Diversität in der Medienlandschaft

Spiegeln Medien die Vielfalt der Gesellschaft wider? Zu dieser Thematik hat Prof. Dr. Christine Horz-Ishak die Tagung „Diversity in Media Socities“ organisiert, die am 27. und 28. Oktober an der TH Köln mit freundlicher Unterstützung der Hochschulleitung und des ITMK stattfindet. Im Interview gibt sie einen Einblick in die Herausforderungen einer diversen Medienlandschaft.

Die Organisation der Tagung des Instituts für Translation und Mehrsprachige Kommunikation (ITMK) fand statt in Kooperation mit dem mediendiversityhub und dem Institut für Medienforschung und Medienpädagogik (IMM) der TH Köln sowie mit dem Arbeitsbereich für Medienpädagogik/Mediendidaktik der Universität zu Köln.

Prof. Dr. Christine Horz-Ishak Prof. Dr. Christine Horz-Ishak (Bild: privat)

Was bedeutet Diversität in Medien und warum ist sie wichtig?

Diversität meint nicht nur Vielfalt im Sinne von Personen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen, sondern sie bezieht sich auch auf Formen der Repräsentation, nämlich vor und hinter der Kamera – beispielsweise in Redaktionen oder Entscheidungsgremien. Besonders betone ich die Managementebenen, weil dort die Entscheidungen für zukünftige Strategien, das Programm oder die Ausrichtungen eines Senders getroffen werden. Diversität ist wichtig, weil sie zum Medien- und Meinungspluralismus beiträgt.

Wie haben sich Medien hinsichtlich der Diversität entwickelt?

Noch haben schätzungsweise erst ca. 4 Prozent der Journalist*innen einen Migrationshintergrund – um nur ein Diversitätsmerkmal herauszugreifen.  Die Massenmedien haben zumindest ein gewisses Bewusstsein entwickelt, dass sie dahingehend etwas unternehmen müssen. Es besteht dort jedoch auch noch Beharrungsvermögen. Die Entwicklung kann man mit zwei Schritten vor und einem Schritt zurück beschreiben. Man arbeitet sehr lange daran, bis Änderungen erkennbar sind. Das liegt unter anderem an der mangelnden Diskussion des Themas in den Redaktionen über Jahrzehnte hinweg. Jetzt muss dort ein kompletter Kulturwandel stattfinden. Es ist ein Prozess, der unterschiedlich abläuft und vom Medium, der Größe und seiner Bedeutung abhängt.

Parallel dazu hat sich eine große Diversität in Online-Medien entwickelt. Es gibt sehr viele Podcasts von Community-Mitgliedern, in denen sie ihre Perspektive dezidiert teilen. Wenn man die Pluralität der Perspektiven im öffentlichen Diskurs fokussiert, dann ist das eine wunderbare Entwicklung, die die publizistischen Medien sozusagen vor sich hertreibt. Man kann dies auf vielfältige Weise beobachten, wenn über das Thema Rassismus gesprochen wird. Da kommen Stimmen in Social Media auf, die auch als Korrektiv gelten und als Teil einer Weiterentwicklung einer diversen Medienlandschaft betrachtet werden können.

Was fehlt aktuell?

Selbst beim WDR, der als einer der Vorreiter im Rundfunkbereich zum Thema Diversität gilt, ist es schwierig, ein nach außen hin sichtbares Diversitätskonzept zu finden. Wenn wir uns die BBC anschauen, ist auf deren Webseiten eine strukturierte Strategie dazu veröffentlicht. Es ist durchaus möglich, dass Medien und Institutionen in Deutschland das in Einzelaspekte ähnlich machen, aber man sieht es nicht. Sie verstecken es quasi. Dadurch wird es nicht in der breiten Öffentlichkeit als positiv betrachtet. Es fehlt ein allumfassendes Konzept, welches durch alle Ebenen, Gremien und Redaktionen hindurch wirkt. Bisher wird Diversität leider immer punktuell beschritten und bleibt insofern vage. Es braucht eine Bestandsaufnahme, einen Maßnahmenkatalog und Evaluationen. Sehr wichtig ist, die Belegschaft miteinzubeziehen und es als Prozess zu gestalten.

Was sind die Herausforderungen?

Eine Schwierigkeit für die Medienunternehmen ist, dass sie neben der Diversität weitere drängende Herausforderungen bewältigen müssen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe erhalten, sich zu reformieren, was große Umbrüche für die Sender bedeutet. Sie haben aufgegeben bekommen, mit den öffentlichen Geldern in Zukunft besser umzugehen. Sie sollen die vorhandenen Synergien nutzen, um die freiwerdenden Mittel für die Digitalisierung verwenden zu können, die eine zweite große Herausforderung darstellt. Die Öffentlich-Rechtlichen bewegen sich in einem Medienmarkt mit starker Konkurrenz wie beispielsweise Netflix, die ein vielfach höheres Budget und ein Portfolio haben, das weitgehend aus Unterhaltung besteht. Die Information und Auslandskorrespondenz von ARD und ZDF sind allerdings teure Posten. In diesem Markt müssen sie bestehen. Die Sender laufen darüber hinaus gerade in eine Fachkräftemangel-Situation hinein, vor allem auf Redaktionsebene. In ein paar Jahren sind zwei Drittel der Redakteur*innen im Ruhestand. Das heißt, jetzt ist eine super Chance, um dort Diversität zu verankern. Da sind die Medien auch gefordert, beispielsweise auf Bildungsinstitutionen, Universitäten und Hochschulen zuzugehen, um Interesse für diesen Arbeitsbereich zu schaffen.

Was passiert bei der Tagung „Diversity in Media Societies“?

Bei der Tagung bringen wir Kommunikationswissenschaftler*innen, Medienpädagog*innen und Medienpraktiker*innen zusammen, weil wir die Fragen stellen: Wie bekommen wir mehr Diversität in die Mediengesellschaft? Wie wirkt sich das auch auf Bildungsprozesse aus, wenn wir vielfältige Medien haben? Was können Kommunikationswissenschaft und Medienpraxis voneinander lernen? Wie können wir ausbilden, um vielfältige Medien zu haben? Wir wollen einen Austausch schaffen zwischen Wissenschaftler*innen und Medienpraktiker*innen. Die Tagung soll auch ein Auftakt dafür sein, dieses Thema an der TH Köln stärker zu verankern. Studierende sind eingeladen, nach einer Registrierung kostenfrei teilzunehmen.

Oktober 2022


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