Muss die Deutsche Bahn AG zerschlagen werden?

Prof. Dr. Volker Stölting und Symbolbild Bahn (Bild: Costa Belibasakis/TH Köln und Markus Mainka / Adobe Stock)

Die Monopolkommission, ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung, hat in einem Gutachten angemahnt, den ohnehin anstehenden Konzernumbau der Deutschen Bahn AG zu nutzen, um Infrastruktur und Betrieb klar zu trennen. Prof. Dr. Volker Stölting vom Institut für Baustoffe, Geotechnik, Verkehr und Wasser ordnet die Vorschläge im Interview ein.

Prof. Stölting, wie ist das Unternehmen Deutsche Bahn aufgebaut?

Die Deutsche Bahn AG ist eine Holding, also ein Mutterunternehmen mit Beteiligungen an rund 600 weiteren Unternehmen, vornehmlich aus den Bereichen Personen- sowie Güterverkehr und Infrastruktur. So betreibt die Deutsche Bahn zum einen über die DB Netz AG das gesamte Schienensystem mit rund 33.000 Kilometern Länge sowie über die DB Station&Service AG die etwa 5.400 Bahnhöfe. Zum anderen gibt es die DB Fernverkehr AG, die DB Regio AG für den Personennahverkehr, die DB Cargo AG als Transport- und Logistikunternehmen sowie viele weitere Geschäftsfelder.

In ihrem 9. Sektorgutachten spricht sich die Monopolkommission dafür aus, dass die „neue Infrastruktursparte InfraGo wirtschaftlich und organisatorisch unabhängig aufgestellt sein“ soll. Wie beurteilen Sie diesen Ansatz?

Ich kann diese Forderung nur unterstützen. Das deutsche Bahnwesen sollte langfristig analog zum Straßenwesen aufgebaut sein. Dort verwaltet Die Autobahn GmbH die bundeseigene steuerfinanzierte Infrastruktur wie Autobahnen, Brücken oder ähnlichem und alle Nutzer*innen dürfen diese befahren. Im Falle der Bahn würden Schienen, Stellwerke oder Bahnhöfe von einem Unternehmen betrieben und alle Firmen mit einer entsprechenden Lizenz dürften diese Infrastruktur nutzen. Damit wäre ganz klar, dass Erhalt und Ausbau der Infrastruktur Aufgabe des Staates ist und aus Steuermitteln bzw. den Einnahmen des Unternehmens unterhalten werden.

Wie verdient die Bahn ihr Geld mit der Infrastruktur?

Jedes Eisenbahnunternehmen zahlt für die Nutzung der Schienen an die DB Netz AG und für jede Einfahrt in einen Bahnhof an die DB Station&Service AG – allein diese beiden Geschäftsbereiche erzielten 2022 einen Umsatz von rund 7,6 Milliarden Euro.

Welche Vorteile hätte eine klare Trennung?

Im Prinzip würde der Gesetzgeber vollenden, was mit der Gründung der Bahn AG 1994 angedacht war: Denn eine klare Aufteilung der beiden Geschäftsfelder Infrastruktur und Betrieb wurde schon damals diskutiert. Aus politischen Gründen ist das Vorhaben nicht umgesetzt worden. Eine Auslagerung der Schienen würde mit Sicherheit mehr Wettbewerb und eine garantierte Gleichbehandlung aller Eisenbahnunternehmen bedeuten. Und es ließe sich politisch besser steuern, in welche Bereiche die dringend benötigten Investitionen zuerst fließen sollen.

Wären damit die Probleme des deutschen Bahnwesens gelöst?

Leider nein. Die grundlegenden Fehler wurden bereits in den vergangenen Jahrzehnten gemacht, da viele Investitionsentscheidungen zugunsten anderer Verkehrsmittel getroffen wurden. Der massive Ausbau der Schiene hätte schon vor zwanzig Jahren beginnen müssen. Der jetzige Investitionsstau wird zudem durch den allgegenwärtigen Fachkräftemangel befeuert. Es gibt einfach nicht genug Fachleute aus dem Bau- und Verkehrsingenieurwesen, um das vorhandene Geld zu verplanen und zu verbauen.

Die Pressemitteilung der Monopolkommission zum 9. Sektorgutachten Bahn (2023) finden Sie hier.

Juli 2023

Ein Beitrag von

Christian Sander

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit


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