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Marcel Hönighausen

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Autonomes Fahren: Fortschritte und Herausforderungen im Fokus

Ein Symbolbild von einem autonomen Fahrzeug (Bild: Techtility Design/AdobeStock)

Von Testfahrten mit autonomen Binnenschiffen bis zu Pilotprojekten mit selbstfahrenden Elektro-Minibussen: Die Vision vom autonomen Fahren scheint immer näher zu rücken. Warum es trotz zahlreicher Innovationen noch Hürden zu bewältigen gilt, bis die Künstliche Intelligenz (KI) das Steuer übernimmt, erklärt Prof. Dr. Edwin Kamau vom Institut für Fahrzeugtechnik im Interview.

Prof. Kamau, der Weg zum selbstfahrenden Auto wird meist in fünf verschiedenen Abstufungen beschrieben. Welche sind das?

Das sind assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes, vollautomatisiertes und autonomes Fahren. Bei Stufe eins gibt es einfache Assistenzsysteme wie einen Tempomat. Auf Stufe zwei werden mehr Funktionen wie das Beschleunigen, Bremsen oder Lenken automatisiert. Hier sind etwa Notbrems- oder Spurhalterassistenten im Einsatz. Fahrer*innen müssen in diesen Stufen aber immer den Verkehr im Blick und die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. Das sieht in Stufe drei schon etwas anders aus: Hier sind Fahrzeuge in bestimmten Situationen, beispielsweise auf der Autobahn, autonom unterwegs und Fahrer*innen können ihre Aufmerksamkeit zeitweise vom Straßenverkehr abwenden. In Stufe vier wird die Fahrzeugführung situationsabhängig, etwa im Parkhaus, komplett abgegeben und Fahrer*innen werden zu Passagieren. In Stufe fünf bewältigt das Auto dann alle Verkehrssituationen selbstständig.

Und auf welcher Stufe befinden wir uns aktuell?

In Deutschland ist es seit dem 1. Januar 2023 erlaubt, auf Autobahnen autonom auf Stufe drei mit bis zu 130 Kilometer pro Stunde zu fahren. Es gibt hierzulande derzeit allerdings nur zwei Fahrzeugmodelle auf dem Markt, die nach dieser Stufe fahren dürfen. Die meisten anderen hochautomatisierten Autos befinden sich zwischen Stufe zwei und drei. So gibt es zum Beispiel bereits Autopiloten, die es erlauben, auf der Autobahn die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Das vereint Elemente der Stufe zwei wie den Spurhalteassistenten mit dem Gedanken der Stufe drei, das Fahren zeitweise der KI zu überlassen. Man sieht hier allerdings gut: Die Grenzen zwischen den einzelnen Abstufungen sind teilweise fließend und nicht immer eindeutig.

Prof. Dr. Edwin Kamau vom Institut für Fahrzeugtechnik Prof. Dr. Edwin Kamau vom Institut für Fahrzeugtechnik (Bild: Benedict Bremert / TH Köln)

Welche Vorteile bietet das autonome Fahren?

Selbstfahrende Autos können zur Verkehrssicherheit beitragen. Seit der Erfindung des Autos war und ist der Mensch der größte Risikofaktor im Straßenverkehr. KI-gesteuerte Fahrzeuge dagegen halten automatisch Geschwindigkeitsbegrenzungen ein, passen Abstände an und reagieren viel schneller. Zudem bieten sie das Potenzial, den Verkehrsfluss zu erhöhen – etwa durch intelligente Verkehrssteuerung. Das könnte zu weniger Staus und Schadstoffemissionen führen. Nicht zuletzt lässt sich auch die Mobilität im Allgemeinen steigern. So könnten mobilitätseingeschränkte Personen ohne zusätzliche Fahrer*innen befördert werden.

Und welche Risiken gibt es?

Risiken sehe ich insbesondere im Bereich der Cybersecurity. Autonome Fahrzeuge sind potenzielle Ziele für Hackerangriffe und müssen daher gut geschützt werden. Zudem besteht die Gefahr, dass Arbeitsplätze verloren gehen, vor allem im Bereich des Waren- und Gütertransports. Problematisch können auch Haftungsfragen werden, etwa bei Auffahrunfällen. Sind hier die Fahrer*innen oder die Versicherungen in der Verantwortung? Und welche Daten stellen die Hersteller den Versicherungen überhaupt zur Verfügung? Nicht zuletzt gibt es ethische Risiken: Wie kann sichergestellt werden, dass die KI moralisch komplexe Situationen, in denen Menschenleben gefährdet sind, richtig – oder besser gesagt: so richtig, wie es überhaupt möglich ist – einschätzt.

Es gibt also noch einige technische Herausforderungen zu lösen?

Absolut. Ein autonomes Fahrzeug muss schließlich all das ersetzen, was zuvor der Mensch getan hat – die KI muss also sehen, denken und handeln können. So muss sie zunächst mit Hilfe von Sensoren die Umgebung korrekt wahrnehmen. Allerdings beeinträchtigen Umweltbedingungen wie Regen oder Schnee diese Technologie noch. Zudem ist die Sensorik derzeit noch recht teuer. Das „Gesehene“ muss anschließend ausgewertet werden. Dazu bedarf es leistungsstarker Steuergeräte, die Daten in Echtzeit verarbeiten und auch Entscheidungen in Echtzeit treffen können – und zwar unabhängig davon, wie komplex das Verkehrsgeschehen ist und wie schnell etwas passiert. Und an letzter Stelle kommt schließlich die Handlungsebene, also die Umsetzung der Fahrfunktion wie das Beschleunigen, Bremsen oder Lenken. Hier gibt es bereits praktikable Lösungen, aber noch Optimierungsbedarf.

Müsste sich auch die Umgebung ändern, damit die KI sie besser erfassen kann?

Wenn flächendeckend autonome Fahrzeuge eingesetzt werden, wird sich auch die Infrastruktur verändern müssen. Zum Beispiel könnten Sensoren in Fahrbahnen, Ampeln, Verkehrszeichen oder Leitplanken integriert werden, die mit den Fahrzeugen kommunizieren. Wenn ein Fahrzeug beispielsweise Blitzeis erkennt, könnte es diese Information an die Leitplanke weitergeben, die wiederum herannahende Fahrzeuge frühzeitig informiert. Eine große Hürde sehe ich hier allerdings noch darin, dass alle Hersteller standardisierte Datenformate nutzen und sicherstellen müssten, dass ihr Fahrzeug auch mit anderen kommunizieren kann.

Wann werden sich autonome Fahrzeuge vollständig durchsetzen?

Neben den allgemeinen technischen Aspekten gilt es noch viele komplexe offene Fragen aus den Bereichen Recht, Ethik und Datenschutz zu beantworten. Es dauert wohl schätzungsweise noch zehn bis 20 Jahre, bis diese Herausforderungen gemeistert sind und der private Einsatz autonomer Fahrzeuge möglich sein wird. Früher wird das sicherlich aber schon in ganz bestimmten Bereichen passieren. Viele Unternehmen arbeiten zum Beispiel an selbstfahrenden Shuttle-Fahrzeugen, die nur in definierten Einsatzbereichen fahren sollen – etwa vom Flugzeug zum Gate. In solchen begrenzten Räumen gibt es nicht so viele unvorhergesehene Faktoren, die von der KI berücksichtigt werden müssen. Auch die rechtlichen Hürden sind dann nicht so groß. In solchen Bereichen werden also sicherlich die ersten autonomen Fahrzeuge eingeführt.

August 2023

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Marcel Hönighausen

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit


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