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Susanne Glaeser

Susanne Glaeser

Zentrum für Lehrentwicklung

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Open Space 2020 "Digitale Lehre: Rückblick – Einblick – Ausblick"

Die im September 2020 erstmals stattfindende Online-Tagung Open Space "Digitale Lehre: Rückblick – Einblick – Ausblick" bot den Lehrenden der TH Köln die Chance Ihre Ideen, Erfahrungen, Forschungsthemen oder Best Practices zur digitalen Lehre vorzustellen und mit Kolleg*innen zu diskutieren.

Die 1. Online-Tagung Open Space zum Nachdenken über das digitale Semester an der TH Köln startete mit 88 Personen in der Begrüßungsrunde – und knapp vier Stunden später waren es immer noch 76 Teilnehmende, ein bemerkenswert geringer Schwund. In drei verschiedenen Tracks gab es jeweils fünf Beiträge von Lehrenden der TH Köln, die über ihre Erfahrungen mit dem Sommersemester 2020 berichteten, das durch den plötzlichen Lockdown im März ohne viel Vorbereitungszeit nahezu komplett online stattfand.

Wie sonst beim Tag für die exzellente Lehre, der 2020 coronabedingt nicht stattfinden konnte, hielten die Rednerinnen und Redner kurze Präsentationen; einige zeigten den Teilnehmenden in Live-Demonstration, was die Studierenden erlebt hatten. Themen wie Podcasts in der Lehre, Portfolioprüfungen, Testeditoren und virtuelle Praktika, Online-Schreib-Retreats und Online-Peer-Reviews machten deutlich, mit welchem Ideenreichtum und welch hoher Bereitschaft zum didaktischen Experiment die Kolleginnen und Kollegen die Umsetzung von Präsenz- in Digitallehre angegangen waren.

Vizepräsidentin Prof. Dr. Sylvia Heuchemer und Präsident Prof. Dr. Herzig begrüßten das Plenum in kurzen Ansprachen und blieben beide bis zum Schluss – Herr Herzig konsequent mit stabilem Netz und eingeschalteter Kamera aus dem PKW, mit dem er während des Zuhörens (und engagierten Mitdiskutierens) 300 km Richtung Norden zurücklegte.

Die Teilnehmenden konnten nach der Brgrüßung an einem breitgefächerten Workshopprogramm. Das gesamte Programm mit den Beiträgen der Referent*innen kann auf den THspaces abgerufen werden. Unter anderem wurden folgende Beiträge präsentiert:

+ "(Zwischen)Ergebnisse des Forschungsprojektes zur Digitalen Lehre im SoSe 2020" an der Fakultät für Informatik und Ingeneurwissenschaften mit Prof. Dr. Monika Engelen

Im ersten Panel mit ca. 35 Teilnehmenden berichtete Prof. Dr. Monika Engelen (Fakultät für Informatik und Ingeneurwissenschaften, Institute for Business Administration and Leadership) über die „(Zwischen)Ergebnisse des Forschungsprojektes zur Digitalen Lehre im SoSe2020 an der F10“: Ein Ilias-Fragebogen mit rund 150 Fragen wurde von 557 Studierenden beantwortet. 68% der Teilnehmenden waren männlich, 31% weiblich und 0,2% divers, 87% studierten im Bachelor, 13 % im Master.

Am meisten überraschend, berichtete Frau Engelen, seien die großen Gegensätze in der Einschätzung darüber, ob die Online-Lehre in der Fakultät gut funktioniert habe oder nicht: von „Mein bestes Semester jemals, nur noch digital, bitte!“ (34 % aller Antworten) bis „Ganz schrecklich, schnell wieder Präsenzlehre“ (ebenfalls 34 % aller Antworten) reichten die Bewertungen.

Entsprechend zeige sich, dass ca. jeweils ein Drittel (28%) der Studierenden als Profiteure des Online-Semesters bezeichnet werden können, dass eine etwas größere Gruppe (38%) keinen deutlichen Unterschied zu den bisherigen Semestern wahrnimmt und dass eine ebenso große Gruppe, 34 % aller Studierenden, die Onlinelehre als hinderlich für ihren Lernerfolg einstuft. Allerdings kommt von den Studierenden insgesamt die Rückmeldung, dass die Online-Lehre Vorteile bietet, die auch in zukünftigen Präsenzsemestern beibehalten werden sollten. Auf den Punkt brachte das eine Person als Antwort auf die Frage „Was möchten Sie uns sonst noch mitteilen?“: „Man kann sogar auf der Toilette den Vorlesungen folgen – wenn das mal kein Luxus ist“.

Besondere Faktoren für einen guten Erfolg im Onlinesemester waren ein gut ausgestatteter Heimarbeitsplatz - dazu gehörten vor allem eine stabile und schnelle Internetverbindung, ein eigener Laptop und ein Arbeitsplatz, an dem die Studierenden in Ruhe arbeiten können. 25% aller Befragten gaben an, dass diese Grundausstattung bei ihnen nicht vorhanden war.

Weiterhin zeigten die Antworten im Fragebogen, dass eine hohe Selbstführungskompetenz grundsätzlich jede Ausgangslage verbessern kann und dass die wahrgenommene Unterstützung eine große Rolle spielt. Insgesamt wünschen sich die Studierenden mehr soziale Einbindung, so dass eine Conclusio für die Autor*innen der Studie ist:

"Als mögliche Handlungsempfehlungen lassen sich Trainings zur Stärkung der Selbstführungskompetenz, Lernräume in der TH sowie Möglichkeiten zum sozialen Austausch in digitalen Formaten und eine teilweise (zusätzliche) Beibehaltung digitaler Lernformen/-inhalte ableiten."

+ „Virtuelle Sitzordnung: Ankommen ohne physischen Raum“ mit Markus Zucker

Wenn Studierende eine Lehrveranstaltung besuchen, die in einer festen Gruppe und in einem konkreten Raum in der Hochschule stattfindet, geschehen viele kleine Ereignisse, die vor dem Lockdown so selbstverständlich waren, dass sie kaum Beachtung finden: Man sucht sich einen Platz im Raum, der den eigenen Bedürfnissen möglichst entgegenkommt, beobachtet die anderen Personen und nimmt erste Einschätzungen darüber vor, ob sie wohl interessante Gesprächspartner*innen sein könnten. Man erlebt, was die anderen fragen, wie sie antworten, mitarbeiten – kurz: eine Gruppe entsteht aus vielen an sich unscheinbaren Momenten, die im realen Raum gemeinsam erlebt werden.

In der reinen Online-Lehre fehlt all dies. Manchmal zeigen die Teilnehmenden nicht einmal ihre Gesichter und alle haben eine Wand aus schwarzen Kacheln vor Augen – eine unangenehme Lage für jede Person, die es wagt, sich in diese Anonymität hinein zu äußern − für Lehrende ebenso wie für Studierende. Die Folge ist häufig eine zähe Passivität und ein wenig inspirierender Lernprozess.

Markus Zucker hat sich überlegt, wie er Abhilfe schaffen kann. Realer Kontakt im Raum besteht aus vielen Elementen: verbale und nonverbale Kommunikation, Blicke, Gesten und Mimik, Zweiergespräche oder Störungen, Konzentration oder Unruhe – all dies wird wahrgenommen und steuert Handlungen. Ein wichtiges Moment ist dabei die Art und Weise, wie Menschen, die sich bisher nicht oder nur wenig kennen, in den Raum hineinkommen – mit dem erstmaligen Betreten haben sie quasi ihren ersten Auftritt, der erste atmosphärische Setzungen nach sich zieht.

Dieses Ankommen im virtuellen Raum kann bewusst so gestaltet werden, dass ein erstes Kennenlernen möglich wird. Markus Zucker nutzt dazu ein OneNote-Blatt - auch Powerpoint oder Word eignen sich -, auf das er skizzenhaft ein Pult, ein Whiteboard, verschiedene Sitzplätze und Nebenräume gezeichnet hat und das per geteiltem Bildschirm für alle zu sehen ist. In diesem „Raum“ platziert er nun mittels Namensschildern die bisher Anwesenden, die in dem Moment, wo ihr Name als Textfeld in der Skizze auftaucht, Entscheidungen treffen können und als Personen in Erscheinung treten.

Mit einigen Freiwilligen demonstrierte er in seinem Vortrag live, wie es ihm mit einigen kurzen Smalltalk-Fragen gelingt, das erste Eis zu brechen: Während er das virtuelle Namensschild erstellt, fragt er nach dem Befinden oder nach der Anreise, dann darf die Person einen Platz auf der Skizze wählen und das Textfeld wird dorthin geschoben. Das nächste Namensschild, die nächste Platzwahl folgen – und wenn jemand sagt „ich möchte neben Herrn X sitzen“, wird schon aufeinander Bezug genommen.  

Sind alle platziert, könnte eine Vorstellungsrunde anschließen, die die Sitzordnung als Vorgabe für die Reihenfolge nutzt und wiederum Bezüge ermöglicht. In größeren Textfeldern können Erwartungen, Fragen oder anderes festgehalten werden, das in der Kennenlern- oder Einführungsrunde besprochen wurde. Bildet man Kleingruppen in Breakout-Räumen, können die Namensschilder in die gezeichneten Räume geschoben werden. Wechselt jemand den Raum, ist auch das abbildbar.

Diese Art der Vorstellungsrunde dauert ein bisschen länger, als wenn man direkt startet. Damit es für die Wartenden nicht zu viel Leerlauf gibt, sollte die Methode nicht für Gruppen über 20-30 Personen genutzt werden oder für Studierende, die sich schon sehr gut kennen.

+ „Struktur vs. Flexibilität in Online-Lehrveranstaltungen: Bedarfe von Studierenden berücksichtigen“ mit Prof. Dr. Susann Kowalski

Susann Kowalski sieht E-Learning als eine Möglichkeit, die zeitliche und räumliche Flexibilität für die Studierenden zu erhöhen und insgesamt stärker als bisher zu individualisieren. Daher hat sie sich dazu entschieden, zu Beginn des Lockdowns sofort komplett auf den Modus „Fernstudium“ umzuschalten. Zugleich wollte sie ermöglichen, dass die Studierenden auf jeden Fall ihr Semester abschließen können, selbst wenn sie selbst als Lehrende ausfallen sollte. Eine möglichst große Sicherheit für die Studierenden mit engem Kontakt zueinander bei möglichst großer Flexibilität – das war das Ziel.

Die Lehrveranstaltung zum Thema Wirtschaftspsychologie war so strukturiert, dass die Materialien zum Erarbeiten eine Woche vor dem eigentlichen Termin abrufbar waren: Input gab es durch Folien und Fragebögen zur Selbsteinschätzung, später auch Podcasts. Jeweils eine Woche später mussten die Studierenden (ca. 60 TN) dazu Portfoliobeiträge abgeben, die Teil der Prüfungsleistung waren (jede Woche ergab 6% der Note) und auf die die Gruppe Feedback durch die Lehrende bekam. Dieser Rhythmus funktionierte gut, nur sehr wenige Studierende gaben ihre Beiträge nicht ab (1-2 Personen pro Woche).

Der begleitende Ilias-Raum wies zu jedem Thema die gleiche Struktur aus Materialien, Forum und Vorlagen für Arbeitsblätter auf, um möglichst übersichtlich zu sein.

Das Forum wurde nur wenig genutzt, am wenigsten für Fachfragen. Dennoch war durch die Portfolios der Bearbeitungsstand bei den Studierenden immer gut zu sehen. Eine Rückmeldung darüber, wie die Materialien ankamen, ließ aus den Texten nicht herauslesen– dafür hätte es das persönliche Gespräch gebraucht.

Die Lehrende erlebte das gesamte Setting als sehr streng und sehr strukturiert und fragte sich, ob die Studierenden nicht mehr Freiräume bräuchten. Die Studierenden hingegen meldeten zurück, dass sie die klare Struktur als sehr hilfreich erlebten und sich nicht gegängelt, sondern gut gemanagt fühlten.

Auch die Teilnehmenden beim Vortrag meldeten zurück, dass sie Transparenz und Struktur als sehr wesentliches Element für gelingende Lehre ansehen. Vielleicht ist es diese gefühlte Strenge, die dabei hilft, die weniger greifbaren Aspekte der Präsenzlehre wie Vertrauen oder Feedback durch nonverbale Kommunikation zu digitalisieren?

September 2020

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