Den Rätseln von Kunstschätzen auf der Spur

Ein Gemälde aus dem italienischen Barock, eine Bildtafel aus Elfenbein und Ebenholz von 1882 und eine Hausbibel aus dem 18. Jahrhundert: auf der Kunstsprechstunde haben Expertinnen und Experten des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS) wieder private Kunstschätze untersucht. Die Sprechstunde fand im Rahmen der Fachmesse EXPONATEC statt.

In der Kunstsprechstunde auf der EXPONATEC, der internationalen Fachmesse für Museen, Konservierung und Kulturerbe, erfuhren Besucherinnen und Besucher mehr über Material, Alter, Zustand und Möglichkeiten der Restaurierung ihrer persönlichen Kunstschätze. Bei einem Gemälde, das eine Verkündigungsszene zeigt, ging es insbesondere um die Bestimmung des Alters und der Herkunft. Dazu wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführt, wie Prof. Dr. Gunnar Heydenreich, erklärt: „Wir beginnen dabei in der Regel mit einer allgemeinen Recherche. Hier konnten wir feststellen, dass diese Darstellung auf den italienischen Barockmaler Giovanni Lanfranco zurückzuführen ist, von dem eine entsprechende Komposition in der Eremitage in St. Petersburg erhalten ist.“

Im Anschluss an die erste Recherche folgten die mikroskopische Untersuchung sowie eine Analyse unter Einsatz strahlendiagnostischer und analytischer Verfahren. Mit Hilfe von Infrarotreflektografie können so genannte Unterzeichnungen – die ersten künstlerischen Arbeitsvorgänge auf einem grundierten Bildträger – sichtbar gemacht werden. Eine Röntgenfluoreszenzanalyse gibt darüber hinaus Aufschluss über die verwendeten anorganischen Pigmente. „Bei dem vorliegenden Gemälde konnten wir keine signifikanten Veränderungen im Entstehungsprozess nachweisen. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass es sich um eine Kopie nach dem Gemälde in St. Petersburg handelt. Zudem konnten wir Signale für die Verwendung des seltenen Farbpigments Blei-Zinn-Antimongelb gewinnen, das nach heutigem Kenntnisstand vor allem im Rom des 17. Jahrhunderts und auch von Lanfranco selbst verwendet wurde“, so Prof. Dr. Tilly Laaser. „Eine Entstehung dieses Gemäldes im unmittelbaren Umfeld von Lanfranco erscheint somit möglich, bedarf aber einer weiteren interdisziplinären Untersuchung.“

Um eine Bestimmung von Alter und Herkunft ging es auch bei einer historischen Hausbibel, deren Frontispiz zweifarbig gedruckt wurde und eine Besonderheit darstellt. Die Bibel stamme vermutlich aus einer Benediktinerabtei aus dem 18. Jahrhundert, so Prof. Dr. Andrea Renate Pataki-Hundt. Bei einer Bildtafel aus dem Jahr 1882 hingegen stand die Analyse des Materials im Mittelpunkt, wie der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Krupa berichtet: „Die Tafel ist handwerklich sehr hochwertig verarbeitet und war möglicherweise Bestandteil eines größeren Objekts, zum Beispiel eines Schranks oder einer Wandvertäfelung. Auf einem Bildträger aus Mahagoniholz wurde die Darstellung eines Ritters hoch zu Ross in Form einer Marketerie aus Elfenbein und Ebenholz gelegt. Dass es sich um Elfenbein und nicht etwa um Knochen oder ein Kunststoffimitat handelt, lässt sich unter einem Vergrößerungsglas anhand von Wachstumsringen und den so genannten Schreger-Linien im Material erkennen.“

Das CICS auf der EXPONATEC

Die Kunstsprechstunde des CICS findet alle zwei Jahre statt und ist mittlerweile fester Bestandteil der Fachmesse EXPONATEC, auf der sich das Institut mit seinen Forschungsarbeiten präsentiert. In diesem Jahr standen die Einzelpräsentationen am Messestand des Instituts unter dem Leitthema „Werte verstehen – understanding values“. Es wurden aktuelle Studien- und Forschungsprojekte vorgestellt, unter anderem zu arsenhaltigen Bucheinbänden, der Festigung von Malschichten mit niedrigviskosen Celluloseethern als Aerosol und der Herstellung von Kopien im 3D-Druck-Verfahren mit Ton. Zudem haben 15 Absolventinnen und Absolventen des Masterstudiengangs Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut vorgestellt, mit welchen Aufgaben und Problemlösungen sich Nachwuchsrestauratorinnen und -restauratoren befassen.

November 2021

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