Die Energiesparer
GECO>C optimiert regionale Klär- und Biogasanlagen
Das Dumme ist, dass man nachts noch schlafen muss, meint Dr. Michael Bongards. Er hätte gerne 24 Stunden am Tag, um sich seiner Arbeit zu widmen. Ein Wunder ist das nicht, schließlich geht er gleich zwei intensiven Tätigkeiten nach: Als Professor am Institut für Automation & Industrial IT auf dem Campus Gummersbach und als Gesellschafter der Gummersbach Environmental Computing Center GmbH, kurz GECO>C. Das Unternehmen ist ein Spin-off, eine Ausgründung des Instituts, die sich der Prozessoptimierung in der Umwelttechnik widmet. Schwerpunkt sind Biogas- und Kläranlagen. Messtechnik, Datenanalyse und eine auf dieser Basis verbesserte Steuerungs- und Regelungstechnik sollen helfen, bei minimalem Energieeinsatz das Maximale aus den Anlagen herauszuholen.
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Energiesparer für die Region
Geforscht und auch praktisch auf diesem Feld gearbeitet haben Bongards und seine Mitarbeiter schon lange. Die Gründung einer GmbH hat aber entscheidende Vorteile: "Wir machen aus der Problemlösung oder dem Prototyp ein Produkt. Das kann eine Hochschule nicht leisten", sagt Bongards. In der ganzen Region habe es vorher keine Firma gegeben, die eine Dienstleistung wie die der GECO>C anbot. Deshalb sieht der Ingenieur großes Potenzial in dem Markt.
Beispiel Kläranlage: Diese Einrichtungen gehören oft zu den größten Energieverbrauchern der Kommunen. Mithilfe der Analysen von GECO>C lässt sich der Stromverbrauch spürbar senken. "Wir haben schon 20 Prozent Reduzierung erreicht. Unsere Dienstleistung kann sich damit schon nach einem Jahr amortisiert haben", erklärt Dr. Christian Wolf. Er ist zusammen mit Peter Kern für die technische Entwicklung zuständig. Geschäftsführerin Cornelia Hoen, die als Wirtschaftsingenieurin unter anderem das Controlling verantwortet, komplettiert das Quartett der Gesellschafter, die alle gleich große Anteile an der GmbH halten.
Auch bei Biogasanlagen sehen die Forscher großes Einsparpotenzial.
"Wir haben auch hier schon zehn bis 20 Prozent Einsparung der Substratkosten erzielt", sagt Wolf. Das Substrat ist das organische Ausgangsmaterial für den Prozess, durch den Strom gewonnen wird. Das Beispiel zeigt, wie komplex die notwendigen Analysen sind: Der Einsatz des Ausgangsstoffes – früher meist Gülle, heute oft Mais, Zuckerrüben, Grassilage, Rückstände aus der Viehhaltung oder auch vermehrt Lebensmittel- und Bioabfall – soll so gering wie möglich sein. Umso effizienter arbeitet die Anlage. Dabei spielen aber auch die Fördermittel eine Rolle, denn über eine bestimmte Strommenge hinaus gibt es keine öffentliche Unterstützung mehr. Ziel ist also die optimale Balance aus Rohstoffeinsatz und Stromerzeugung. Genau dafür entwickelt GECO>C Software zur Simulation und Datenanalyse sowie innovative Steuer- und Regelungen.
Die Nachfrage ist schon jetzt groß. Dank der hoch entwickelten Mess- und Fernwirktechnik reicht etwa bei den Kläranlagen oft ein einziger Besuch vor Ort, die weitere Betreuung und Steuerung läuft dann online. So kann das Gummersbacher Unternehmen grundsätzlich Kunden in aller Welt bedienen – die derzeit am weitesten entfernte Kläranlage, die regelmäßig überwacht wird, liegt in Kirgisistan. Dieses Projekt läuft schon seit acht Jahren, stammt also aus einer Zeit lange vor der Unternehmensgründung.
Daten richtig nutzen
Der Vorzug der Dienstleistung von GECO>C liegt darin, dass nicht nur einfach Daten erfasst werden. "Unzählige Daten zu sammeln, das ist kein Problem. Weil die Online-Messgeräte immer billiger werden, gibt es eine regelrechte Dateninflation. Die Frage ist: Was macht man damit?", erklärt Peter Kern. Die Mitarbeiter städtischer Kläranlangen verlassen sich in der Regel auf ihre langjährigen Erfahrungswerte, hier kann eine automatisierte intelligente Interpretation von Daten eine wertvolle Ergänzung zur immer noch unverzichtbaren Berufserfahrung bieten. Auch der Landwirt, der eine Biogasanlage betreibt, ist eben kein spezialisierter Ingenieur. Das aus der Hochschule hervorgegangene Unternehmen bietet deshalb das gesamte Paket von der Messung bis zur Regelung und Prozessoptimierung an.
Natürlich soll sich GECO>C nicht nur auf dem freien Markt behaupten, sondern auch einen Nutzen für die Hochschule selbst haben. Die unmittelbare Verbindung von Theorie und Praxis dürfte auch die Studierenden weiterbringen. "Wir werden in Zukunft Bachelorarbeiten vergeben und Praxissemester anbieten", sagt Bongards. Außerdem arbeitet die GmbH eng mit anderen Fachbereichen zusammen, etwa Mathematik und Informatik. Berührungspunkte gibt es unter anderem mit der Forschungsarbeit von Prof. Dr. Thomas Bartz-Beielstein, der mit seinem Team mathematische Modelle für die Optimierung von industriellen Prozessen entwickelt und die Methoden seit kurzem auch über ein eigenes Unternehmen vermarktet.
Auf der anderen Seite nutzt die enge Verflechtung mit der Hochschule auch der GECO>C. "Dadurch halten wir unsere Produkte auf dem Stand der Wissenschaft“, erklärt Bongards. Er wünscht sich einen langsamen, nachhaltigen Aufbau des Unternehmens, in dem seine eigene Rolle nach und nach kleiner wird. "Deshalb gehen wir auch nicht so offensiv in die Fachöffentlichkeit". Man muss eben auch mal schlafen – ein Prozess, der noch zu optimieren wäre.
Text: Werner Grosch
Oktober 2014