Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin Inside out 4/2015

Bringen Telematik-Tarife Vorteile für die Verbraucher?

Prof. Dr. Michaele Völler (Bild: privat)

Eine Blackbox für die Kfz-Versicherung – die Digitalisierung bietet neue Modelle für die Versicherungsbranche. Für Dr. Michaele Völler, Professorin für Unternehmensführung und Versicherungsmarketing, überwiegen bei den Telematik-Tarifen für Verbraucherinnen und Verbraucher die Vorteile.


Deutschlands größter Kfz-Versicherer will 2016 Telematik-Tarife anbieten: Wer seinen Fahrstil mit einer im Auto installierten Blackbox kontrollieren lässt, zahlt niedrigere Beiträge. Hat das nicht etwas von Überwachung statt einem echten Mehrwert für den Versicherer?
Michaele Völler: Überwachung ist heute schon fast normal: In einer Welt, in der fast jeder Google benutzt, Nachrichten über WhatsApp austauscht, mit der Payback-Karte einkauft und
ein Smartphone bei sich trägt, ist es letztlich doch schon üblich, dass man besondere Leistungen oder Vergünstigungen nur noch im Austausch gegen Daten erhält. In manchen Fällen ermöglichen es die Daten sogar erst, den Kunden besser zu verstehen und ihm einen besonderen Vorteil zu bieten. Tatsächlich sehe ich in den Telematik-Tarifen einen deutlichen  Mehrwert für die Versicherten: Autofahrer können aufgrund des Feedbacks aus den Systemen ihre Fahrweise verbessern und leben damit sicherer. Zudem profitieren sie bei vorsichtiger Fahrweise von den günstigeren Prämien. Obendrein bietet die verwendete Technologie die Möglichkeit, bei einem Unfall sofort Hilfe zum Unfallort zu schicken. Wenn dadurch mein eigenes oder das Leben meines Kindes gerettet wird, empfinde ich das als großen Mehrwert.

Müssen Kundinnen und Kunden befürchten, dass die Preise von Nicht-Telematik-Tarife in Zukunft steigen werden?
Michaele Völler: Die mir bekannten Konzepte sehen lediglich vor, dass gutes Fahrverhalten belohnt wird. Ein schlechtes Fahrverhalten führt dazu, dass man bei der alten Prämienhöhe bleibt, aber nicht mehr zahlt. Die Telematik-Tarife geben einen Anreiz, vorsichtiger zu fahren. Wenn dies zu weniger Unfällen und geringeren Schadenaufwendungen führt, ist ein Rabatt hierfür gerechtfertigt. Wenn alle guten Fahrer in einen solchen Telematik-Tarif wechseln würden, blieben natürlich irgendwann nur noch die schlechten Fahrer im alten Tarif und müssten entsprechend für ihren höheren Schadenaufwand auch mehr bezahlen. Aber selbst dann: Da man sein Fahrverhalten beeinflussen und zum guten Fahrer werden kann, muss ein "normaler" Kunde aus meiner Sicht nichts befürchten.

Haben sich die Erwartungen der Kunden an Versicherungen durch die Digitalisierung und Angebote von Google, Facebook und Amazon denn geändert?
Michaele Völler: Durch Google sind wir gewohnt, dass alles intuitiv und leicht ist. Amazon macht individuelle Vorschläge zu Produkten, die hilfreich und nützlich für mich sind. Facebook macht das "Sharing" leicht. Solche Erfahrungen prägen natürlich unsere Erwartungen auch an Versicherungen. Die Anforderungen an Versicherer steigen damit.

Mit welchen Angeboten können sich Versicherer attraktiver aufstellen und dadurch vielleicht auch den alten Versicherungscharme abstreifen?
Michaele Völler: Das Produkt im Versicherungswesen ist ein in die Zukunft gerichtetes Leistungsversprechen, also immateriell. Nach dem Kauf erleben die meisten Kunden ihre  Versicherung nur durch die jährliche Rechnung. Versicherer sollten nach wertschaffenden Zusatzservices jenseits der alten Industriegrenzen suchen, die charmant mit ihrem Kernprodukt verknüpft sind und für häufi gere positive Erlebnisse und damit Kundenzufriedenheit sorgen.

Interview: Monika Probst

Februar 2016

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin Inside out 4/2015


M
M