Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin Inside out 2/2015

Indigenes Wissen wiederentdeckt: Alexander-von-Humboldt-Stipendiat Cong Nhue Ngyuen

Alexander-von-Humboldt-Stipendiat Cong Nhue Ngyuen (Bild: Thilo Schmülgen/FH Köln)

Was macht gute, moderne Entwicklungszusammenarbeit aus? Die Betonung sollte auf dem Wort "zusammen" liegen, denn die Topdown-Strategie früherer Jahrzehnte hat sich längst überholt. Viele Modelle und Entwicklungsprojekte hatten zum Ziel, die Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme der Entwicklungsländer nach westlichem Vorbild umzuformen. Mit mäßigen bis negativen Folgen für die betroffenen Menschen.

Das traditionelle Wissen der indigenen Bevölkerungsgruppen wurde dabei oft als rückschrittlich betrachtet. Mittlerweile gewinnen diese Werte wieder an Bedeutung – nicht nur als neoökologischer Trend der westlichen Gesellschaft. Traditionelles Wissen und Methodik sind ähnlich effektiv bei der Sicherung einer unabhängigen, sozialen und ökologisch nachhaltigeren Lebensweise wie die Entwicklung und der Transfer neuer Technologien. "Heutige Entwicklungshilfe geht über die Partizipation der Menschen und Institutionen vor Ort hinaus", sagt Prof. Dr. Johannes Hamhaber vom Institut für Technologie und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT). Im internationalen Klimadiskurs und in der Klimaforschung sieht er Deutschland als Agenda Setter.

Das sieht Cong Nhue Nguyen genauso. Vor drei Jahren war er als Masterstudent des ITT für zwei Semester in Köln. In seiner Heimat Vietnam arbeitet der 34-jährige Projektmitarbeiter seit zehn Jahren für Organisationen wie CARE und Plan. Gemeinsam mit der indigenen Bevölkerung Nordvietnams kombiniert er deren traditionelles Wissen mit innovativen Methoden des Klimaschutzes. Die Bergbauern leben von ihren eigenen Ressourcen, vor allem vom Reis- und Maisanbau. Klimaextreme wie Überschwemmungen und Dürren nehmen zu und bedrohen ihre Existenz.

Politisches Bewusstsein stärken

Das Interesse der Politik an den Klimaanpassungen  der Landbevölkerung sei in Vietnam allerdings nicht groß, sagt Nguyen. Deshalb sei es wichtig, das politische Bewusstsein der Bauern  zu stärken. Ngyuen will sie dabei unterstützen. Außerdem testet er mit ihnen neue, resistente Reissorten und entwickelt Trainingsprogramme, damit die Häuser besser gegen Unwetter geschützt werden können. Hilfe zur Selbsthilfe.

Jetzt ist Cong Nhue Nguyen zurück am Campus Deutz, diesmal als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung im Forschungsprogramm "International Climate Protection Fellowship". Ein Jahr lang wird er am ITT seine wissenschaftliche Konzeption und Methodik vertiefen, um sein Projekt "Indigenous Knowledge and Community-Based Adaptation to Climate Change" empirisch zu unterfüttern.

Individueller Lehrplan

Sein Betreuer Professor Hamhaber hat ihm bereits ein Programm aus den Curricula der Masterstudiengänge des Instituts zusammengestellt: Auffrischung der Fachtermini, ein Seminar zur empirischen Sozialforschung und eins zur Funktionsweise von Akteursstrukturen stehen unter anderem auf dem Lehrplan. Welche Erkenntnisse aus der Wissenschaft sind demnächst reif für die Praxis? Dazu wird Ngyuen auch verschiedene Konferenzen besuchen und sich über Exkursionen ein Bild über aktuelle Best-Practice-Beispiele in Deutschland machen.

"Ich möchte mehr über die deutsche Klimapolitik lernen", – und nebenbei noch ein paar weitere Biersorten kennenlernen. Kölsch und Weizen treffen bereits seinen Geschmack. Auf seiner von der Humboldt-Stiftung organisierten Deutschlandtour zum Start des Stipendiums konnte er bereits einige Standorte deutscher Klimaforschung besuchen – in Freiburg und Jena zum Beispiel. Und bei der Zusammenarbeit mit den Promovenden des ITT bekommt er sicher Gelegenheit, neben dem wissenschaftlichen Diskurs auch noch ein paar neue kulturelle Entdeckungen zu machen.

Text: Monika Probst

September 2015

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin Inside out 2/2015


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