Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf Lebensmittelexporte

Getreideernte (Bild: Dusan Kostic/Adobe Stock)

Die Ukraine ist traditionell ein wichtiger Exporteur von Nahrungsmitteln. So stammen rund zehn Prozent des weltweit gehandelten Weizens aus dem Land. Durch den russischen Angriff sind die Häfen am Schwarzen Meer blockiert und zahlreiche Schiffe erreichen ihre Zielländer nicht.


Prof. Dr. Lars Ribbe vom Institut für Technologie und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT) spricht über die Folgen und mögliche Gegenstrategien.

Prof. Ribbe, was bedeutet die russische Blockade?

Die Ukraine ist aufgrund der geografischen Nähe einer der wichtigsten Handelspartner der Mittelmeeranrainer wie dem Libanon oder Ägypten. Dort machen sich die ausgefallenen Importe bereits bemerkbar und die Preise steigen an. Das ist vor allem kurzfristig ein Problem, das durch Mechanismen wie das UN World Food Programm gemindert werden wird. Mittel- und langfristig funktioniert der Weltmarkt gut, so dass andere Länder einspringen können. Indien hat etwa aktuell eine große Überproduktion; in Brasilien und Argentinien gibt es große Flächen mit Anbaupotential.

Gründungsdekan Prof. Dr. Lars Ribbe, Fakultät Raumentwicklung und Infrastruktursysteme Prof. Dr. Lars Ribbe, Gründungsdekan der Fakultät Raumentwicklung und Infrastruktursysteme (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Parallel dazu hat Russland einen Exportstopp für diverse Nahrungsmittel bis in den Sommer verhängt – den Verlautbarungen nach, um die heimische Versorgung zu sichern. Sollte dies verlängert werden und sollten russische Ausfuhren ebenfalls wegbrechen, dann stehen wir vor einer dramatischen Lage.

Welche Länder wären besonders betroffen?

Eine möglicherweise drohende Knappheit wird am Weltmarkt in Form von Preissprüngen vorweggenommen, wie wir das auch bei den Kraftstoffen vor einigen Wochen gesehen haben. Das trifft natürlich vor allem die ärmeren Länder. Diese haben nicht nur das Risiko einer Unterversorgung zu tragen, sondern sehen sich auch politischen Unruhen gegenüber. Denn in Ländern wie Ägypten erwarten die Menschen traditionell niedrige Brotpreise. Daher kauft die Regierung Getreide ein und gibt es günstig an die Bevölkerung weiter. Wenn dies nicht mehr gegeben ist, sind Proteste zu erwarten. Die Revolutionen rund um den arabischen Frühling 2011 – zum Beispiel in Ägypten oder Syrien – werden unter anderem auch auf die hohen Lebensmittelpreise zurückgeführt.

Wie ist es global um die Ernährungssituation bestellt?

Grundsätzlich ist die Nahrungsproduktion unseres Planeten ausreichend, um die Weltbevölkerung zu versorgen. Wo es zu Engpässen oder sogar Hungersnöten kommt, liegt dies meist an sozialen und politischen Unruhen oder Kriegen, die die Wirtschaft so sehr schwächen, dass die lokale Produktion zum Erliegen kommt und das Land für seine Importe nicht mehr zahlen kann bzw. Lieferketten zusammenbrechen. Stabilität, Sicherheit und Frieden sind also die beste Voraussetzung, um Ernährungskrisen zu vermeiden.

Hinzu kommen natürlich die Auswirkungen des Klimawandels: Dürren und andere Klimaextreme werden häufiger und somit die Ernten negativ beeinflussen. Gesellschaften müssen dem entgegenwirken, indem sie ihre Klimaresilienz verbessern, das heißt ihre Widerstandsfähigkeit gegen diese Folgen des Klimawandels erhöhen. Das gelingt zum Beispiel durch die Verbesserung der Bewässerung oder innovative Methoden der Bodenbearbeitung, um Wasser besser zu speichern. Andere Kulturen können gewählt werden, die mit den neuen klimatischen Bedingungen besser zurechtkommen, Saattermine können an Dürren angepasst werden etc. Vieles davon fällt in unser Forschungsgebiet und wird mit einheimischen Partnern vor Ort entwickelt. Aber hier schließt sich der Kreis zum eben Gesagten: Solche anspruchsvollen Transformationen können nur in Gesellschaften funktionieren, die ein Mindestmaß an Stabilität garantieren.

Das Interview wurde Anfang Mai 2022 geführt.

Mai 2022


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