Bauen für die Gemeinschaft – nicht für den Applaus
Ein Gespräch mit Petra Rinnenburger, Leiterin der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln und Mitinitiatorin der Weiterbildung „Bauprojektmanagement im öffentlichen Dienst“ an der TH Köln.

Petra Rinnenburger kennt die Praxis des öffentlichen Bauens bis ins Detail: Als Technische Betriebsleiterin der Gebäudewirtschaft Köln verantwortet sie anspruchsvolle Schul-, Kultur- und Sonderbauprojekte. Nach Stationen in der Bauleitung und Führungspositionen in mehreren Großstädten ist sie seit 2014 in Köln im Einsatz – mit Haltung, Weitblick und einem klaren Gestaltungsanspruch.
Mitinitiiert hat sie auch den neuen Zertifikatslehrgang »Bauprojektmanagement im öffentlichen Dienst« an der TH Köln. Im Interview erklärt sie, was die Rolle der Bauherrenvertretung so besonders macht – und warum es genau jetzt Menschen braucht, die Verantwortung übernehmen wollen.
Frau Rinnenburger, wenn Sie sich selbst als Bauprojekt charakterisieren müssten – was stünde in Ihrer Leistungsbeschreibung?
Definitiv kein Einkaufszentrum. Eher: 80 % Sonderbau mit besonderen Anforderungen und einem gewissen Überraschungspotenzial – aber am Ende voll funktionsfähig.
Und wenn Sie sich für Ihren Berufsalltag als Bauherrenvertreterin eine Superkraft wünschen dürften – welche wäre das?
Hellsehen. Denn am Anfang eines Projekts steht oft ein – aus funktionaler Sicht – noch sehr ungenauer Auftrag. Unterschiedlichste Erwartungen aus ganz verschiedenen Richtungen wie Nutzer:innen, Verwaltung oder Politik sind miteinander in Einklang zu bringen und technisch zu lösen. Manche formulieren ganz konkrete Wünsche, andere nur Stimmungen oder grobe Richtungen. Da würde ich gerne in die Zukunft sehen können – mit allen Funktionen, Beteiligten, Zielkonflikten und späteren Änderungswünschen. Dann wäre vieles einfacher.
Und oft beschleicht mich das Gefühl: Genau dieses Hellsehen wird auch von uns erwartet. In diesem Spannungsfeld alles richtig zu deuten und daraus eine tragfähige Grundlage zu entwickeln – das ist die eigentliche Kunst. Wenn ich das alles von Beginn an wie ein vollständiges 3D-Modell im Kopf hätte – das wär’s. Alles Gewünschte funktional, gestalterisch und politisch stimmig von Anfang an zu antizipieren, zu übersetzen und vorauszudenken – das wäre meine Superkraft.
Sie haben den Impuls für die Weiterbildung an der TH Köln gegeben und sie von Anfang an mitgestaltet – was war Ihnen dabei besonders wichtig, gerade auch mit Blick auf die Kompetenzen hinter solch einer „Superkraft“?
Mir ging es darum, deutlich zu machen, dass Bauherrenvertretung im öffentlichen Dienst eine ganz eigene Rolle ist. Für uns ist Planen und Bauen Tagesgeschäft – für unsere „Kundschaft“ eine Ausnahmesituation. Hier geduldig und verständlich zu sein und zu bleiben, gekonnt zu übersetzen – das vermittelt kein Studium, das muss man erleben.
Unsere Arbeit steht immer in der Öffentlichkeit. Zugleich soll sie alle Vorschriften und Erwartungen erfüllen – auch dann, wenn diese sich widersprechen. Etwa, wenn Bäume neuen Schulräumen weichen sollen. Dieses Spannungsfeld erfordert einen Kompetenz-Mix aus fachlichem Können, Verantwortungsbewusstsein, Diplomatie, Entscheidungsfähigkeit und Kommunikation. Das müssen wir nicht nur wissen und verstehen – wir müssen spüren, wie wir darin wirksam werden.
Was unterscheidet in diesem Kontext das Bauprojektmanagement in Kommunen von dem in der freien Wirtschaft konkret?
Ganz klar: die Öffentlichkeit. In kommunalen Projekten steht man immer auch den Bürger:innen gegenüber – nicht direkt entscheidungsbefugt, aber enorm wirkmächtig. Sie haben keine direkte Entscheidungsgewalt, aber enormen Einfluss auf politische Meinungsbildung. Das verändert alles: die Kommunikation, die Planung, die Geschwindigkeit. Und es braucht Menschen, die das verstehen – und damit umgehen können.
Warum braucht es dafür eine spezielle Weiterbildung?
Über Jahrzehnte wurde baufachliche Kompetenz im öffentlichen Dienst abgebaut. Stattdessen wurden Jurist:innen und Kaufleute eingekauft. Aber wer heute ein Projekt führen will, braucht mehr: die technische Kompetenz, das politische Gespür, das Wissen um die kommunalen Prozesse – und die Fähigkeit, das alles in eine funktionierende Projektstruktur zu übersetzen. Es braucht also ein Lernsetting, in dem man sich die notwendigen Handlungskompetenzen wirksam aneignen und später in die Praxis übertragen kann. Ein solches Angebot gab es bislang nicht. Diese Lücke wollten wir mit der TH schließen und das Know-How sämtlichen Gebäudewirtschaften in Deutschland anbieten.
Was erwartet die Teilnehmenden ganz konkret im Lehrgang?
Es geht darum, Handlungssicherheit zu gewinnen – nicht nur in Bauprozessen, sondern auch im Umgang mit Politik, Öffentlichkeit und Verwaltung. Wer heute Bauprojekte verantwortet, braucht hohe kommunikative Fähigkeiten – und genau die werden hier praxisnah vermittelt. Die Teilnehmenden erwartet ein realistischer Einblick in den Alltag kommunaler Bauherrenvertretung: von der politischen Beschlussfassung über Vergabeverfahren bis zur Projektsteuerung und dem Umgang mit verschiedenen Stakeholdern – fallbezogen und mit klarem Praxisbezug.
Die Weiterbildung schärft den Blick für das, was man sonst nicht lernt:
Wie verhalte ich mich im Gremium? Wie gehe ich mit öffentlichem Druck um? Wie bringe ich komplexe Interessen unter einen Hut?
Welche Eigenschaften sollte jemand mitbringen, der sich für die Weiterbildung interessiert?
Man braucht ein hohes Maß an Diplomatie – und vor allem die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ohne ständig auf Lob zu hoffen. Denn in der Regel werden die Entwurfsverfasser gefeiert – nicht wir auf der Bauherrenseite. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das Projekt am Ende funktioniert. Und wehe, unterwegs ändert sich etwas oder es läuft nicht wie geplant – dann heißt es schnell, die Bauherrenvertretung hätte das doch bitte von Anfang an erkennen müssen. Eine hohe intrinsische Motivation, Bauprojekte wirklich umsetzen zu wollen, ist deshalb wichtiger als der Wunsch, Auszeichnungen zu sammeln.
Neben all den Herausforderungen – gibt es auch Momente, in denen Sie denken: Genau deshalb mache ich diesen Job?
Oh ja. Ein konkretes Beispiel: Nach der Sanierung einer Schule stand bei der Einweihung ein Unterstufenchor auf dem Schulhof – lauter kleine Kinder, die einfach gesungen haben. In dem Moment wusste ich: Das ist jetzt ihr Raum. Ein Ort zum Lernen, Wachsen und Sich-Entfalten. Und ich dachte: Genau dafür machen wir das. Nicht für Auszeichnungen, sondern für das Gemeinwohl. Für Kinder wie diese. Für die qualitative Wirksamkeit von Gebäuden im Leben der Menschen in unserer Stadt.
Zur Person
Petra Rinnenburger ist Diplom-Ingenieurin für Architektur und leitet seit 2014 die Technische Betriebsleitung der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln. Sie verfügt über mehr als 15 Jahre Führungserfahrung im öffentlichen Bauwesen und verantwortet anspruchsvolle Sonderbauprojekte im Schul-, Kultur- und Feuerwehrbereich. Unter ihrer Leitung hat Köln eine Vorreiterrolle bei der Einführung digitaler Methoden wie Building Information Modeling (BIM) übernommen – Projekte unter ihrer Verantwortung wurden mehrfach ausgezeichnet.
Bundesweit engagiert sie sich in führenden Gremien des Verband kommunaler Immobilien- und Gebäudewirtschaftsunternehmen e. V. (VKIG) sowie im Präsidium von buildingSMART Deutschland. Ihre umfassende Expertise bringt sie regelmäßig in die praxisnahe Hochschullehre ein – unter anderem an der TH Köln.
Mit dem berufsbegleitenden Zertifikatslehrgang »Bauprojektmanagement im öffentlichen Dienst« hat sie gemeinsam mit der TH Köln ein passgenaues Format für Bauherrenvertretungen im öffentlichen Sektor geschaffen. Der Lehrgang richtet sich an Techniker:innen, Meister:innen, Ingenieur:innen und Projektverantwortliche, die bereits im öffentlichen Dienst tätig sind – oder dorthin wollen.
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Juli 2025