Prof. Dr. Antonio Brettschneider ist Teil der Altersberichtskommission

Prof. Dr. Antonio Brettschneider  (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Lisa Paus – Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – hat Prof. Dr. Antonio Brettschneider vom Institut für Sozialpolitik und Sozialmanagement in die Neunte Altersberichtskommission berufen. Gemeinsam mit zehn weiteren Wissenschaftler*innen wird er sich mit dem Thema „Alt werden in Deutschland – Potenziale und Teilhabechancen“ beschäftigen.

Im Interview gibt er einen Einblick in die bevorstehende Aufgabe.

Prof. Brettschneider, wie kann man sich die Arbeit der Kommission vorstellen?

Die Sachverständigenkommission aus elf Professorinnen und Professoren hat Anfang Juli ihre Arbeit aufgenommen. Wir haben gut anderthalb Jahre Zeit, den mittlerweile neunten Altersbericht zu erstellen. Dieser soll knapp 200 Seiten lang sein und im März 2024 veröffentlicht werden. Unterstützt werden wir dabei von einer eigenen Geschäftsstelle, die beim Deutschen Zentrum für Altersfragen angesiedelt ist, sowie vom zuständigen Referat des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Wir treffen uns in etwa einmal im Monat, abwechselnd virtuell und in Präsenz in Berlin. Darüber hinaus können wir weitere Expertinnen und Experten hinzuziehen. Jedes Mitglied bringt seine spezifische Expertise ein und übernimmt einzelne (Unter-)Kapitel. Alles Weitere werden die nächsten Sitzungen zeigen – ich bin gespannt.

Welche Schwerpunkte wird der Bericht behandeln?

Der letzte Altersbericht von 2020 hat sich mit dem Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“ befasst. Der Neunte Altersbericht soll wieder eine allgemeine Bestandsaufnahme der Lebenssituationen älterer Menschen in Deutschland liefern. Der Auftrag enthält eine ganze Reihe von Fragestellungen und Einzelthemen. Im Kern geht es darum, ob und inwiefern gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten für alle älteren Menschen in gleichem Maße gegeben sind und an welchen Stellen die bestehenden Zugangschancen gesichert und verbessert werden müssen.

Bei der Beschreibung der Teilhabemöglichkeiten sollen wesentliche Veränderungen der letzten Zeit sowie zu erwartende Entwicklungen in der nahen Zukunft aufgezeigt werden. Dabei nehmen wir vor allem die Generation der Baby-Boomer in den Blick. Herausgearbeitet wird, welche gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen und Chancen mit deren Älterwerden voraussichtlich entstehen.

Neunte Altersberichtskommission Bundesministerin Lisa Paus (Mitte) hat Prof. Dr. Antonio Brettschneider (4. v. l.) in die Neunte Altersberichtskommission berufen. (Bild: Jens Liebchen)

Um welche Aspekte kümmern Sie sich?

Als Soziologe und Politikwissenschaftler sehe ich meine Aufgabe darin, sozialpolitische Aspekte und Perspektiven einzubringen. Neben der Bundespolitik ist dabei insbesondere die kommunale Ebene von Interesse, denn die Lebenssituationen und die Teilhabechancen älterer Menschen hängen leider nicht selten auch davon ab, in welcher Kommune oder in welcher Region sie leben. Daher wird sich die Kommission mit der Frage befassen, was getan werden kann, um eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Alter bei regional unterschiedlichen Voraussetzungen zu gewährleisten.

Damit verbunden ist die Frage, wie die an ältere Menschen gerichteten Angebote und Dienstleistungen vor Ort ausgestaltet sein sollten, um die verschiedenen Bedarfe zu decken und Teilhabe zu fördern. Aus meiner Sicht ist eine substanzielle Stärkung und Weiterentwicklung der lokalen Altenhilfestrukturen unverzichtbar. Diesen Gesichtspunkt möchte ich einbringen und nach Möglichkeit als konkrete politische Empfehlung im Bericht verankern.

Wie werden die Ergebnisse nach Veröffentlichung genutzt?

Die Altersberichte sollen der Bundesregierung bei der Ausrichtung ihrer Seniorenpolitik Anregungen und Orientierung geben. Sie bilden eine Grundlage für seniorenpolitische Entscheidungen. Ob sie das im politischen Alltagsgeschäft wirklich tun, steht auf einem anderen Blatt. Die Berichte werden als Bundestagsdrucksache veröffentlicht, die immer eine verpflichtende Stellungnahme der Bundesregierung enthält; die verschiedenen Ressorts müssen sich also mit den Befunden und Empfehlungen der Kommission inhaltlich auseinandersetzen. Der Bericht wird zudem in den entsprechenden Parlamentsausschüssen diskutiert. Die Publikation richtet sich zudem auch an eine interessierte Fachöffentlichkeit aus Verbänden, Wissenschaft, Presse und Wohlfahrtspflege. Im Anschluss an die Veröffentlichung gibt es in der Regel zahlreiche Fach- und Diskussionsveranstaltungen, auf denen die Ergebnisse eine breite Rezeption erfahren.

Wie ist das Thema Alter in Ihrer Forschung und Lehre verankert?

Ich habe in den letzten 15 Jahren intensiv zum deutschen Alterssicherungssystem geforscht, auch in international vergleichender Perspektive. Vor einigen Jahren habe ich eine umfangreiche Studie zu den biografischen Determinanten von Altersarmut in Deutschland durchgeführt. In meiner zukünftigen Forschung möchte ich mir die Systeme der Grundsicherung im Alter und der Altenhilfe näher anschauen und die Optionen der kommunalen Sozialpolitik ausloten, soziale Benachteiligungen abzubauen und allen älteren Menschen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Die Gewährleistung individueller Selbstbestimmungs- und Teilhabemöglichkeiten steht auch im Mittelpunkt des an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften vor gut drei Jahren neu gebildeten Forschungsschwerpunkts „Autonomieräume im Sozialstaat“, in den meine Professur eingebettet ist. Sozialpolitische Themenstellungen spielen last but not least auch in meiner Lehre eine hervorgehobene Rolle – sowohl im Bachelorstudiengang „Soziale Arbeit“ als auch in den Masterstudiengängen „Pädagogik und Management in der Sozialen Arbeit“ und „Beratung und Vertretung im Sozialen Recht“.

Juli 2022

Institut für Sozialpolitik und Sozialmanagement


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