Mehr Schutz für Whistleblower

Prof. Dr. Rolf Schwartmann  (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Im Dezember 2020 hat das Bundesjustizministerium einen Entwurf für das neue Hinweisgeberschutzgesetz vorgelegt. Damit sollen Menschen, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen und Behörden melden, vor Repressalien bewahrt werden. Prof. Dr. Rolf Schwartmann von der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht spricht im Interview über die geplanten Neuerungen und die damit verbundene Diskussion.

Herr Prof. Schwartmann, warum wird der Schutz von Whistleblowern gerade jetzt in der Politik diskutiert?

Whistleblowing-Fälle haben in den vergangenen Jahren häufiger mal Aufmerksamkeit erregt. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Missstände aufmerksam machen, dann hat das bislang in der Regel Kündigungen nach sich gezogen. Grund dafür ist die allgemeine Loyalitäts- und Verschwiegenheitsverpflichtung, auf die sich Unternehmen dann berufen. Deshalb hat die EU schon 2019 eine Richtlinie zum Schutz von hinweisgebenden Personen in Kraft gesetzt, die bis Ende des Jahres umgesetzt werden muss. Daher muss Deutschland jetzt handeln und das Thema nimmt entsprechend Fahrt auf.

Wurden Hinweisgebende in Deutschland bislang überhaupt nicht geschützt?

Das geltende deutsche Recht gewährt Whistleblowern nur einen fragmentarischen und rechtsunsicheren Schutz. Eine wahrheitsgemäße Strafanzeige als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte ist bisher kein Kündigungsgrund, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. Diese sind allerdings in einem undurchsichtigen Kriterienkatalog niedergeschrieben. Unter anderem muss ein Gericht die individuellen Motive der hinweisgebenden Person bewerten. Der Hinweisgeberschutz besteht aktuell also aus einer richterlichen Einzelfallentscheidung. Spezielle Abwehrrechte für Whistleblower sind dem deutschen Recht bislang fremd.

Worum geht es in dem neuen Entwurf?

Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden und Behörden sollen dazu verpflichtet werden, interne Meldestellen einzurichten. Diese Stellen müssen unabhängig und frei von Interessenskonflikten sein und können entweder von im Unternehmen beschäftigten Personen oder Externen besetzt werden. Die Identität von Hinweisgebenden ist von dieser Meldestelle geheim zu halten. Neben den internen Stellen sollen zudem externe Meldestellen durch Bund und Länder eingerichtet werden. Diese sollen die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht sowie von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ermöglichen. Zudem soll es ein Benachteiligungsverbot geben.

Was soll sich dadurch konkret ändern?

Nach dem Entwurf können sich Hinweisgebende künftig gleichranging an interne und externe staatliche Meldestellen wenden, wenn sie zumindest begründete Verdachtsmomente für einen Verstoß beziehungsweise eine Gefährdung von öffentlichen Interessen haben. Das heißt, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an externe Stellen wenden können, ohne Gefahr zu laufen, die Loyalitäts- und Verschwiegenheitspflicht zu brechen. Darüber hinaus dürfen Hinweisgebende beruflich nicht mehr benachteiligt werden. Kündigungen, das Versagen einer Beförderung oder sonstige Disziplinarmaßnahmen wegen einer Meldung sind dann unzulässig. Hinweisgebende Personen mussten bisher zudem das Risiko tragen, falsche Informationen zu liefern. Sie sind jedoch nach dem aktuellen Entwurf geschützt, wenn sie über begründete Verdachtsmomente informieren. Sind die Hinweise dagegen grob fahrlässig oder vorsätzlich falsch, müssen Hinweisgebende entstehende Schäden ersetzen.

Theoretisch soll das Gesetz Ende Dezember 2021 in Kraft treten. Bislang hat es aber nicht einmal das Bundeskabinett passiert. Woran liegt das?

Zurzeit streitet die Koalition noch über zentrale Punkte des Entwurfes. Die EU-Richtlinie verlangt nur, diese bezogen auf Verletzungen von EU-Recht umzusetzen. Das könnte bedeuten: Wer ein Datenleck meldet, ist geschützt – wer Schmiergeldzahlungen aufdeckt, aber nicht. Der gegenwärtige Entwurf umfasst daher auch die Meldung von Verstößen gegen hiesiges Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Hiergegen wird eingewandt, dass sich – da in Deutschland viele Gesetze durch Ordnungswidrigkeiten abgesichert sind – ein großes Missbrauchspotenzial durch die Meldung geringer Verstöße ergebe, um vom Hinweisgeberschutz gesichert zu sein. Melden Arbeitnehmende beispielsweise einen einfachen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz, weil ihnen eine Mittagspause nicht rechtzeitig gewährt wurde, ist jede für sie nachteilige Maßnahme verdächtig, eine Repressalie zu sein. Zudem wird mit einem in Corona-Zeiten großen Aufwand für Unternehmen argumentiert.

Und was spricht für den aktuellen Entwurf?

Viele große Unternehmen haben bereits Hinweisgebersysteme, Meldesoftware oder Ombudsleute. Sie wüssten mit solchen Meldungen sicherlich umzugehen. Zudem hatten sie seit Ende 2019 Zeit, sich hierauf einzustellen. Für eine Ausweitung des Hinweisgeberschutzes auf deutsches Recht spricht, dass es andernfalls zu einem fundamentalen Wertungswiderspruch käme, wenn Menschen, die zum Beispiel Schmiergeldzahlungen melden, nicht geschützt wären.

Mai 2021

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