IFG-Stellungnahme zum angekündigten Genderverbot in Hessen und Bayern
Das Institut für Geschlechterstudien lehnt das geplante Verbot des Genderns, das Verbot inklusiver Sprache in öffentlich-rechtlichen Institutionen entschieden ab. Das Verbot einer inklusiven Sprache an Hochschulen stellt zudem einen massiven Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar.
Debatten um eine geschlechtergerechte Sprache haben in der Bundesrepublik Deutschland wieder Hochkonjunktur. Die neue Hessische Landesregierung aus CDU und SPD schreibt in ihrem Koalitionsvertrag: „Wir werden festschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt. Auf die Verwendung der sog. Gendersprache werden wir daher zukünftig landesweit verzichten.“(1) Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder will das Gendern in Hochschulen, Schulen und der Verwaltung verbieten. In seiner Regierungserklärung am 05.12.2023 kündigt er an: „Für Bayern steht fest: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen sogar untersagen.“(2) Er beruft sich auf die Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung, der sich im Juli 2023 erneut dagegen aussprach, geschlechtergerechte Sprachzeichen in das amtliche Regelwerk aufzunehmen.(3)
Inzwischen kommt zurecht massive Kritik von verschiedenen Einrichtungen (Hochschulen, wissenschaftliche Fachgesellschaften, Rundfunk, Schulen, Frauen- und Gleichstellungseinrichtungen etc.), die wir als Institut für Geschlechterstudien (IFG) grundsätzlich begrüßen. So hat z.B. die Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen (LaKoF) einen Offenen Brief zur Regierungserklärung der Bayerischen Landesregierung online gestellt, mit inzwischen mehr als 7000 Unterschriften (Stand: 09.01.2024).(4)
Das geplante Verbot inklusiver Sprache in Hessen und Bayern widerspricht dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. 2017 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die explizite rechtliche Anerkennung von mehr als zwei Geschlechtern nicht nur aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG folgt, sondern auch durch das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung in Art. 3 Abs. 3 GG geboten ist. Der Bundesgesetzgeber hat darum in § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz und § 9 Nr.3 SGB VIII (Recht der Kinder- und Jugendhilfe) klargestellt, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt.(5,6)
Weltweit gibt es über 7000 Sprachen.(7) Diese Kulturprodukte unterliegen einem ständigen Wandel, sie spiegeln u.a. gesellschaftliche Haltungen und Identitäten wider, allen voran die Deutungsmuster des Patriarchats.(8) Feministische Bewegungen kämpfen seit Jahrhunderten für Gleichheit, Fairness, Respekt und Sichtbarkeit aller Geschlechter, auch in der Sprache, um die Repräsentanz aller Geschlechter in den Blick zu nehmen, damit niemand aufgrund von Geschlecht diskriminiert werden kann.( 9,10)
Sprache verändert sich permanent, ist aber auch ein wichtiger Integrationsfaktor für Haltungen, Offenheit und Respekt gegenüber der Geschlechtervielfalt. 2022 lag in Deutschland der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei 24,3% (rund 20.2 Mio.).(11) Eine sensible Geschlechtersprache kann in einer diversen Migrationsgesellschaft auch signifikant dazu beitragen, Toleranz und Offenheit für Geschlechterperspektiven zu entwickeln. Geschlechtergerechtigkeit, Diversität, Sichtbarkeit und Anerkennung aller Geschlechter erachten wir daher als Institut für Geschlechterstudien für unverzichtbare Säulen einer toleranten, freien und respektvollen Solidargemeinschaft.
Das Institut für Geschlechterstudien lehnt das geplante Verbot des Genderns, das Verbot inklusiver Sprache in öffentlich-rechtlichen Institutionen daher entschieden ab. Das Verbot einer inklusiven Sprache an Hochschulen stellt zudem einen massiven Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar. Wir erwarten von den Landesregierungen Hessen und Bayern den Passus zum Genderverbot in öffentlich-rechtlichen Institutionen zu streichen. Vielmehr rufen wir zu einem fairen, authentischen und wissenschaftlich begründeten Umgang mit gesellschafts-politischen Fragen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit auf.
Institut für Geschlechterstudien (IFG)
Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften
TH Köln
Quellenverzeichnis
(1) https://www.spd-hessen.de/wp-content/uploads/sites/269/2023/12/Koalitionsvertrag_2024-2029.pdf
(2) https://www.bayern.de/damit-bayern-stark-und-stabil-bleibt-regierungsprogramm-der-zukunft/?seite=5468
(3) https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-07/gendern-rat-fuer-deutsche-rechtschreibung-genderzeichen-empfehlung
(4) https://www.lakof-bayern.de/nachrichten/nachrichten/offener-brief-zur-regierungserklaerung-der-bayerischen-landesregierung-unter-markus-soeder-vom-5-dezember-2023
(5) https://verfassungsblog.de/verfassungswidrige-sprachverbote/
(6) https://www.gesetze-im-internet.de/pstg/__22.html
(7) https://www.ethnologue.com
(8) Hausherr-Mälzer, M. (1990). Die Sprache des Patriarchats. Peter Lang Verlag.
(9) Kortendiek, B., Riegraf, B. & Sabisch, K. (Hrg.) (2019). Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Springer.
(10) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/meilensteine-der-gleichstellungspolitik-109330
(11) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/04/PD23_158_125.html
Januar 2024