Wenn virtueller und physischer Raum verschwimmen
Technologien wie Virtual oder Augmented Reality ermöglichen es, virtuelle Elemente in den physischen Raum zu integrieren. Jonas Zimmer hat sich in seiner Dissertation „Transzendenz gestalten. Interdisziplinäre Paradigmen für das Design virtueller Räume“ mit der Verschmelzung von virtuellem und physischem Raum befasst.
Wie erklären Sie Ihr Thema Ihren Nachbarn?
Die Integration von virtuellen Elementen in den physischen Umgebungsraum markiert den Beginn eines neuen Zeitalters interaktiver Applikationen. Meine Forschung hat sich mit der Gestaltung dieses aufkommenden hybriden Raums, also der Verschmelzung von virtuellem und physischen Raum, insbesondere in Unterhaltungsapplikationen, beschäftigt.
Ich bin der Frage nachgegangen, wie digitale Umgebungen gestaltet werden müssen, damit sie sich natürlich in den physischen Umgebungsraum integrieren. Wie muss der Übergang vom physischen in den virtuellen Raum konstruiert werden, damit die Nutzer*innen die neue Rolle als „Im-Virtuellen-Wirkenden“ intuitiv verstehen und annehmen können?
Was haben Sie herausgefunden?
Ich habe mich bei meiner Untersuchung einer Research-Through-Design Methodologie bedient: ein Forschungsansatz, der Erkenntnisse aus Gestaltungsprozessen generiert. Im Zuge dessen analysierte ich meine eigenen Entwicklungsprozesse während der Gestaltung interaktiver, spielerischer Mixed-Reality-Erfahrungen, wie der VR-Zeitreise im Deutschen Museum Nürnberg. Dabei habe ich versucht, das immersive Potential der Anwendung zu erhöhen. Immersion beschreibt den Zustand, mental tief in einer medialen Erfahrung versunken zu sein. Im Falle der Mixed-Reality-Anwendungen, die ich entwickelte, geht es vor allem um die Verortung der eigenen Rolle innerhalb der Erfahrung: Ist man nun hauptsächlich eine Person, die im physischen Raum wandelt oder eine, die im Virtuellen handelt? In meiner Arbeit identifizierte ich sieben Designparadigmen, die dabei helfen, den Fokus der Nutzenden auf ihre Rolle im Virtuellen zu verschieben und die physische Rolle hinter sich zu lassen.
Was begeistert Sie an Ihrem Thema?
Was mich an meiner Arbeit besonders fasziniert, ist der interdisziplinäre Ansatz und das breite Feld möglicher Anwendungen. Insgesamt habe ich die Entwicklungsprozesse von vier Applikationen aus dem gesamten Spektrum der Mixed Realities – von Augmented Reality bis Virtual Reality – analysiert.
Thematisch haben sich diese im Bereich der historischen Didaktik, der musealen Kulturvermittlung sowie der psychologischen Persönlichkeitsforschung bewegt. Besonders interessieren mich nicht-euklidische Raumarchitekturen. Dabei überlappen sich Teile nebeneinanderliegender virtueller Räume, wodurch eine größere virtuelle Grundfläche innerhalb eines gleichbleibenden physischen Umgebungsraum erreicht wird. Erzielt wird dies, indem inaktive Räume gekrümmt beziehungsweise gestaucht werden und der aktuelle Raum auf seine volle Größe gedehnt wird. Auf diese Weise kann auf einer vergleichsweisen geringen physischen Fläche ein gesamter virtueller Gebäudekomplex erlebt werden. Durch geschickten Einsatz von aus Videospielen bekannten Gestaltungsmethoden konnte der Einsatz dieser Technologie vor den Probanden weitestgehend versteckt werden. Die Integration dieser Technologie und ihre nahezu verzaubernde Wirkung auf die Probanden hat mich besonders inspiriert.
Bildergalerie
Jonas Zimmer hat unter anderem im Forschungsprojekt EPPSA an der App "Porta Praetoria C.C.A.A." mitgewirkt. (Bild: Jonas Zimmer)
Die Anwendung "Porta Praetoria C.C.A.A." ermöglicht es den Nutzenden, die Dimensionen und die Atmosphäre des römischen Kölns des ersten Jahrhunderts spielerisch zu erleben. (Bild: Jonas Zimmer)
Wie kann es mit Ihren Ergebnissen weitergehen?
Die nächste Etappe meiner Forschung wird sich darauf konzentrieren, die Möglichkeiten nicht-euklidischer Architekturen weiter zu erforschen, insbesondere im Kontext der Unterhaltungsmedien.
Ich sehe hierbei zwei vielversprechende Richtungen: Die Einbindung in Mehrspieler-VR-Anwendungen, um kooperative, immersive Erlebnisse zu schaffen und die prozedurale Generierung der nicht-euklidischen Räume in Abhängigkeit von der Umgebung, in der das Spiel gespielt wird. Auf diese Weise könnte sich die virtuelle Spielumgebung dynamisch an die Grenzen und Limitierungen des umgebenden physischen Spielerraums anpassen. Zurzeit brauchen Spieler von VR-Spielen noch große, freie Flächen, um das Spiel in vollen Zügen zu genießen. Prozedural in die Räumlichkeit integrierte Spiele lassen sich in nahezu allen Situationen erleben und demokratisieren den Zugang zum Medium Virtual Reality.
Die Promotion wurde von Prof. Dr. Gundolf Freyermuth vom Cologne Game Lab und Dr. ing. Brigitte Mathiak an der Universität zu Köln betreut.
März 2024