Der Mensch im Fokus
Noch zählt es zum Alltag: das Studium einer Gebrauchsanweisung, um ein neues Gerät in Gang zu setzen. Oft gelingt dies nur mit Hilfe eines Experten. Technik schlägt Mensch – eine frustrierende Erfahrung. Das ändert sich gerade. Eine ganzheitliche Methode macht Karriere: Design Thinking. Prof. Dr. Ivonne Preusser hat sie im Lernportfolio des Studiengangs Markt- und Medienforschung verankert.
Was bedeutet Design Thinking?
Design Thinking beschreibt eine systematische Herangehensweise an komplexe Fragestellungen. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen dabei die Bedürfnisse der Kunden und Nutzer. Mit dem Ziel, gänzlich neue Problemlösungen zu entwickeln, verbindet Design Thinking einen strukturierten Prozess und bewährte Methoden verschiedener Disziplinen mit effizienter Teamarbeit. Das Ergebnis sind nutzerzentrierte Innovationen und eine neue Arbeitskultur.
Welche Relevanz hat dieser Ansatz?
Das Verhalten der Kunden und deren Bedürfnisse zu verstehen, ist zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen im heutigen Wirtschaftsumfeld geworden. Nicht nur vor dem Hintergrund von steigendem Innovations- und Wettbewerbsdruck werden nutzerzentrierte Herangehensweisen, höhere Agilität und Kreativität sowie Geschäftsmodelle, die konsequent auf den Kundenutzen ausgerichtet sind, zu Zielgrössen für Unternehmen. In den letzten Jahren hat Design-Thinking daher zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird für vielfältige Fragestellungen und Problembereiche angewandt, etwa in der Produkt- und Serviceentwicklung, bei Prozessgestaltungen, bei Strategieentwicklung und im Change-Management.
Warum ist es gerade in der Markt-und Medienforschung wichtig, diese Methode anzuwenden?
Markt- und Medienforschung ist ein originäres Anwendungsfeld für Design Thinking. Die Erforschung von Konsumenten- und Nutzerbedürfnissen, die Entwicklung kundenorientierter Produkte sowie auch das Testen von Konzepten und Prototypen bei den Zielgruppen gehören zum Aufgabenspektrum der Markt- und Medienforschung. Das im Design Thinking verankerte „Hineinversetzen“ in den Kunden dient dem Ziel, eine auf den Nutzer ausgerichtete Lösung zu entwickeln und stellt damit die potenziellen Kunden und Konsumenten ins Zentrum der Aktivitäten. Forschung ist eine zentrale Aufgabe innerhalb des Prozesses. Der Ansatz passt beispielsweise auch, um aktuelle Herausforderungen im Marketing zu bearbeiten, wo die Beziehungen zu Kunden – anstelle des Produkts – zunehmend in den Fokus rücken.
Welchen Einfluss hatten Google, Amazon, Facebook, Apple auf den Paradigmenwechsel hin zu nutzerorientiertem Denken?
Insbesondere diese Unternehmen aus dem Silicon Valley gelten als treibende Kraft für diesen Paradigmenwechsel. So werden Apple oder Google häufig als Beispiele für nutzerorientierte oder agile Entwicklung genannt. Denn diese Unternehmen haben geschafft, was erfolgreiche Unternehmen ausmacht: Sie vereinen die konsequente Nutzerorientierung in der Produktentwicklung mit einer entsprechenden Unternehmenskultur. Ein weiteres Beispiel ist der Autobauer Tesla. Design Thinking wird zunehmend auch von deutschen Unternehmen wie Telekom, BMW oder der Deutschen Bank angewendet.
Wird sich Design Thinking weiter durchsetzen? Oder sehen Sie für diesen Ansatz „natürliche Grenzen“?
Eine Ausweitung auf andere Bereiche – wie etwa den Non-Profit- oder den Bildungssektor – ist vor dem Hintergrund des digitalen Wandels und den damit auch einhergehenden Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelten anzunehmen. Die weltweite Zunahme des Dienstleitungssektors und die gesellschaftlichen Herausforderungen, die zunehmend auch soziale Innovationen erfordern – tragen derzeit ebenfalls zur Ausweitung dieser „human-centered“-Design-Ansätze bei. Es werden beispielsweise anhand solcher „menschenorientierten“ Denk- und Arbeitsweisen auch Fragestellungen etwa in (Gesundheits-)Prävention sowie im Entwicklungs- und Migrationsbereich bearbeitet.
Interview: Sybille Fuhrmann
Oktober 2017