Immer mehr Bankfilialen schließen: Ursachen und Folgen

Während zahlreiche Bankfilialen schließen, boomt das digitale Banking. Prof. Dr. Britta Hachenberg vom Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften berichtet im Interview über die Entwicklung.

Prof. Dr. Britta Hachenberg Prof. Dr. Britta Hachenberg (Bild: privat)

Prof. Hachenberg, was sind Ursachen für die Schließung von Bankfilialen?

Wenn wir uns die letzten Jahrzehnte anschauen, sehen wir, dass Schließungen von Bankfilialen kein neues Phänomen sind. Die Anzahl der Bankfilialen ist seit den 90er-Jahren rückläufig und hat sich inzwischen mehr als halbiert. Ursachen dafür liegen im harten Wettbewerb, dem anhaltend niedrigen Zinsniveau, in der Digitalisierung, aber auch in einem veränderten Kundenverhalten zu sehen. Ebenso haben Umwandlungen von Zweigstellen britischer Wertpapier-Handelsbanken durch den Brexit und aktuell natürlich die Corona-Pandemie diesen Trend beschleunigt. Im Jahr 2020 wurden mit mehr als 2.500 Schließungen fast 10 Prozent der inländischen Filialen geschlossen. Das ist ein deutlich höherer Prozentsatz als in den Vorjahren. Da bewegte er sich meist im mittleren einstelligen Prozentbereich.

Wie hat Corona dazu beigetragen, dass die Filialen schließen?

Durch Corona hat man gemerkt, dass es auch anders geht. Homeoffice im Banking hat funktioniert. Selbst in der Kreditvergabe und im Handel gab es keine größeren Leistungseinschränkungen, was man vorher nicht für möglich gehalten hätte. Bei einzelnen Banken waren zu manchen Zeitpunkten über 90 Prozent der Angestellten im Homeoffice. Kundinnen und Kunden haben sich gleichzeitig angepasst. In der Krise hat sich gezeigt, dass viele nicht auf die Filiale als alleinigen Anlaufpunkt angewiesen sind. Manche Filialen, die nur temporär geschlossen sein sollten, wurden einfach nicht mehr geöffnet.

Welchen Einfluss hat digitales Banking auf die Schließung von Filialen?

Digitales Banking hat einen sehr großen Einfluss. Im Zahlungsverkehr beispielsweise sehen wir eine dramatische Entwicklung: Die Verwendung von Bargeld ist stark rückläufig und die EC-Karte sowie andere bargeldlose Zahlungen werden verstärkt eingesetzt. Online-Banking benutzen fast 80 Prozent der Girokonto-Inhaber, sei es über die Website der Bank oder eine App.

Welche Herausforderungen und Chancen gibt es beim digitalen Banking?

Eine Herausforderung der digitalen Transformation des Finanzsektors insgesamt ist die Abwehr von Cyberkriminalität, die durch die weitere Professionalisierung der Cyberkriminellen als Gefahr mit Sicherheit noch nicht gebannt ist. Eine weitere Herausforderung ist die richtige Zielgruppen-Orientierung der Bankdienstleistungen, dazu gehört die Zusammenarbeit mit FinTechs und mit Big Techs sowie das Angebot an Plattformen. Banken, denen es am besten gelingt, maßgeschneiderte Dienste über alle Vertriebskanäle hinweg anzubieten, haben einen Wettbewerbsvorteil.

Chancen sind in einer Kostenreduktion und Automatisierung von Prozessen zu sehen. Wir haben im letzten Jahr eine Verbesserung der Aktienkultur in Deutschland gesehen, die unter anderem auch auf die Digitalisierung zurückzuführen ist. Der Anteil der Aktien- und Fonds-Besitzer in Deutschland ist gestiegen. Bei den 18- bis 24-Jährigen gab es sogar einen Anstieg um 13 Prozent auf 39 Prozent. Durch die „Bank in der Hosentasche“ entstehen auch Vorteile: Trading-Apps beispielsweise sind kostengünstig, dauerhaft verfügbar sowie einfach und schnell zu bedienen. Die höhere Transparenz und Vergleichbarkeit werden von Kundinnen und Kunden nicht nur im Wertpapier-Bereich, sondern auch für andere Bankdienstleistungen, positiv bewertet.

Was bedeuten die Schließungen für die Banken sowie für die Kundinnen und Kunden?

Die Gefahr für Banken ergibt sich durch eine Abwanderung der Kundinnen und Kunden. Die verringerte Präsenz kann zu einem Rückgang der Umsatzzahlen führen. Es fehlen Impulse, die für den Vertrieb genutzt werden können. Der tägliche Besuch in der Filiale bietet ganz andere Anknüpfungspunkte. Daher muss von den Banken gleichzeitig das digitale Angebot zielgruppengerecht aufgebaut werden. Für Kundinnen und Kunden bedeuten Schließungen, dass sie weniger Ansprechpartner vor Ort haben und gegebenenfalls längere Wege in Kauf nehmen müssen. Mit der Bankstellendichte – die Anzahl der Einwohner pro Bankfiliale – liegt Deutschland im Vergleich zum Ausland im sehr guten Mittelfeld. In nordeuropäischen Ländern wie beispielsweise Schweden, Finnland und Dänemark gibt es deutlich mehr Einwohner pro Bankfiliale. Dort ist das Online-Banking stärker verbreitet und die Bankenkonzentration höher.

Juni 2021

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