Der intelligente Abfallstreuer
Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Mülltrennung soll die Recyclingquote erhöht werden. In einem ZIM-Projekt arbeiten das Institut für Allgemeinen Maschinenbau am Campus Gummersbach und der Fördertechnikhersteller Westeria gemeinsam an der Entwicklung eines Systems.
Schredder zermahlen Abfälle, Förderbänder rumpeln, Windsortierer fauchen. Die Motoren der LKWs dröhnen, während sie Material bringen und abholen, in der Luft liegt der Geruch von Müll. Über 15.500 Recyclinganlagen sorgen in Deutschland dafür, dass 69 Prozent des Abfallaufkommens in den Recyclingkreislauf eingespeist und teilweise wiederverwertet werden können. Um diese Quote zu erhöhen, arbeitet das Institut für Allgemeinen Maschinenbau am Campus Gummersbach in einem ZIM-Projekt mit dem Fördertechnikhersteller Westeria zusammen.
„Wir schauen uns einen besonders wichtigen Punkt im Recyclingprozess an: den Übergang von den aus Platzgründen schmalen Förderbändern zu den breiten Sortierbändern“, erläutert Projektleiter Prof. Dr. Patrick Tichelmann die Aufgabe. Fällt der Abfall von einem schmalen Band auf ein breites, ergibt sich meist eine mittige Materialanhäufung. Die Sortierstationen erzielen aber das beste Ergebnis, wenn der Müll möglichst gleichmäßig verteilt ist und die Objekte auf dem Förderband im Idealfall nur nebeneinander und nicht aufeinander liegen.
Scheiben auf heterogenen Müll einstellen
„Unser Projektpartner Westeria hat deshalb ein Materialverteilsystem entwickelt, bei dem der Müll vom Zulieferband auf eine oder zwei rotierende Scheiben fällt, welche den Abfall gleichmäßig auf das Sortierband ausgeben“, so Tichelmann. Bislang ist die Verteilscheibe jedoch starr montiert und es gibt keine Möglichkeit, das System vor Ort anzupassen. Da die Zusammensetzung des angelieferten Mülls häufig sehr heterogen ist und sich über die Einsatzzeit verändern kann, erzielt die Anlage nicht immer ein ideales Ergebnis. In einer Bachelorarbeit konnte ein Student des Instituts für Allgemeinen Maschinenbau nachweisen, dass die Verteilung durch Änderungen an sechs Parametern, die die Positionierung und Neigung der Scheibe beeinflussen, deutlich optimiert werden kann.
In einem ersten Schritt konstruierte das Team der TH Köln eine Aktuatorik für den Scheibenverteiler, die dafür sorgt, dass Neigung und Positionierung verstellt werden können. Dabei waren eine kompakte Bauweise, Wartungsfreiheit und Robustheit gegen Umwelteinflüsse sowie die unvermeidlichen Verschmutzungen besonders wichtig. Um die Anordnung des Mülls auf dem Sortierband bewerten zu können, wurde eine Kamera als Sensor über dem Förderband positioniert und eine Software programmiert, welche die Materialverteilung auf dem Fließband erkennen kann.
KI zur Müllerkennung
„Mittels der Sensorik kann nun erkannt werden, wenn die Verteilung nicht mehr optimal ist. Mit einer Veränderung der Parameter kann man dem entgegenwirken – aber natürlich ist es nicht praktikabel, dass die nötigen Anpassungen immer händisch vorgenommen werden. Daher haben wir eine selbstlernende Künstliche Intelligenz programmiert“, sagt Tichelmann.
Acht Millionen Tonnen mehr Wertstoffe
Diese erkennt anhand der Kamerabilder, wenn sich die Anhäufung des Abfalls außerhalb des definierten Toleranzbereiches befindet, und beginnt dann eine sogenannte Lernphase. Dabei ändert sie die Parameter der Verteilscheibe und beobachtet die Veränderungen bei der Müllverteilung so lange, bis neue optimale Einstellungen gefunden sind. Zudem merkt sich das System Einstellungen aus vergangenen Lernphasen, die bei bestimmten Müllmustern auf dem Band gut funktioniert haben.
In den Versuchen im Technikum der Westeria und in Anlagen von Kunden konnte durch das neue System eine Steigerung der Sortierleistung von mehr als zwei Prozent erreicht werden. „Das klingt erst einmal nach nicht viel. In Deutschland fallen allerdings pro Jahr 412 Millionen Tonnen Abfall an. Wenn das neue System die Recyclingquote um zwei Prozent erhöht, sind das acht Millionen Tonnen mehr Wertstoffe“, so Tichelmann.
Februar 2020