"Werte verstehen - understanding values". Das CICS präsentierte sich auf der EXPONATEC 2021 in Köln
Vom 17. bis zum 19.11.2021 fand die EXPONATEC 2021 - Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung und Kulturerbe in Präsenz statt und das CICS war mit einer Sonderschau auf einem großen Messestand, den Mastertagen und der Kunstsprechstunde dabei.
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Sonderschau "Werte verstehen - understanding values"
Restaurator*innen sichern mit ihrer Arbeit nicht nur die materielle Substanz von Kunst- und Kulturgut. Sie berücksichtigen historische, künstlerische, ästhetische und funktionelle Werte wie auch Fragen der Authentizität. Nicht selten liegen diese Werte verborgen und erst durch Erforschung und Restaurierung werden sie erlebbar. Restaurator*innen bewahren auf diese Weise kulturelle Schätze vor dem Verfall, dem Verlust und unwiederbringlichem Vergessen. Ihre Arbeit unmittelbar am Objekt und begleitende interdisziplinäre Forschungsaktivitäten führen häufig zu einer Neubewertung der Kunst- und Kulturgüter. Sie tragen hiermit zu einer langfristigen Bewahrung sowie einem nachhaltigen Umgang mit kulturellen Werten bei. Die Restaurierung beschäftigt sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern sie folgt einer modernen Perspektive und weist weit in die Zukunft.
Eindrücke von den Veranstaltungen zur EXPONATEC 2021
Die Preisträgerinnen des Fördervereinspreises 2021 Veronika Lauber, Charlotte Hoffmann und Rhe Suykens strahlen mit dem Vorsitzenden des Fördervereins Dr. Michael Euler-Schmidt um die Wette. (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
Die Erstplatzierte im Wettbewerb um den Preis des Fördervereins Rhe Suykens berichtet über ihr Masterprojekt: "Rekindling the Fire Underneath Saint Lawrence, an Early 17th-Century Painting on Stone: Art Historical Research, Technological Examination and Conservation Treatment". (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
AHA-Regeln zu den Mastertagen 2021: Die Mastervorträge fanden im Zeichen der Pandemie statt. Die Besucher*innen durften an Einzeltischen mit Abstand zu den Nachbar*innen Platz nehmen und mussten eine Maske tragen. (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
Der Messestand des CICS war auch 2021 wieder Treffpunkt für Fachkolleg*innen und Studierende. Während der Sonderschau des CICS nutzten viele Besucher*innen die Möglichkeit zum Gespräch. (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
Im Rahmen der Sonderschau des CICS stellt unser Studierender Jan-Niklas Kurka den Bau einer Leistenziehmaschine vor. In einem experimental-archäologischen Projekt entstand in Anlehnung an historische Vorbilder des 17. und 18. Jahrhunderts ein mechanisches Gerät, mit welchem glatte wie auch gewellte Profilleisten gezogen werden können. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Während der Kunstsprechstunde des CICS kommen private Sammler*innen mit ihren Kunstwerken zum Messestand und lassen sich von den Expert*nnen des CICS beraten. Hier im Bild erläutert Prof. Dr. Gunnar Heydenreich einem Sammlerehepaar die Ergebnisse der Untersuchung enes Gemäldes. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Während der Kunstsprechstunde wurde das Gemälde des Sammlerehepaars mit verschiedenen strahlentechnischen Methoden untersucht. Hier im Bild erfolgt die Bestimmung von Pigmenten mit der Handheld-RFA-Methode. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Professorin Dr. Andrea Pataki-Hundt berät einen Gast der Kunstsprechstunde im Hinblick auf die von ihm mitgebrachte alte Bibel. (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
Juliana Wetten stelte die Herausforderungen im Umgang mit Arsenhaltigem Bibliotheksgut vor. (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
Nelly Paletta und Rabea Blasczyk hatten u.a. die Aufgabe eine Methode zur Entstaubung der extrem empfindlichen Oberflächen des Wandreliefs von Yves Klein im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen zu finden. Auf der Messe konnten sie ein eigens für diesen Zweck entwickelte Spezialanfertigung vorstellen. (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
Noch bis kurz vor die Messe galten Corona-Hygieneregeln des Landes NRW, die es unmöglich gemacht hätten ein Café am Messestand zu betreiben. Zuletzt hatte das CICS ein wenig Glück und die Messe-Besucher*innen konnten den Treffpunkt dann doch für einen Kaffee und Gespräche nutzen. Der Dank gilt den Studierenden, die das Café mit viel Begeisterung betrieben haben. (Bild: TH Köln - CICS - Hanna Freres)
Mit dem Thema „Werte verstehen – understanding values“ widmete sich das CICS auf dem Messestand dieses Jahr einem zentralen Anliegen der Restaurierung: dem Objektverstehen und dem Erhalten von Werten.
Zu den im Rahmen der Sonderschau auf dem Messestand vorgestellten Forschungs- und Restaurierungsprojekten zählten u.a. die Beschäftigung mit dem Umgang mit arsenbelasteten Bibliotheksmaterial, die Reinigung und Konsolidierung der großformatigen blauen Wandreliefs von Yves Klein im Musiktheater Gelsenkirchen und die Vorstellung eines experimental-archäologischen Projekts, den Bau einer Leistenziehmaschine in Anlehnung an historische Vorbilder. Den Besucher*innen wurden vielfältige und auch überraschende Einblicke in neue Erkenntnisse und Technologien der Konservierung-Restaurierung gegeben.
Mastertage
Am 18. und 19.11.2021 fanden im Kristallsaal im Congress-Centrum West des Messegeländes nach zweijähriger Unterbrechung wieder die Mastertage des CICS statt. Die Master-Absolvent*innen berichteten über die Themen ihrer Abschlussarbeiten, u.a. über Elastan in Bademoden der 60er, 70er und 80er Jahre, über den „Kristallthron“ aus der Venusgrotte von Schloss Linderhof und über das hinterleuchtete Gemälde des Heiligen Laurentius auf halbtransparentem Steinträger. Die einzelnen Vorträge können im Programm der Mastertage 2021 und in den ebenfalls dort verfügbaren Abstracts noch nachvollzogen werden.
Die Veranstaltungen wurden trotz der Bedingungen der Pandemie gut angenommen und durch eine Vielzahl an Studierenden und Fachkolleg*innen besucht. Ein aufwändiges Hygiene-Setting im Vortragssaal ermöglichte einen sicheren und routinierten Ablauf des Vortragsprogramms.
Preis des Fördervereins
Anlässlich der Mastertage wurden die drei besten Abschlussarbeiten des Jahrgangs 2021 durch den Förderverein des CICS prämiert. Der Vorsitzende Dr. Michael Euler-Schmidt freute sich über das Zusammenkommen nach der pandemiebedingten Unterbrechung und überreichte den drei Preisträgerinnen Rhe Suykens, Charlotte Hoffmann und Veronika Lauber die in "normalen Zeiten" jährlich ausgelobten Geldpreise.
Kunstsprechstunde
Anlässlich der Kunstsprechstunde am 17.11. war die Expertise des CICS-Kollegiums gefragt. Es wurden z.B. ein niederländisches Gemälde sowie eine interessante Einlegearbeit - Elfenbein in Ebenholz - und eine alte Bibel im Hinblick auf ihre Technologie und den Zustand inspiziert, um daraus Anhaltspunkte bezüglich des Alters und der Restaurierungsbedürftigkeit zu gewinnen.
Das Format der Kunstsprechstunde erfreut sich großer Beliebtheit und wurde in einem Fernsehbeitrag des WDR für eine Öffentlichkeit über die Messe hinaus bekannt gemacht.
Fazit
Das CICS zieht ein vorsichtig positives Fazit. Nach Monaten der Einschränkungen durch die Pandemie bot sich mit der Messe eine der ersten Gelegenheiten das CICS live zu präsentieren und viele Fachkolleg*innen aus den Museen, Archiven sowie Freiberufler zu treffen. Die Mastertage und der große Stand, den das CICS als offizieller Partner der EXPONATEC betreiben durfte, konnten zum wiederholten Mal eine Vielzahl an Besucher*innen anlocken. Dies ist bemerkenswert, weil durch die Unsicherheiten durch die Pandemie sowohl die Zahl der Aussteller*innen und Besucher*innen gegenüber den vorherigen Messen merklich dezimiert war. Breite Gänge und große Standflächen trugen dazu bei, dass sich eine ruhige und konzentrierte Messeatmosphäre breit machen konnte, die schließlich intensive und gewinnbringende Gespräche ermöglichte.
Das CICS bedankt sich bei allen Besucher*innen und Mitwirkenden, die zum Gelingen der Veranstaltungen beigetragen haben. Ein besonderer Dank gilt der Kölnmesse, deren Vertreter*innen uns wieder einmal eine große Standfläche und den Kristallsaal für die Mastertage zur Verfügung gestellt haben. Herzlicher Dank an den Messedirektor Alexander Wolff und sein Team, die mit Rat und Tat in der Vorbereitungszeit und den Tagen der Messe zur Verfügung standen!
Highlights des Programms - Master- und Forschungsprojekte
Yves Klein schuf seine größten Werke in Zusammenarbeit mit dem Architekten Werner Ruhnau zwischen 1957 und 1959 im Musiktheater Gelsenkirchen. Die sechs blauen Wandreliefs mit einer Gesamtgröße von ca. 400 Quadratmetern sind Gegenstand eines MA-Projektes an der TH Köln. Anlass für das Projekt waren starke Staubablagerungen auf den Schwamm- und Strukturreliefs. Das Ziel der Fallstudie besteht darin, die verwendeten Materialien zu analysieren, die Entstehungsgeschichte zu rekonstruieren, Zustandsveränderungen und deren Ursachen zu erfassen sowie ein Konzept für die Reinigung und langfristige Erhaltung zu entwickeln. (Bild: Thomas Robbin (2015))
Die bislang in der Konservierung kaum genutzten niedermolekularen Hydroxypropylmethylcellulosen (HPMC) wurden im Rahmen eines Masterprojekts als Alternative zu den traditionell verwendeten Festigungsmitteln Störleim und Methylcellulose untersucht. Die physikochemischen Eigenschaften, deren Einfluss auf das Penetrationsverhalten und die Festigungswirkung der verschiedenen als Aerosol applizierten Festigungsmittel wurden vergleichend evaluiert. Für die Untersuchung des Penetrationsverhaltens wurden verschiedene Methoden erprobt, letztlich aber die Fluoreszenzmarkierung genutzt. Im Bild der Aufbau während einer Festigung von Probekörpern. (Bild: TH Köln - CICS - Charlotte Stahmann)
Lucas Cranach d. Ä. schuf zahlreiche Bildnisse des Reformators Martin Luther, die bis heute weltbekannt sind. Weitere Künstler folgten. Forscher*innen gingen bisher davon aus, dass einzelne Bildnis-Typen erst nach Luthers Tod entstanden sind und dazu dienten, ihn und sein Wirken bis zur Überhöhung kraftvoll in Szene zu setzen. Erstmals wurden nun die gedruckten und gemalten Bildnisse interdisziplinär erforscht und in Form eines hybriden Werkkataloges erschlossen. Sowohl im Cranach Digital Archive unter www.lucascranach.org, als auch in einer gedruckten Fassung (in Arbeit), kann zum Beispiel die Antwort auf die Frage gefunden werden, welchem Bildnis des Reformators wir heute trauen dürfen. (Bild: TH Köln - CICS - Thomas Klinke)
Die Auswirkungen von Verwitterungsprozessen werden an einem hydrophobierten Baumberger Kalksandsteinobjekt durch den Vergleich hochauflösender 3D-Bilder visualisiert. Durch die Erfassung mikrotopografischer Veränderungen auf der Steinoberfläche durch den Vergleich virtueller 3D-Zustandsmodelle kann die Klassifizierung von Schäden hinsichtlich ihres Veränderungspotenzials deutlich verbessert werden. Die Ergebnisse einer auf diese Weise durchgeführten Kontrolle können zu einer genaueren Schadensanalyse beitragen. Die großen Vorteile dieser Methode sind zum einen die hohe Genauigkeit im Submillimeterbereich und zum anderen die berührungslose Arbeitsweise. (Bild: TH Köln - CICS - Peter Kozub)
Im Rahmen eines Masterprojekts werden drei Kautschuk-Tierfiguren aus dem Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main, die aus Südamerika stammen und ins 19. Jahrhundert datiert sind, untersucht und analysiert. Außerdem werden ein Erhaltungskonzept für die Objekte erstellt und restauratorische Arbeiten durchgeführt. Der Fokus der Arbeit liegt unter anderem auf der Identifizierung der indigenen Herstellungsmethode sowie auf der präventiven Konservierung. Bei Letzterem steht hauptsächlich das Problem der oxidativen Alterung von Kautschuk bei Kontakt mit Luftsauerstoff im Mittelpunkt. (Bild: TH Köln - CICS - Hannah Schürmann)
Die kinetische Plastik Othello & Desdemona verbindet Eva Aepplis textile Figuren mit einer motorisierten Maschine Jean Tinguelys, die sie auf Knopfdruck „lebendig werden“ lässt. Gravierende Zustandsveränderungen führten 2019 zur konservatorisch begründeten Entscheidung, die Figuren vorerst von der Maschine zu trennen. Mit dem Ziel, ein Konzept zu Erhaltung und künftigen Präsentation zu entwickeln, erfolgte die Untersuchung der textilen Figuren im Rahmen eines MA-Projektes. Zur Schließung von Fehlstellen in den Seidengeweben werden neue Verfahren unter Verwendung von Seidenvlies entwickelt und an Probekörpern getestet, bevor sie auf der fragilen „Seidenhaut“ zum Einsatz kommen können. (Bild: TH Köln - CICS - Cora Lisbach)
Im Umgang mit historischem Kulturgut kommt es immer wieder vor, dass sich an einem Objekt gesundheitsschädliche Materialien, sprich arsenhaltige Pigmente, befinden. Diese Funde werfen die Frage auf, wie die Gefährdungslage für Restaurator*innen einzuschätzen ist und ob sensiblere Regeln für den Umgang mit Bibliotheksgut eingeführt werden müssen. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Arsenhaltige Einbände wieder nutzbar gemacht“ der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn und dem CICS beschäftigte sich diese Bachelorarbeit mit arsenhaltigen und unterbundenen Farbschnitten an Büchern. Da abpudernde Pigmente ein erhöhtes Gesundheitsrisiko darstellen, sollten Möglichkeiten der Konsolidierung getestet und auf ihre Wirksamkeit untersucht werden. (Bild: TH Köln - CICS - Juliana Wetten)
In zahlreichen Landschaftsgemälden liegen verbräunt wirkende Laubpartien vor. Ziel des Projekts war es, die verwendeten Materialien in fünf Gemälden zu analysieren und in Abgleich mit zeitgenössischen Schriftquellen zu untersuchen, ob Farbveränderungen vorliegen. Die Ergebnisse zeigen, dass verbräunte Farbschichten vorliegen, dies ist vermutlich auf den hohen Bindemittelanteil, verwendete Farblacke und damit verbundene Alterungsmechanismen zurückzuführen. (Bild: TH Köln - CICS - Charlotte Hoffmann)
Seit vielen Jahrhunderten finden Profilleisten an traditionellen Möbeln eine verbreitete Verwendung. Zur Ökonomisierung des Fertigungsprozesses der an historischem Tischlerwerk allgegenwärtigen Leisten ersannen Handwerker und Ingenieure bereits ab dem 16. Jahrhundert Ziehmaschinen, die der handwerklichen Produktion mit speziell geformten Hobeln überlegen waren. Mithilfe dieser Apparate waren die Hersteller in der Lage gleichmäßige Leisten quasi als Meterware zu ziehen. Drei Studierende des BA-Studiengangs haben sich dem Bau einer Leistenziehmaschine gewidmet und stellen hier eine Eigenentwicklung vor, die sich an historische Konstruktionen anlehnt, aber modernen Erweiterungen nicht verschließt. (Bild: gemeinfreies Bild)
Februar 2022