscheinlichkeit eines Maschinenausfalls.

Porträt  Eike Permin Prof. Dr. Eike Permin (Bild: privat)

Der Fortschrittsglaube hat sich in der Historie oft als viel stärker erwiesen als der tatsächliche technische Fortschritt.”

Prof. Dr. Eike Permin hat eine Stiftungsprofessur für Digitale Produktion an der Fakultät für Informatik und Ingenieurwissenschaften


Eine andere Option ist es, dem System Bilder von beliebigen Tieren zur Verfügung zu stellen. Mittels des Unüberwachten Lernens (unsupervised learning) erkennt der Algorithmus dann innerhalb der Testdaten Muster und teilt die Daten in Cluster oder Kategorien ein. Ein so trainiertes System sortiert später aus einer beliebig großen Menge Fotos diejenigen heraus, die katzenartige Züge aufweisen und sich somit von Hunden oder Pferden stark unterscheiden. Diese Methode kommt insbesondere dort zum Einsatz, wo komplexe Zustände mit vielen Variablen erst einmal kategorisiert und dann bewertet werden müssen. In der Produktion zum Beispiel bei der Frage, ob eine Lieferkette normal funktioniert oder es gravierende Abweichungen gibt.

Eine weitere Möglichkeit ist das Verstärkende Lernen (Reinforcement Learning). Das „Agent“ genannte Programm soll dabei selbstständig eine Strategie entwickeln, um Katzenbilder zu erkennen. Dabei agiert das Programm eigenständig mit den zur Verfügung gestellten Bilddaten. Für Aktionen, die es näher an das Ziel bringen, erhält es eine Belohnung, die einen mathematischen Wert erhöht, oder eine Bestrafung, die diesen Wert verringert. Schlägt der Algorithmus also ein Foto mit einem Blumentopf vor, erhält er einen Minuspunkt. Nach einer Anpassung der Suchstrategie wird ein Bild mit einem Luchs vorgeschlagen. Dafür gibt es einen halben Punkt, weil die „Richtung“ mit Ohren und Schnurrhaaren stimmt. Schlägt der Algorithmus ein Katzenbild vor, gibt es einen vollen Punkt. Wird dieser Prozess lange genug betrieben, erkennt das System schließlich zuverlässig Katzen. Reinforcement Learning kann dort zum Einsatz kommen, wo es wenig Daten zum Lernen, aber einen großen Raum an Möglichkeiten gibt, etwa bei der Produktionsablaufplanung.

Und was ist Deep Learning?

Deep Learning beschreibt einen Teilbereich des Maschinellen Lernens, der sich in den letzten zehn Jahren herausgebildet hat. Ihm liegt der Versuch zugrunde, die Struktur des menschlichen Gehirns in einem mehrschichtigen künstlichen neuronalen Netz nachzubilden. Auch hierbei handelt es sich um Computerprogramme, die auf eine bestimmte Art und Weise aufgebaut sind. Am Anfang stehen die sogenannten Input-Neuronen: mathematische Werte, die die Grundlage der folgenden Berechnungen bilden. So könnte etwa der Farbwert eines jeden Pixels des Katzenbildes eingespeist werden. Am Ende stehen die Output-Neuronen. In unserem Beispiel etwa die Klassifizierung des Bildes nach der abgebildeten Tierart. Ein auf diese Weise fertig trainiertes Programm trifft dann Aussagen darüber, mit wie hoher Wahrscheinlichkeit es sich um Katze, Hund, Elefant oder Maus handelt.

Zwischen Input und Output befinden sich weitere Schichten an Neuronen; je aufwändiger die Analyse, umso mehr Schichten werden verwendet. Jede Schicht ist dabei in der Lage, immer abstraktere Konzepte zu erfassen. Die erste Schicht ermittelt etwa aus den Farbwerten der Bildpunkte, wo sich in der Fotografie Kurven oder Geraden befinden. Die nächste Schicht erfasst zusammenhängende Strukturen, die darauffolgende identifiziert diese als Ohren oder Beine. Auch in diesem System trainieren die Algorithmen – ähnlich wie beim Supervised Learning – mit einer großen Menge Daten. Die Komplexität des verwendeten neuronalen Netzes und das aufwändigere Training ermöglichen aber Aussagen mit einer deutlich besseren Vorhersagekraft.

Wird die Künstliche Intelligenz übermächtig?

Ob Skynet aus Terminator, HAL 9000 aus 2001 oder VIKI aus I, Robot – die Filmgeschichte wimmelt von bösartiger KI, die die Menschheit unterjochen möchte. Wenn reale Künstliche Intelligenz immer besser Probleme löst: Wie realistisch ist die Vision eines Computers, der dem Menschen intellektuell überlegen ist und zudem Zugriff auf den gesamten Datenbestand des Internets hat? „Seit sich die Wissenschaft mit KI befasst, bestehen Diskussionen über diese sogenannte Superintelligenz. Nick Bostrom beschreibt in seinem Buch Superintelligence, dass es bei den ersten Konferenzen in den 50ern hieß: ‚In zehn Jahren gibt es das.‘ Das Gleiche wurde in den 60ern und 70ern behauptet. Aber auch heute noch sind wir meilenweit davon entfernt, wirklich autonome Systeme zu haben“, sagt Permin.

Selbst das exponentielle Wachstum der Rechen- und Speicherkapazitäten ändere daran nichts. „1997 hat der IBM-Schachcomputer Deep Blue den amtierenden Weltmeister Garri Kasparov mit 5:1 besiegt. Das System war sehr leistungsstark und konnte 200 bis 300 Millionen Schachzüge pro Sekunde durchführen. 2003 spielte Kasparov dann gegen Deep Junior – die aufgebohrte Version eines normalen PC-Programms mit gerade einmal drei Millionen Zügen pro Sekunde: Nach sechs Partien stand es unentschieden. Zehnmal schwächer als Deep Blue, aber immer noch zu gut für den damals besten Spieler der Welt“, so Permin.

Dies zeige, dass nicht nur die Rechenleistung, sondern auch die Güte der Algorithmen der entscheidende Faktor für die Leistungsfähigkeit einer KI sei. Und da die Verbesserung dieser Algorithmen sehr aufwändig sei, entwickelten sich auch die Künstlichen Intelligenzen zwar stetig, aber langsam voran. „Der Fortschrittsglaube hat sich in der Historie oft als viel stärker erwiesen als der tatsächliche technische Fortschritt. Insofern bin ich bei der Gefahr einer übermächtigen Künstlichen Intelligenz ganz entspannt“, so Permin.

August 2022

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin inside out #60 (2022)


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