Engagement für Inklusion professionalisieren

Im Gespräch mit Prozessplanerin Isabel Löchte  (Bild: Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung TH Köln)

Wir haben die ZDF-Redakteurin Isabel Löchte zum Interview getroffen. Sie berichtete uns von privaten Projekten, von einer Gesellschaftsverantwortung und davon, welchen Einfluss die Weiterbildung zur Prozessplanerin Inklusion auf ihren Berufsalltag hatte.


Welchen Stellenwert hat Inklusion in Ihrem Berufsalltag beim ZDF?
Inklusion ist für mich ein Gesellschaftsthema und als ein solches eine Aufgabe des Journalismus. Insofern konfrontiert mich das Thema Inklusion häufig in Meldungen, Berichten und Projekten. Viele Meldungen – vor allem politischer Art – sind dabei kritisch und negativ konnotiert. Es ist eben ein Diskussionsthema, zu dem teils auch emotional diskutiert wird. Positive Meldungen handeln meistens von persönlichen Einzelbeispielen. So gibt es immer wieder Menschen, die inklusiv etwas bewegen wollen und auch erreichen.

„Jeder, der eine inklusive Aufgabe innehat, sollte diese Weiterbildung besuchen!“

Aktuell berate ich eine Einrichtung der Jugendhilfe in Wiesbaden. Das mache ich ehrenamtlich in meiner Freizeit. Ebenso, wie ich in einem Arbeitskreis zum Thema Inklusion an einer Schule mitarbeite.
Dort besteht die Möglichkeit – wenn nicht sogar Notwendigkeit - einen inklusiven Bezug herzustellen. Ich habe den Verein durch meinen Beruf entdeckt und habe mich dann entschlossen, auch in meiner Freizeit helfen zu wollen.

Aus Anlass der bundesweiten „Interkulturellen Woche“ habe ich eine Sendung zur Frage: "Wie gelingt ein Miteinander?" gemacht. Dabei sind wir auf ein interessantes Projekt gestoßen und berichten darüber: "Kitchen on the run". Dort treffen verschiedene Nationalitäten aufeinander, um zu kochen. Niemand würde dieser Sendung das „Label Inklusion“ aufdrücken, doch es geht hier klar um partizipative Teilhabe.

Das klingt spannend. Warum setzen Sie sich denn privat und beruflich für Inklusion ein?
Das hat gleich zweierlei Gründe. Zum Einen bin ich selbst privat betroffen. Daher habe ich in einem ganz persönlichen Kontext Erfahrungen mit Ausgrenzungen machen müssen. Zum Zweiten denke ich aber auch, dass Inklusion Teilhabe und Gerechtigkeit bedeutet. In einem demokratischen Sozialstaat, wie wir es in Deutschland haben, sollten diese Werte einfach selbstverständlich sein. Dort, wo sie es nicht sind, müssen wir dafür eintreten, dass sie gelebt werden – vor allem auch als Journalisten.

Was war dann der ausschlaggebende Punkt, weshalb Sie sich für den Zertifikatslehrgang entschieden haben?
Ich wollte zum einen mein privates Engagement professionalisieren. Ich wollte aber auch schauen, ob ich dieses private Engagement eventuell sogar beruflich verfolgen soll oder ob es auch eine Möglichkeit gibt, Inklusion in meinen Berufsalltag als Redakteurin des ZDF einzubeziehen. Die Weiterbildung hat mir dann neue Perspektiven gezeigt, die ich in meinem Berufsalltag vorher gar nicht betrachtet habe. Als öffentlich-rechtliches Medium ist mein Arbeitgeber, das ZDF, glücklicherweise bereits recht fortgeschritten in der Thematik der allgemeinen Zugänglichkeit. So gibt es Audioversionen und Untertitelungen für die Berichterstattungen. Allerdings wird in unserer bunten Gesellschaft der Inklusionsbedarf in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. So ist es an der Zeit, die blinden Flecken zu suchen. Als Beispiel müsste man sich überlegen, ob man, damit meine ich auch das ZDF,  nicht auch in den sozialen Medien in Leichter Sprache kommunizieren sollte.

Sie haben innerhalb des Lehrgangs ein Konzept zu einer inklusiven Familienhilfe entwickelt. Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Projekt gezogen?
Natürlich hatte ich als Betroffene einen eigenen Bezug zum Thema. Daher kannte ich bereits den Bedarf einer gebündelten Informationsstelle. Das Projekt hat mir verdeutlicht, wie ernüchternd Theorie und Praxis teilweise auseinanderliegen. Dort besteht noch viel Handlungsbedarf.
Auch war es deutlich schwieriger, Antworten als Privatperson, die im Rahmen eine Weiterbildung an der Universität recherchiert und nicht als Medienvertreterin zu bekommen.
Das zeigt zum einen den Handlungsbedarf vieler staatlicher Stellen, aber auch die Verantwortung, die wir Journalisten haben.  

Ich konnte dennoch viele wissenschaftliche Kenntnisse während des Projekts gewinnen. Es hat einen anderen Blick auf Inklusion lenken können. Für mich war dieses Projekt eine Denkarbeit, in der ich die unterschiedlichen Brillen der Disziplinen aufsetzen und das Projekt aus anderen Richtungen beleuchten konnte. Das hilft mir auch bei meinen aktuellen Projekten.

Die Weiterbildung hat mir dann neue Perspektiven gezeigt, die ich in meinem Berufsalltag vorher gar nicht betrachtet habe.

Könnte Ihr gedachtes Vorhaben in der Realität umgesetzt werden?
Ich denke, auf kommunaler Ebene ist dies definitiv möglich. Es erfordert allerdings einen starken Willen; vor allem politischen Willen, sich durchzusetzen und sich mit Engagement einzubringen. Weiter sehe ich aber auch eine Pflicht des Sozialstaats, die Vernetzung der staatlich inklusiven Stellen auszubauen und zu verbessern.

Was sind Ihre nächsten Schritte?
Für mich kann es aus zeitlichen Gründen im Moment leider keine weiteren Schritte zu diesem Projekt geben, da ich mich bereits in Wiesbaden an dem eingangs erwähnten Projekt engagiere und privat natürlich auch eingebunden bin. Da bleibt dann leider keine Zeit mehr für weitere Projekte. Aber ich hoffe dennoch, dass die Kommunen sich dieses Thema zu Herzen nehmen und eine Lösung erarbeiten.

Wenn Sie auf den Lehrgang zurückblicken, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Besonders hilfreich und inspirierend war für mich die Offenheit der anderen Teilnehmer. Jeder hatte persönliche Geschichten zu erzählen und wir alle konnten voneinander profitieren und lernen. Das war wirklich bereichernd. Auch die Atmosphäre im Kurs war einfach sehr angenehm. Besonders gefallen hat mir auch der interdisziplinäre Input der Dozenten. Ich muss schon sagen, als berufsbegleitender Lehrgang war die Weiterbildung schon sehr anspruchsvoll. Aber ich konnte eben auch viel mitnehmen, vor allem auch auf einer wissenschaftlichen Basis.

Wem würden Sie die Weiterbildung empfehlen?
Meiner persönlichen Meinung nach müsste mindestens jeder, der eine inklusive Funktion oder Aufgabe hat, diese Weiterbildung besuchen. Die interdisziplinäre Sichtweise eröffnet den Blickwinkel für so manche unbedachte Problemstellung. Ich würde es toll finden, wenn gerade auch behördliche Mitarbeiter die Chance dieser Weiterbildung wahrnehmen würden. Ich denke, dass sie dort besonders bereichernd wirkt.

Vielen Dank Frau Löchte für Ihre Zeit und weiterhin viel Erfolg!

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Dezember 2020


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