Was das neue australische Mediengesetz für Deutschland bedeutet

Prof. Dr. Rolf Schwartmann  (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Der Streit der australischen Regierung mit Facebook ist vorerst beendet. Ein neues Mediengesetz regelt jetzt die Verwertung von journalistischen Inhalten auf der Plattform. Nach der Einigung plant Facebook nun auch in Deutschland größere Kooperationen mit Medienunternehmen. Prof. Dr. Rolf Schwartmann, Leiter der Forschungsstelle für Medienrecht der TH Köln, dazu im Interview.

Herr Prof. Schwartmann, worum ging es bei der Auseinandersetzung zwischen der australischen Regierung und Facebook?

Der Kern des Streits bestand darin, dass Onlineplattformen wie Facebook gesetzlich dazu verpflichtet werden sollten, ihre mit Nachrichteninhalten generierten Werbeeinnahmen mit Medienhäusern gegen Bezahlung an die Inhalteanbieter zu teilen. Während Google daraufhin Vereinbarungen mit mehreren Medienhäusern getroffen hat, hat Facebook tagelang journalistische Nachrichtenseiten aus Australien blockiert. Die Plattform hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass ihre Verpflichtung gegenüber den Medienunternehmen mit der Verschaffung von Reichweite bereits abgegolten sei.

Angesichts der Nachrichtensperre hat die australische Regierung das geplante Mediengesetz angepasst. Warum dieser Kurswechsel?

Im neuen Gesetz wurde festgeschrieben, dass sich Facebook zunächst mit den australischen Medienunternehmen zusammensetzen und Details über Zahlungen für journalistische Inhalte besprechen soll. Gelingt das nicht, wird ein von der Regierung berufener Schiedsrichter als Vermittler eingesetzt. Der Grund für diesen Kurswechsel liegt insbesondere in der wichtigen Funktion der sozialen Netzwerke für die Kommunikation in Staat und Gesellschaft. Die Regierung wollte nicht riskieren, dass sich Facebook womöglich gänzlich aus Australien zurückzieht. Deshalb hat sie sich vom ersten Entwurf distanziert und das Verhandlungsmandat zunächst an Facebook und Medienhäuser abgetreten.

Droht ein ähnlicher Machtkampf auch in Deutschland?

Bundeskanzlerin und Bundespräsident haben eine Regulierung zur Wahrung der Meinungsfreiheit angemahnt. Ende März will sich der Digital-Ausschuss des Bundestags mit der Marktmacht von Facebook in der Medienszene befassen – das birgt natürlich Konfliktpotenzial. Den Konkurrenzkampf zwischen Medienhäusern und -plattformen haben wir auch hierzulande. Gleichzeitig ist die Lage in Deutschland und Europa im Vergleich zu Australien eine andere, weil dort eine größere Medienkonzentration herrscht und wenige Akteure die Medienlandschaft bestimmen. Das ist in Deutschland nicht so. Nach der Einigung in Australien plant Facebook nun eine größere Kooperation auch in Deutschland. Ab Mai sollen Nachrichteninhalte von mehr als 100 regionalen und überregionalen deutschen Medienhäusern in einem gesonderten Bereich namens „Facebook News“ präsentiert werden. Dafür zahlt Facebook den Unternehmen Lizenzgebühren.

Was bedeutet diese Kooperation für die Medienhäuser?

Für Verlage und Medienmarken ist das ein schwieriges Geschäft. Einerseits sind diese von der durch Online-Plattformen genierten Reichweite abhängig, auf der anderen Seite begeben sie sich in ein intransparentes System und geben damit möglicherweise einen Teil ihrer Unabhängigkeit auf. Die Verlage bekommen auf Facebook eine Stimme gegen Bezahlung. Die Texte werden aber auch von Facebook kuratiert. Denn letztlich entscheiden die Programmiererinnen und Programmierer von Facebook, welche Inhalte an welcher Stelle ausgespielt werden. Diese Deutungshoheit wurde erst vor wenigen Tagen wieder deutlich, als Facebook und Instagram zeitweise ein Video des Politmagazins Monitor über den Anschlag von Hanau gesperrt haben.

Kann diese Deutungshoheit reguliert werden?

Wie das Beispiel Australien gezeigt hat, birgt der Machtkampf mit den großen Online-Plattformen erhebliche Risiken für die Demokratie, weil die politische Willensbildung von Tech-Giganten beeinflusst werden kann, die keiner Medienregulierung unterliegen. Das Zurückrudern der australischen Regierung ist gut nachvollziehbar und verdeutlicht zugleich, wie groß die Macht- und Monopolstellung der Plattformen ist. Eine grundsätzliche Debatte über weitere Regulierung ist daher mehr als überfällig. Die EU-Kommission hat mit dem Entwurf „Digital Services Act“ in diesem Kontext im Dezember 2020 bereits einen Vorstoß gewagt: Dieser soll Online-Plattformen mittelbar an die Grundrechte binden und etwa Regelungen in Fragen der Haftung treffen. Dieses Gesetz für digitale Dienste setzt auf Vertrauen in die Dienste. Sie müssen sich einen Kodex geben, auf den sie sich verpflichten. Ich habe in der F.A.Z. einen Vorschlag dafür gemacht, wie ein solcher Kodex aussehen würde.

März 2021

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