Wissenschaftspolitischer Meilenstein

Das Promotionskolleg NRW darf künftig eigenständige Promotionsverfahren durchführen und Doktorgrade vergeben. Was dies für die TH Köln bedeutet, erklärt der Vizepräsident für Forschung und Wissenstransfer der TH Köln, Prof. Dr. Klaus Becker, im Interview.

8. Nachmittag der Promotionen 1 Prof. Dr.-Ing. Klaus Becker, Vizepräsident für Forschung und Wissenstransfer (Bild: Thilo Schmülgen, TH Köln)

Prof. Becker, was ist das Promotionskolleg NRW?

Das Promotionskolleg NRW ist eine hochschulübergreifende wissenschaftliche Einrichtung der 21 Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Nordrhein-Westfalen. Es ist das Ergebnis eines Prozesses, der 2014 begann. Damals wurden erstmals kooperative Promotionen zwischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Universitäten in das Hochschulgesetz aufgenommen und das Graduierteninstitut für angewandte Forschung in Nordrhein-Westfalen errichtet. Dennoch waren viele universitäre Fakultäten aus unterschiedlichen Gründen sehr zurückhaltend bei kooperativen Promotionen, sodass die bestehenden Schwierigkeiten, fachwissenschaftlich passende Betreuer*innen an den Universitäten zu finden, trotz der Änderung des Hochschulgesetzes weiterhin bestanden. Also wollte die Politik einen anderen Weg gehen.

Im Hochschulgesetz von 2019 wurde dann die Gründung des Promotionskollegs für angewandte Forschung in Nordrhein-Westfalen gesetzlich verankert, das ein eigenständiges Promotionsrecht erhalten sollte, wenn die wissenschaftliche Gleichwertigkeit zum Maßstab der Universitäten festgestellt wird. Der Wissenschaftsrat hat dies geprüft und im November 2022 wird dem Promotionskolleg in einem feierlichen Festakt das Promotionsrecht unbefristet verliehen. Nach acht bis zehn Jahren ist eine erneute wissenschaftliche Begutachtung vorgesehen. Nach drei bis fünf Jahren ist eine Zwischenevaluation vorzusehen, die den Output an Publikationen, Dissertationen und Forschungsprojekten in den Mittelpunkt stellen soll. Ich bin davon überzeugt, dass das Promotionskolleg NRW diese Evaluationen mit Bravour bestehen wird.

Was bedeutet die Verleihung des Promotionsrechts?

Wissenschaftspolitisch ist das ein Meilenstein! 51 Jahre nach Gründung der Fachhochschulen bekommen wir endlich das Recht, selbst Doktorgrade zu vergeben.

Bisher war der Weg zu einer kooperativen Promotion für unsere Doktorand*innen sehr steinig. Passende Betreuer*innen auf universitärer Seite konnten oft nur über die persönlichen Netzwerke unserer Professor*innen oder im Ausland gefunden werden. Jetzt gibt es eine sichere Möglichkeit, die nicht zu einem gewissen Grad vom guten Willen unserer Partner*innen abhängt. Es passte auch nicht zum wissenschaftlichen Selbstverständnis unserer Professor*innen, die Konzepte entwickeln, Gelder akquirieren und einen Großteil der Betreuung übernehmen – und am Ende steht der Name einer anderen Hochschule auf der Promotionsurkunde.

Das Promotionsrecht wird zudem der Forschung einen erheblichen Schub verleihen. Es eröffnet neue Möglichkeiten der Kooperation und ist ein hervorragendes Argument zur Gewinnung von guten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und neuen Professor*innen.

Wie wird die Promotion im Promotionskolleg NRW künftig ablaufen?

Professor*innen müssen Mitglied des Promotionskollegs sein, um Promotionsverfahren ohne universitäre Partner*innen durchführen zu können. Für die Mitgliedschaft gibt es Kriterien. So müssen zum Beispiel forschungsbezogene Drittmittel in bestimmter Höhe eingeworben und ein definiertes Pensum an begutachteten Publikationen veröffentlicht werden. Ist dies erfüllt, wird man Mitglied in einer der acht Abteilungen des Kollegs. Hat man passende Kandidat*innen und Themen, wird innerhalb seiner Abteilung ein Betreuungsteam aus drei Professor*innen zusammengestellt. Neben der Arbeit an der Dissertation durchlaufen die Promovierenden ein Promotionsprogramm zur fachlichen und persönlichen Qualifikation. Die Güte der Promotionen wird über die Promotionsordnung und Qualitätssicherungsmechanismen in den Abteilungen garantiert.

Ganz wichtig: Das Promotionskolleg bietet eine zusätzliche Option zur Promotion. Kooperative Promotionen sind weiterhin möglich und an unserer Hochschule hochwillkommen.

Wie bringt sich die TH Köln in das Kolleg ein?

Wir waren von Beginn an in die konzeptionellen Überlegungen eingebunden und haben diese vorangetrieben. Derzeit stellen wir als TH Köln 42 professorale Vollmitglieder und 14 assoziierte Mitglieder, die die Kriterien noch nicht in vollem Umfang erfüllen. Zudem haben wir 35 promovierende Mitglieder, wobei diese Zahl in den kommenden Jahren rasant steigen wird. Wir arbeiten in den Direktoraten von einigen Abteilungen mit, sind im Kollegsenat und mehreren Abteilungsräten vertreten und ich bin Mitglied des Gründungsvorstandes. Das Graduiertenzentrum der TH Köln verfügt heute schon über ein sehr gutes Angebot an Weiterbildungen für Promovierende und wird diese künftig auch im Namen des Promotionskollegs anbieten.

Das Promotionskolleg NRW

- 268 Professorale Mitglieder
- 98 Assoziierte Mitglieder
- 351 Promovend*innen

Acht Abteilungen:
- Bau und Kultur
- Informatik und Data Science
- Lebenswissenschaften und Gesundheitstechnologien
- Medien und Interaktion
- Ressourcen und Nachhaltigkeit
- Soziales und Gesundheit
- Technik und Systeme
- Unternehmen und Märkte

(Stand: November 2022)
zur Webseite des Promotionskollegs NRW

November 2022

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