Die Medien-Branchen nach der Urheberrechtsreform
Eröffnungsveranstaltung des Masterstudiengangs Medienrecht und Medienwirtschaft am 12. September 2022
Am 12.9.2022 fand die alljährliche Eröffnungsveranstaltung für den Masterstudiengang Medienrecht und Medienwirtschaft statt – nach Jahren des Wartens endlich wieder vollständig in Präsenz. Die Veranstaltung richtet sich an neue Studierende ebenso wie die aktuellen Drittsemester und Ehemalige sowie an die Dozierenden. In bewährter Tradition sollten nicht nur Denkimpulse gesetzt werden, sondern auch ein erster Praxiseinblick ermöglicht und eine Gelegenheit zum Networking gegeben werden. Dieses Jahr widmete sich die Veranstaltung der Frage, wie sich die jüngste Urheberrechtsreform auf die unterschiedlichen Medien-Branchen ausgewirkt hat. Dazu erschienen Vertreter und Vertreterinnen aus den Branchen Fernsehen, Presse, Games und Musik.
Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch Herrn Prof. Schwartmann, Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, und einem Grußwort an die Studierenden durch Prof. Sylvia Heuchemer, Vizepräsidentin der TH Köln, leitete Prof. Christian-Henner Hentsch als Moderator des Panels die Diskussion durch einen Impulsvortrag zur Bedeutung des Urheberrechts und dessen jüngster Reform ein. Er betonte, dass es im urheberrechtlichen Diskurs zurzeit wesentlich um zwei Elemente gehe. Zum einen um die Frage, wie eine gerechte Vergütung in einem arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozess (bspw. an einem Song wirken Künstler, Produzenten, Manager, Labels, Studiomusiker, Texter usw. mit) gelingen könne. Zum anderen verlaufe eine wesentliche Konfliktlinie zwischen den sog. Verwertern, das sind beispielsweise Verlage wie Springer oder Unternehmen wie RTL aber auch die Verwertungsgesellschaften wie Corint Media, und den großen marktbeherrschenden Plattformen wie Youtube, Google und Co. Hier stellten sich Fragen wie: „Für welche Inhalte haften die Plattformen? Was müssen die Plattformen zahlen? An wen müssen die Plattformen zahlen?“
Jüngster gesetzgeberischer Schritt zur Stärkung der Position der Verwerter war das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (UrhDaG). Instruktiv dargestellt wurde das UrhDaG von René Houareau, Geschäftsführer Recht und Politik des Bundesverbands Musikindustrie. Wesentliches Merkmal des Gesetzes sei die Pflicht der Plattformen proaktiv auf Rechteinhaber zuzugehen und zu versuchen, urheberrechtlich geschützte Inhalte (wie bspw. Songs oder Fernsehbeiträge), die ihre Nutzer auf der Plattform hochladen, zu lizensieren. Tun sie dies nicht, haften die Plattformen für die Nutzungen. Es gibt jedoch Ausnahmen: Der deutsche Gesetzgeber hat eine „mutmaßlich erlaubte Nutzung“ bestimmt. Hier wird bspw. vermutet, dass Videos, die kürzer als 15 Sekunden sind, erlaubte Karikaturen, Parodien oder Pastiches darstellen. Hierdurch sollen Upload-Filter und das übermäßige Löschen von Inhalten verhindert werden. René Houareau kritisierte diese Ausnahme scharf. Die proaktive Lizensierungspflicht der Plattformen wäre aus Sicht der Musikindustrie nicht notwendig gewesen, da hier bereits vor dem Gesetz alle Inhalte durchlizensiert gewesen seien. Positive Auswirkungen hätte das Gesetz daher kaum gehabt. Die Ausnahme führe jedoch negativ dazu, dass sich die Beweislastumkehr innerhalb der Lizenzverhandlungen zulasten der Urheberrechteinhaber verschoben habe. Es sei nun an den Rechteinhabern zu belegen, dass kurze Videos keine Satire seien und ihr Urheberrecht verletzten. Das wiederum habe zur Folge, dass mit Plattformen wie TikTok, die quasi komplett unter die 15-Sekunden-Ausnahme fallen, nicht mehr über Vergütungen verhandelt werden könne. Zu schlecht sei die Verhandlungsposition der Verwerter gegenüber solchen Plattformen geworden.
Eine ähnliche Meinung hatte Simone von Bentivegni, Ressortleiterin Medienrecht und Medienpolitik bei RTL Deutschland. Die deutsche Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie im UrhDaG sei „überschießend“. Allerdings führe das im Bereich Fernsehen zu weniger Problemen als in der Musikindustrie. Denn es seien zumindest Premium- und Live-Inhalte während ihrer Erstausstrahlung von den Regelungen zur „mutmaßlich erlaubten Nutzung“ ausgenommen. Das ermögliche in diesem Bereich weiterhin ein Verhindern von Urheberrechtsverstößen. Auch die sog. Red-Button-Lösung, die den Medienhäusern erlaubt, Inhalt zu blockieren, die wirtschaftlich so bedeutend für die Verwerter sind, dass eine unlizenzierte Veröffentlichung nicht hinnehmbar wäre, würde in der Praxis helfen.
Für die Presse spiele das Presseleistungsschutz eine deutlich größere Rolle als das UrhDaG erläuterte anschließend Benedicta von Rauch, Syndikusrechtsanwältin bei Axel Springer. Entscheidend für die Zukunft der Online-Presse sei das Presseleistungsschutzrecht. Pressebetriebe seien mittlerweile der Sache nach keine Verlagshäuser mehr, sondern Medien und Tech Unternehmen. Es sei daher essenziell, dass sie auch im Netz angemessen vergütet würden. Einzige Möglichkeit sei hier eine Finanzierung durch die großen Plattformen wie Google, Facebook und Co., die das Gros aller Werbeeinnahmen im Netz generierten. Die Häuser lieferten den Plattformen die notwenigen Inhalte, um Nutzer anzuwerben und zu halten. Daher sei es nicht nur wirtschaftlich erforderlich, sondern auch fair, wenn die Plattformen die Pressevertriebe hierfür auch angemessen entlohnten. Das passiere bisher nicht. Das Presseleistungsschutzrecht soll hier helfen. Hierauf fußende Verfahren laufen bereits. Deren Ausgang, so Benedicta von Rauch, entscheide über die Zukunft der Online-Presse.
Weitere für die Praxis zentrale neue Regelung des Urheberrechts ist die Auskunftspflicht der Verwerter (bspw. Sony Computer Entertainment) gegenüber ihren Urhebern (bspw. dem Lead-Designer eines Computerspiels). Tobias Haar, Rechtsanwalt bei Vogel & Partner Rechtsanwälte und Sprecher der AG Recht des game – Verband der deutschen Games-Branche, erläuterte die Bestimmung. Der Verwerter sei verpflichtet dem Urheber proaktiv mitzuteilen, was er durch das Werk des Urhebers verdiene. Der Gesetzgeber wolle so den einzelnen Urheber im Verhältnis zu den Verwertern mit meist größerer Verhandlungsmacht schützen. In der Praxis entscheidend sei die in den Paragraphen eingebaute Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Pflicht bestehe nämlich nur gegenüber Urhebern, die nicht nur einen „nachrangigen Beitrag“ zu dem Werk geleistet haben. Das sei gerade bei Computerspielen häufig der Fall, da hier eine Vielzahl an Menschen mitwirkten (Texter, Musiker, Grafikdesigner, Programmierer usw.). Jeden über den finanziellen Erfolg seines Werkes proaktiv zu informieren sei ein enormer Aufwand und gerade bei festangestellten Urhebern nicht praktikabel.
Alles in allem bot die Runde interessante Einblicke in aktuelle Praxisbedürfnisse und ermöglichte den Studierenden einen Eindruck, welche Themen und Rechtsgebiete sie in den nächsten Jahren begleiten werden. Bevor die Veranstaltung schließlich mit einem Get-together bei Brezeln und Bier endete, wurde von Prof. Stefan Sporn, Beiratsvorsitzender und Geschäftsführer der RTL International GmbH, noch der alljährliche Preis des Beirats der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht für die beste Studienleistung an Judith Burkamp verliehen.
Der Abend endete genauso ausgelassen und fröhlich, wie er begann, und hat bei den Studierenden die Vorfreude auf die kommenden zwei Semester geweckt.
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September 2022