Der Natur abgeschaut: Genetic Programming
Hochschulmitarbeiter Oliver Flasch promoviert mit Weiterentwicklung evolutionärer Prognoseverfahren
Die Evolution hat über Jahrhunderte und Jahrtausende erstaunliche Entwicklungen zustande gebracht wie zum Beispiel das Glühwürmchen, das 90 Prozent der eingesetzten Energie in Licht umwandeln kann. Das ist ein Wirkungsgrad, von dem heutige Ingenieure nur träumen können. Die Wirkungsweise der Mutation, die über kleine Veränderungen die Eigenschaften eines Tieres oder eine Pflanze immer weiter verbessert, macht sich das mathematische Verfahren des „Genetic Programming“ zunutze. Es zählt mit evolutionären Algorithmen, Fuzzylogik und neuronalen Netzen zu den naturanalogen Verfahren der Informatik, und kann effiziente Simulationsmodelle erzeugen, z.B. für die möglichst schadstoffarme Verbrennung in Kraftwerken.
Ein Experte für solche Themen ist Oliver Flasch, Mitarbeiter der Forschungsgruppe „SPOTSeven“ am Campus Gummersbach der Fachhochschule Köln. Jetzt hat er auch erfolgreich die Promotionsprüfung zum Dr.-Ing. an der Technischen Universität Dortmund bestanden. Seine Dissertation mit dem Titel “A Modular Genetic Programming System” behandelt die Entwicklung einer modular gestalteten Softwareumgebung für derartige Optimierungssysteme. „Wir können – wenn man im Bild der Evolution bleiben will – 100.000 Generationen in wenigen Sekunden Rechenzeit erzeugen, und dabei Millionen von Hypothesen testen, bis diejenigen übrig bleiben, die gut verständlich sind und die Abläufe genau erklären.“ , so der agile Informatiker. Sein System ist eine „Open Source“-Software auf der Basis der Sprache „R“, ist also für Anwender verschiedenster Fachrichtungen intuitiv nutzbar. Das in der 200seitigen Dissertation vorgestellte System ist erheblich schneller als alle Konkurrenzsysteme und damit interessant für die kommerzielle Nutzung.
Unter den vier Mitgliedern der Promotions-Prüfungskommission war Prof. Dr. Thomas Bartz-Beielstein vom Institut Informatik der Fachhochschule Köln vertreten, als Gutachter und vollwertiges Mitglied. Damit wurde das neue deutsche Promotionsrecht erstmals auch auf einen Doktoranden vom Campus Gummersbach der FH Köln angewandt. Prof. Bartz-Beielstein ist Gründer der Gummersbacher Forschungsgruppe SPOTSeven, die auf inzwischen 12 Mitglieder (davon drei Doktorandinnen und vier Doktoranden) angewachsen ist und sich international einen guten Ruf aufgebaut hat. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Entwicklungen im Bereich “Computational Intelligence“. Dr. Flasch arbeitet seit 2009 an der FH Köln. Prof. Bartz-Beielstein freut sich auch über die Wertschätzung der Studien in der „science community“: Der international renommierte Wissenschaftsverlag Springer wird Flaschs Doktorarbeit als Buch veröffentlichen.
Der 35jährige Wissenschaftler möchte seine Entwicklung auch selbst wirtschaftlich nutzen: Er betreibt neben seinem Hochschuljob gemeinsam mit zwei Kollegen und einer Kollegin das Unternehmen „sourcewerk“ mit Sitz in Dortmund. Die Firma hat sich spezialisiert auf Hard- und Softwaresysteme für die Simulation und Optimierung industrieller Prozesse. „Die Anwendungsmöglichkeiten unseres Systems sind praktisch unbegrenzt. Wir können immer da helfen, wo aus großen Datenmengen Wissen extrahiert werden soll oder Prognosen zu entwickeln sind.“ Als Beispiel nennt Dr. Flasch das Projekt einer Baumarktkette mit 250 Filialen: die Geschäftsleitung wollte wissen, für welche Produkte sie in welchen Filialen den höchsten Preis erzielen können.
Derzeit gibt es noch eine kleine Einschränkung für die kommerzielle Umsetzung der Neuentwicklung: Dr. Flasch möchte seine Zeit ausgewogen zwischen Beruf und Familie aufteilen, um seine zweijährige Tochter mit betreuen zu können.
Mai 2015