Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften

TH Köln
Campus Südstadt
Ubierring 48, 50678 Köln

Kontakt

Prof. Dr. Carolin Küppers

Prof. Dr. Carolin Küppers

Angewandte Sozialwissenschaften
Institut für Geschlechterstudien (IFG)

  • Campus Südstadt
    Ubierring 48
    50678 Köln
  • Telefon+49 221-8275-5578

Prof. Dr. Julia Zinsmeister

Prof. Dr. Julia Zinsmeister

Angewandte Sozialwissenschaften
Institut für Soziales Recht (ISR)

  • Campus Südstadt
    Ubierring 48
    50678 Köln
  • Telefon+49 221-8275-3340

Prof. Dr. Anja Rütten

Prof. Dr. Anja Rütten

Informations- und Kommunikationswissenschaften
Institut für Translation und Mehrsprachige Kommunikation (ITMK)

  • Campus Südstadt
    Ubierring 48
    50678 Köln
  • Telefon+49 221-8275-5929

Symposium: Sexarbeit – Sex als Arbeit. Aktuelle Debatten und Internationale Perspektiven.

Sexarbeit bzw. Prostitution wird im öffentlichen Diskurs vielfach als gesellschaftliche Bedrohung oder als Ausbeutung von Frauen durch Menschenhändler, Zuhälter oder Kunden - beschrieben. Daraus resultiert häufig die Erwartung und Forderung an die Politik, entschiedener gegen Sexarbeit vorzugehen - z.B. in Form eines Sexkaufverbotes.

Doch entsprechen diese Bilder von Sexarbeit der Realität? Wann und wo brauchen Sexarbeitende tatsächlich Schutz und wie lässt sich dieser politisch herstellen?
Welche Rolle kommt dabei der Sozialen Arbeit zu?

An der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften nutzten weit über hundert Teilnehmende des Symposiums: „Sexarbeit – Sex als Arbeit“ am 13.07. die Möglichkeit, sich mit diesen Fragen aus unterschiedlichen disziplinären Blickwinkeln der Wissenschaft und Praxis und im internationalen Vergleich zu befassen.

Die Veranstalterinnen Prof. Dr. Carolin Küppers und Prof. Dr. Julia Zinsmeister hatten internationale Expert*innen auf das Symposium eingeladen, in deren Staaten Sexarbeit rechtlich sehr unterschiedlich reguliert wird und die von den Auswirkungen der verschiedenen Regelungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Sexarbeitenden berichten konnten. Studierende der Fakultät 03 für Informations- und Kommunikationswissenschaften übernahmen die Simultanverdolmetschung und dank der Vermittlung von Prof. Dr. Anja Rütten stellte die Firma SE Concept hierfür die gesamte Dolmetschtechnik .

Eröffnet wurde das Symposium von Prof. Küppers, die in die aktuellen politischen Debatten über das umstrittene Arbeitsfeld der Sexarbeit einführte. Dabei nahm sie mehrere Abgrenzungen vor und plädierte dafür, Sexarbeit differenzierter zu betrachten. Es müsse bspw. deutlich unterschieden werden sowohl zwischen Sexarbeit und sexualisierter Gewalt als auch zwischen Sexarbeit und Menschenhandel. Die Vermischung dieser Themenfelder verunmöglicht es zum einen, tatsächlich Betroffene von Menschenhandel und sexualisierter Gewalt angemessen zu unterstützen, zum anderen wird Sexarbeit dadurch in der Regel nicht als Erwerbsarbeit anerkannt und Sexarbeiter*innen jegliche Handlungsmacht abgesprochen. Stattdessen plädierte die Referentin dafür, Sexarbeit im Kontext prekärer Beschäftigung zu betrachten und danach zu fragen, wie allgemein die Arbeitsbedingungen in prekären Arbeitsverhältnissen verbessert und allgemeine Arbeitsrechte für alle geltend gemacht werden könnten.

In dem anschließenden international besetzten Panel berichteten die Referent*innen übereinstimmend, dass sich Sexarbeitende mehrheitlich bewusst und gewollt für die Sexarbeit als Haupt- oder häufig auch Nebenerwerbsarbeit entscheiden, bspw. weil sie ihnen viel zeitliche Flexibilität und vergleichsweise gute Verdienstmöglichkeiten bietet. Sexarbeiter*innen, gab Dr. Anastasia Diatlova (University Helsinki) zu bedenken, könnten das Maß an körperlicher Nähe zu ihren Kund*innen häufig besser steuern als Mitarbeitende in der Pflege, die – z.B. im Kontakt mit den Ausscheidungen der Pflegebedürftigen – laufend eigene Grenzen überwinden müssten. Zur Frage der Gewaltbedrohung in der Sexarbeit wiesen die Expert*innen darauf hin, dass körpernahe Tätigkeiten – auch die Pflege - stets mit einem erhöhten Risiko von Grenzüberschreitungen und Gewalt einher gingen, es darüber hinaus aber strukturelle Bedingungen der Sexarbeit sind, die dieses Risiko weiter erhöhen oder minimieren können. Aus Südafrika berichtete Ntokozo Sibahle Yingwana (University of the Witwatersrand), dass die dortige vollständige Kriminalisierung der Sexarbeit dazu führe, dass sich gewaltbetroffene Sexarbeiter*innen nicht an die Polizei wenden und daher leichter ausgebeutet und viktimisiert werden könnten. In Deutschland, erläuterte Julia Zinsmeister, kann Sexarbeit legal nur außerhalb der Sperrbezirke, also vorrangig in Gewerbe- und Industriegebieten ausgeübt werden, in denen sich Sexarbeitende vor allem nachts nicht sicher fühlen. Als besonders vulnerabel seien Sexarbeitende mit unsicherem Aufenthaltsstatus und Abhängigkeitserkankungen sowie Transpersonen einzustufen. Belgien hat einen völlig anderen Weg eingeschlagen und einvernehmliche Sexarbeit nicht nur vollständig entkriminalisiert, sondern Sexarbeitenden auch den Weg zur Sozialversicherung und Arbeitsschutz geebnet. Daan Bauwens (Utsopi, Brüssel) schilderte, dass dabei auch dem Risiko der Ausbeutung und Gewalt gezielt begegnet wurde.  So machen sich in Belgien Kunden, die die Bezahlung der in Anspruch genommenen sexuellen Dienstleistungen verweigern, wegen Vergewaltigung strafbar. Bestraft würden auch die Betreiber von Bordellen und anderen Etablissements, wenn sie Sexarbeiter*innen ohne Arbeitsvertrag und Sozialversicherung beschäftigten. Anders als in Deutschland seien in Belgien auch Sexarbeiter*innen ohne legalen Aufenthaltsstatus arbeitsrechtlich geschützt.

Insgesamt wurde deutlich, dass die ganz oder teilweise Kriminalisierung von Sexarbeit diese nicht verhindert, Sexarbeitende aber rechtlos stellt und in die Illegalität und Isolation drängt. Die Folgen davon wurden in der Pandemie besonders deutlich.

Nachdem das Thema am Vormittag sehr breit aufgemacht und eher aus einer rechtlichen Perspektive diskutiert wurde, ging der Nachmittag in die konkrete Handlungspraxis. In fünf Workshops, die sehr unterschiedliche Zielgruppen der Sexarbeit aus einer lokalen Perspektive betrachteten, diskutierten Praxispartner*innen aus Sozialer Arbeit und Selbstorganisation sowie Wissenschaftler*innen mit den Studierenden und anderen Teilnehmenden über die spezifischen Bedarfe von männlichen und trans* Sexarbeitenden, migrantischen Sexarbeiter*innen, Sexarbeiter*innen auf der Straße. Eine Masterstudentin stellte zudem die Ergebnisse ihrer Befragung von Kunden von Sexarbeiter*innen vor.

In einem abschließenden Panel wurde gemeinsam der Frage nachgegangen, was Soziale Arbeit hier bewirken kann und was sich Sexarbeiter*innen von der Sozialen Arbeit an Unterstützung wünschen würden.

Juni 2025

Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften

TH Köln
Campus Südstadt
Ubierring 48, 50678 Köln

Kontakt

Prof. Dr. Carolin Küppers

Prof. Dr. Carolin Küppers

Angewandte Sozialwissenschaften
Institut für Geschlechterstudien (IFG)

  • Campus Südstadt
    Ubierring 48
    50678 Köln
  • Telefon+49 221-8275-5578

Prof. Dr. Julia Zinsmeister

Prof. Dr. Julia Zinsmeister

Angewandte Sozialwissenschaften
Institut für Soziales Recht (ISR)

  • Campus Südstadt
    Ubierring 48
    50678 Köln
  • Telefon+49 221-8275-3340

Prof. Dr. Anja Rütten

Prof. Dr. Anja Rütten

Informations- und Kommunikationswissenschaften
Institut für Translation und Mehrsprachige Kommunikation (ITMK)

  • Campus Südstadt
    Ubierring 48
    50678 Köln
  • Telefon+49 221-8275-5929


M
M