GameStop-Aktien: Was ist da los?
Die Einzelhandelskette GameStop ist vor allem durch den Verkauf gebrauchter Computer- und Konsolenspiele bekannt geworden. Kein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell spekulierten weltweit Hedgefonds und wetteten auf den Kursverfall. Doch Ende Januar 2021 gehörte GameStop zwischenzeitlich zu den 500 wertvollsten us-amerikanischen Unternehmen. Prof. Dr. Marc Mehlhorn erklärt die Zusammenhänge.
Prof. Mehlhorn, die GameStop-Aktie war über Jahre maximal 15 Euro wert und schießt Ende Januar innerhalb weniger Tage auf über 400 Euro. Was ist da passiert?
Viele Hedgefonds haben zuletzt auf einen Kursverfall der GameStop-Aktie gewettet, indem sie sogenannte Leerverkäufe getätigt haben. Dabei leiht man sich eine Aktie und verkauft sie zu einem bestimmten Preis. Wenn die Aktie an Wert verloren hat, kauft man sie günstig zurück und gibt sie dem Eigentümer wieder. Die Differenz im Aktienkurs ist dann der Gewinn. Relativ viele große Hedgefonds haben dies getan und dabei deutlich mehr Aktien in Leerverkäufen gehandelt, als am Markt überhaupt vorhanden waren. Das hat die Anleger von Robinhood und anderer Trading-Apps auf den Plan gerufen, die sich verabredet und GameStop-Aktien gekauft haben. Damit bekamen die Hedgefonds ein Problem, denn sie mussten zu bestimmten Terminen die Aktien kaufen, um ihr Leihgeschäft aufzulösen. Auf dem Markt gab es kaum Aktien und der Preis stieg exorbitant.
Eine Rolle spielte auch ein Forum auf der Social Media-Plattform Reddit. Ist das ein neues Phänomen?
Schon seit vielen Jahren wird Social Media genutzt, um sich Aktienempfehlungen zu geben – das sogenannte Social Trading. Das ist auch alles ganz legal. Im konkreten Fall ging es aber nicht um Empfehlungen, sondern um sehr konkrete Absprachen, bestimmte Positionen zu bestimmten Zeiten und zu einem bestimmten Zweck zu handeln. Und solche „Prearranged Trades“ sind illegal.
Apps wie Robinhood oder TradeRepublik haben den Handel mit GameStop gestoppt. Die Hedgefonds dürfen aber die Aktie weiter kaufen und verkaufen. Wie kommt das?
Wir müssen zwischen zwei Systemen unterscheiden. Hedgefonds sind in den börslichen Handelssystemen aktiv und kaufen und verkaufen Aktien direkt an den internationalen Börsen. Tradingapps sind außerbörsliche Handelsplätze, das heißt die User handeln innerhalb eines eigenen Systems. Die gesetzlichen Anforderungen sind bei außerbörslichen Handelsplätzen geringer als an Börsen. Deshalb können die Apps den Handel mit Aktien wie in dem Fall GameStop aussetzen, während der börsliche Handel weitergeht. Man kauft über die Apps zwar die gleichen Papiere wie an der Börse – aber in einem anderen System. Und man kann sie nicht ohne weiteres an die Börse übertragen.
Warum haben die Tradingapps denn den Handel eingeschränkt?
Ich glaube, es geht vor allem um ein Signal. Die Tradingapps haben bemerkt, dass die Anleger über ihre Systeme etwas gemacht haben, das eventuell gegen Börsenrecht verstößt. Vermutlich will man dem Rechnung tragen und zeigen: Wir reagieren darauf. Denn die Apps stehen schon länger im Fokus der Börsenaufsicht, weil sie auch negative Aspekte mit sich bringen, zum Beispiel höhere Preise als an den Börsen. Es scheint so zu sein, dass man hier nicht weiter Öl ins Feuer gießen wollte. Die offizielle Antwort ist jedoch die Überlastung der Systeme.
Was bedeutet das für die Zukunft solcher Tradingapps?
Die User haben jetzt bemerkt, dass sie über die Apps vom Handel relativ schnell ausgeschlossen werden können und damit benachteiligt sind. Das kann zum Umdenken anregen und die herkömmlichen Handelssysteme attraktiver machen. Es ist für die Akteure am Kapitalmarkt wichtig, jederzeit Aktien kaufen und verkaufen zu können. Das Börsengesetz stellt dies über die Börsenplätze sicher; die Apps müssen das nicht. Und das kann ein Nachteil sein, wie dieses Beispiel sehr gut zeigt.
Januar 2021